Pünktlich zur Endphase der Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP gibt es weitere Argumente für eine Legalisierung von Cannabis – keine gesundheitlichen, sondern monetäre. Der Deutsche Hanfverband hat zum zweiten Mal nach 2018 ausrechnen lassen, wie viel der Fiskus durch die Legalisierung von Cannabis mehr an Steuern einnimmt und an Kosten für die Strafverfolgung spart. Es sollen jährlich 4,7 Milliarden Euro.
Vor drei Jahren ging das Autorenteam um den Wettbewerbsökonomen Justus Haucap von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf lediglich von einem positiven Effekt in Höhe von 2,7 Milliarden Euro aus. Die zusätzlichen zwei Milliarden Euro in der aktuellen Schätzung rühren vor allem daher, dass mittlerweile mehr Menschen Cannabis konsumieren.
Der Gesamtbedarf wurde für das Jahr 2021 auf 400 Tonnen geschätzt. Vor drei Jahren ging der ehemalige Chef der Monopolkommission noch von einem Jahresverbrauch von lediglich 250 Tonnen aus.
Entsprechend steigen die Einnahmen des Fiskus. Allein durch eine Cannabis-Steuer, die ähnlich einer Alkohol- und Tabaksteuer erhoben würde, fließen laut Studie jährlich 1,8 Milliarden Euro in die Staatskasse.
Hinzu kommt die normale Umsatzsteuer von 19 Prozent, was bei der angenommenen Absatzmenge weitere 0,65 Milliarden Euro bringen könnte. Das wären zusammen 2,45 Milliarden Euro. In der Vorgängerstudie addierten sich die beiden Positionen lediglich auf 1,05 Milliarden Euro.
Haucap begründet die Mehreinnahmen nicht nur mit einem gestiegenen Konsum, sondern auch mit weltweit gesunkenen Produktionskosten. Dadurch könne eine höhere Cannabissteuer veranschlagt werden, ohne dass der Preis pro Gramm über zehn Euro hinausgehen müsse. Hinzu kommen durch das Geschäft mit Cannabis Körperschafts- und Gewerbesteuern in Höhe von 85 Millionen Euro.
Schwarzmarkt könnte einbrechen
Zudem führt eine höhere Nachfrage auch zu mehr Arbeitsplätzen. In der Studie wird davon ausgegangen, dass durch die Legalisierung 27.000 Arbeitsplätze in der Cannabiswirtschaft entstehen. Dadurch steige das Aufkommen an Sozialbeiträgen, also für Renten-, Kranken- und Pflegekasse, um 526 Millionen Euro, zudem würden sich daraus Lohnsteuern in Höhe von 280 Millionen Euro ergeben.
Zwei weitere Zahlen, die in der 2018er Erhebung noch gänzlich fehlten, lassen den Legalisierungseffekt noch positiver erscheinen. Erstmals sei es aufgrund einer besseren Datenlage möglich, auch Einsparungen im Bereich der Justiz zu quantifizieren, heißt es in der Studie.
Die Einsparungen bei der Strafverfolgung durch die Polizei werden mit 1,05 Milliarden Euro angesetzt. Die Kosten der Staatsanwaltschaft, der Gerichte und des Justizvollzugs werden auf 313 Millionen Euro geschätzt.
Die Berechnungen der Ökonomen stützen sich auf Zahlen des Epidemiologischen Suchtsurveys für Deutschland und auf Auswertungen von Ländern, die bereits Cannabis legalisiert haben. Dazu gehören der Pro-Kopf-Konsum im US-Bundesstaat Colorado und in Frankreich. Inwieweit die Zahlen aus dem Ausland Orientierung für Deutschland geben können, lässt sich kaum sagen.
Entscheidend wird sein, wie sich der Schwarzmarkt hierzulande nach einer Legalisierung entwickeln würde. Die Autoren nahmen zudem an, dass der Schwarzmarkt durch die Legalisierung in Deutschland verschwindet. „Nach einer Legalisierung ist davon auszugehen, dass sich ein legaler, regulierter Markt schrittweise entwickelt und in den ersten Jahren nach einer Legalisierung eine schrittweise Angebotsverlagerung vom Schwarzmarkt hin zum legalen Markt stattfindet“, heißt es in der Studie.
Wie sich der Markt entwickelt, hänge zentral vom Preis für legales Cannabis ab. Sei der Preis zu hoch, werde der Schwarzmarkt erfolgreich neben dem legalen Markt bestehen bleiben. Werde der Preis hingegen zu niedrig angesetzt, bestehe die Gefahr eines weiter steigenden Konsums.
„Wer bislang illegal Drogen handelt, wird dies nicht plötzlich lassen“, sagte Dirk Peglow vom Bund Deutsche Kriminalbeamter schon im Oktober WELT AM SONNTAG. Zu erwarten sei vielmehr, dass die Preise auf dem Schwarzmarkt fallen und der Käuferkreis sich verändert. „Schwarzhändler werden sich gezielt an Jugendliche wenden, die den Stoff nicht an den legalen Abgabestellen bekommen“, sagt Peglow. Wer noch keine 18 Jahre alt ist, wird auch in Zukunft auf legalem Weg kein Gramm bekommen. Seit 2017 ist die Ausgabe von Cannabis auf Rezept erlaubt.
Verkauf durch geschultes Personal
Wettbewerbsökonom Haucap zeigt sich überzeugt davon, dass die positiven Effekte einer allgemeinen Legalisierung erheblich wären. „Durch eine Regulierung des Marktes steigt nicht nur der Schutz der Verbraucher, weil die Qualität des Cannabis sichergestellt werden kann, sondern es wird auch die Suchtprävention erleichtert, sowie Behörden und der Staatshaushalt entlastet“, sagt Haucap. In der Studie sei es ausdrücklich nicht darum gegangen, die Vor- und Nachteile einer Legalisierung zu analysieren, sondern nur darum, welche „Einnahmen und Kostenersparnisse mit einer alternativen Politikoption realisiert werden könnten“.
Die Debatte über eine Legalisierung von Cannabis in Deutschland hatte vor dem Hintergrund der möglichen Ampel-Koalition wieder an Fahrt gewonnen. FDP und Grüne sind für eine Legalisierung, die SPD hatte eine „regulierte Abgabe“ an Erwachsene zunächst in Modellprojekten befürwortet, die von Präventions- und Beratungsangeboten begleitet werden.
Das Geld, da sind sich die Parteien einig, soll unter anderem in eine verstärkte Aufklärung und Suchtprävention gesteckt werden. SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar, verwies im Vormonat zudem darauf, dass die hohen finanziellen und personellen Ressourcen, die bislang für die Verfolgung von Cannabis-Konsum aufgewendet werden müssten, bei der „Verfolgung und Ahndung wirklicher Kriminalität“ fehle. Derzeit müssen Polizisten jeden, den sie mit Cannabis erwischen, anzeigen – auch wenn es nicht einmal um ein Gramm geht und die Staatsanwaltschaft den Fall dann ohnehin fallen lässt.
Bei den Grünen ist von einer „vernunftgeleiteten Drogenpolitik“ die Rede. „Um Jugend- und Gesundheitsschutz zu ermöglichen, muss Cannabis dem Schwarzmarkt entzogen und in staatliche Kontrolle überführt werden“, sagte Grünen-Politikerin Kirsten Kappert-Gonther. Der Jugend- und Gesundheitsschutz lasse sich besser durchsetzen. Der Vorschlag der Grünen sieht unter anderem vor, dass Cannabis nur von besonders geschultem Personal verkauft werden darf.
Apotheker haben sich schon bereit erklärt, den Stoff anzubieten. Sie würden sich nicht darum reißen, sagte unlängst die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Gabriele Overwiening, aber im Fall einer Legalisierung könnten es nur die Apotheken sein, die ein Höchstmaß an Sicherheit für die Konsumenten gewährleisteten. Sie hätten die Labore, die Tresore für problematische Substanzen und könnten die Menschen richtig beraten.
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