„Wir wissen, dass es reisende Täter gibt“Deutlicher Anstieg der Ausländerkriminalität in Köln

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Ein Polizeiauto nachts im Einsatz.

Die Polizei hat auch in Köln einen deutlichen Anstieg nicht-deutscher Tatverdächtiger registriert. (Symbolfoto)

Wie der steigende Anteil nicht-deutscher Tatverdächtiger zu interpretieren ist und was laut Experten jetzt passieren muss.

Die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) sind in vielen Bereichen besorgniserregend. Seit Wochen wird aber vor allem über den Anstieg der Ausländerkriminalität diskutiert. Nachdem die Zahlen bereits im Vorfeld durch die Medien geisterten, stellte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sie am Dienstag offiziell vor: Der Anteil der nicht-deutschen Tatverdächtigen stieg um 3,7 Prozentpunkte auf 41,1 Prozent.

Dieser Trend ist nicht nur auf Bundesebene zu beobachten. In Köln fiel der Anstieg noch deutlicher aus: von 38,4 auf 43,3 Prozent. Wie sind diese Zahlen einzuordnen? Wie belastbar sind sie? Und was folgt aus ihnen? Ein Überblick:

Wie haben sich die Zahlen in Köln entwickelt?

Vor dem deutlichen Anstieg 2023 lag der Anteil nicht-deutscher Tatverdächtiger in den vergangenen fünf Jahren relativ konstant bei rund 38 Prozent. Ausländer waren in der Statistik somit auch in den vergangenen Jahren überrepräsentiert. Denn in Köln hatten 2023 20,9 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner keinen deutschen Pass, davor waren es rund 20 Prozent.

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Wie zuverlässig sind die Zahlen?

„Es gibt zumindest einige Faktoren, die die Zahlen relativieren“, sagt Clemens Kroneberg, Soziologe von der Uni Köln. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Migration, Integration und Kriminalität. „Zunächst ist die PKS vor allem eine Statistik darüber, wie viele Anzeigen die Polizei entgegengenommen hat.“ Es gebe ein großes Dunkelfeld, das von der PKS nicht erfasst werde. Zudem gibt die Statistik nur Auskunft über Tatverdächtige, nicht aber über Verurteilte.

„Außerdem ist nicht klar, wo die Tatverdächtigen wirklich herkommen. So gibt es auch nicht-deutsche Täter, die wegen der Tatgelegenheiten hier extra nach Köln kommen.“ Darauf hat auch der Kölner Polizeipräsident Johannes Hermanns bei der Vorstellung der Kölner Zahlen am vergangenen Mittwoch hingewiesen. „Wir wissen, dass es reisende Täter gibt, die gezielt in der dunklen Jahreszeit nach Köln kommen. Die Taschendiebe kommen nur in den seltensten Fällen aus dieser Stadt“, sagte er.

Was sind die Gründe für den Anstieg der Ausländerkriminalität?

Grundsätzlich sind die steigenden Zahlen in der PKS für Kroneberg zu einem erheblichen Teil noch immer auf die Corona-Pandemie zurückzuführen. „Wir sehen immer noch Nachholeffekte, vor allem bei Jugendlichen.“ Untersuchungen zeigen, dass die Anzeigebereitschaft steigt, wenn potenzielle Täter als fremd wahrgenommen werden, so der Soziologe.

Bei vielen Geflüchteten spiele aber die prekäre Lebenssituation eine besondere Rolle. „Menschen werden dann anfälliger für Kriminalität, wenn sie keine Perspektiven haben und etwa keiner Beschäftigung nachgehen dürfen.“ In Erstaufnahmeeinrichtungen, in denen viele Menschen mit teils traumatisierenden Fluchterfahrungen ohne strukturierten Tagesablauf zusammenwohnen, „kommt es zwangsläufig zu mehr Konflikten“, so Kroneberg.

Darauf macht auch Oliver Huth, NRW-Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) aufmerksam. „Die Unterbringung in Sporthallen ist nicht gerade förderlich für die Sozialisierung“, sagt er. Dass der Anteil Nicht-Deutscher unter den Tatverdächtigen so hoch ist, habe aber noch weitere Gründe: „Ein Großteil der Migranten sind Männer. Und Männer sind grundsätzlich krimineller als Frauen“. Geflüchtete würden außerdem unter erheblichem wirtschaftlichen Druck stehen, um ihre Fluchtkosten zu refinanzieren und ihre Familien in der Heimat zu ernähren. 

Aber auch kulturelle Faktoren macht Huth als Grund aus: „Viele Zugewanderte sind in strengen patriarchalen Strukturen aufgewachsen.“ Das spiegele sich auch im Konfliktverhalten und somit in der Kriminalstatistik wider.

Was muss sich ändern?

„Man muss politisch klare Perspektiven schaffen: Kann jemand in Deutschland bleiben oder nicht? Lautet die Antwort ja, dann muss man Teilhabe, vor allem am Arbeitsmarkt ermöglichen, damit sich Geflüchtete hier eine Existenz aufbauen und integrieren können“, so Kroneberg.

Huth vom BDK fordert sowohl mehr „Repression wie Prävention“. Man müsse vor allem Mehrfachtatverdächtige stärker in den Fokus nehmen und gleichzeitig für schnellere Asylverfahren und bessere Integration sorgen. „Aber die Kommunen sind jetzt schon überfordert“, merkt er an. „Deswegen dürfen wir uns nichts vormachen: Langfristig wird sich nichts ändern, wenn wir das Thema Flucht nicht in den Griff kriegen.“

Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats, betont, dass es mehr Geld und Personal in der Arbeit mit Geflüchteten brauche. „Gerade für Kinder und Jugendliche braucht es mehr pädagogische Angebote, auch um Werte zu vermitteln, die hier essenziell sind. Aber dafür muss Geld in die Hand genommen werden.“ Stattdessen werde die soziale Situation von Geflüchteten weiter verschlechtert. So etwa dadurch, dass Geflüchtete künftig drei Jahre, statt 18 Monate nur Grundleistungen aus dem Asylbewerbergesetz bekommen. „Damit produziert man Armut und daraus erwächst Kriminalität“, so Prölß.

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