Hamburg/Berlin. Zur Amoktat von Hamburg werden mehr Details bekannt - auch über den 35 Jahre alten Täter. Viele Fragen sind aber auch weiter offen.

Die tödlichen Schüsse im Alsterdorfer Gemeindehaus der Zeugen Jehovas haben den Streit über ein schärferes Waffenrecht neu angefacht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, die Tat zeige, „wie notwendig Änderungen“ im Gesetz seien. Der von ihr bereits vorgelegte Entwurf zur Verschärfung des Waffengesetzes müsse diskutiert und auf Lücken überprüft werden, so Faeser. Derzeit ist vorgesehen, „kriegswaffenähnliche halbautomatische Waffen“ zu verbieten. Philipp F, der Täter von Hamburg benutzte eine halbautomatische Pistole, die nicht darunter fällt.

Auch wenn das Thema bislang nicht auf der Tagesordnung im Innenausschuss des Bundestages steht, dürfte es weiter für Diskussionen sorgen. Neue Waffenhalter sollen nach den Plänen Faesers künftig auf eigene Kosten ein ärztliches oder psychologisches Zeugnis über ihre Eignung vorlegen. Das gilt bisher nur für Käufer unter 25 Jahren. Dies müsse in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden geschehen, erklärte Faeser. Nötig sei eine bessere Vernetzung der Behörden.

Amoklauf in Hamburg: FDP stellt sich gegen Änderungen im Waffenrecht

Mit ihren Plänen für mehr Kontrollen und Vorschriften hatte die SPD-Politikerin zuletzt die Verbände der Jäger und Schützen gegen sich aufgebracht. Diese wiederum erhielten Unterstützung von der FDP – die sagt, die von Faeser geplanten Änderungen im Waffenrecht stünden nicht im Koalitionsvertrag. Psychisch kranke Personen dürften keine Schusswaffen besitzen, betonte FDP-Vizefraktionschef Konstantin Kuhle gegenüber unserer Redaktion. Es sei „gut und richtig, dass das Waffenrecht dies schon heute unmissverständlich regelt“. Kuhle forderte zugleich Aufklärung zum Waffenbesitz des Schützen von Alsterdorf.

Es müsse geklärt werden, warum die Waffenbehörde von einer Entziehung der waffenrechtlichen Erlaubnis abgesehen habe. Mit Blick auf mögliche Gesetzesverschärfungen erklärte der FDP-Politiker: „Ohne präzise Aufarbeitung der Hintergründe verbieten sich Forderungen nach gesetzgeberischen Konsequenzen.“

CDU: Deutschland hat bereits eines der strengsten Waffengesetze der Welt

Der Innenexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Marcel Emmerich, sagte dem NDR, dass auch ein Verbot von halbautomatischen Pistolen für Privatleute geprüft werden müsse. „Diese schreckliche Tat hat gezeigt, dass legale Waffenbesitzer mit Waffengewalt Schlimmes anrichten können in dieser Gesellschaft“, sagte Emmerich und betonte: „Weniger Waffen in privaten Händen sorgen für mehr öffentliche Sicherheit.“ Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, sagte gegenüber dem RND, es sei „mehr als fragwürdig“, warum derzeit nur unter 25-Jährige ein amtsärztliches oder psychologisches Gutachten vorlegen müssten.

Der Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, sagte dem Evangelischen Pressedienst: „Angesichts eines solchen Verbrechens müssen wir selbstverständlich schauen, ob es noch Lücken in der Gesetzgebung gibt.“ Da Deutschland bereits eines der strengsten Waffengesetze der Welt hat, müsse aber auch geprüft werden, ob es Defizite im Vollzug gibt. Entscheidend sei, dass das Schutzniveau tatsächlich gehoben wird. „Für eine Placebo-Politik, die nur Jäger, Sammler und Sportschützen gängelt, stehen wir nicht zur Verfügung“, sagte Frei.

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Amoklauf in Hamburg: Polizisten plädieren für Verschärfung des Waffenrechts

Jan Reinecke, Hamburger Landesvorsitzender des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), plädiert für eine Verschärfung des Waffenrechts. „Schusswaffen, die zu sportlichen Zwecken genutzt werden, sollten zentral, getrennt nach Munition und Waffen, an der Sportstätte gelagert werden“, sagt Reinecke. „Nur dort kann sie ein Sportschütze auch benutzen.“ Dabei sollten nach Ansicht von Reinecke wie bei der Bundeswehr die Waffen aus der Waffenkammer von einer berechtigten Person an den Sportschützen ausgegeben werden.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, forderte die Bundesregierung zu einer unverzüglichen Verschärfung des Waffenrechts sowie deutlichen Reduzierung von Waffen auf. Die private Aufbewahrung von Sportwaffen müsse unter die Lupe genommen werden, sagte Kopelke. Dafür müssten Vereine Vorschläge machen und das Bundesinnenministerium den Rahmen klären. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Hartmann, sagte, es müsse geklärt werden, warum die Kontrollen des Hamburger Täters offenbar keine Anzeichen für eine Gefahr lieferten und nicht zu einem Entzug der Waffenbesitzerlaubnis führten.