WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Politik
  3. Deutschland
  4. Bund Deutscher Kriminalbeamter: „Innenminister sind Getriebene“

Deutschland Bund Deutscher Kriminalbeamter

„Innenminister sind immer Getriebene. Das wird auch Frau Faeser erleben“

Reporter Investigative Recherche
Bundesinnenministerin Nancy Faeser und BDK-Chef Peglow Bundesinnenministerin Nancy Faeser und BDK-Chef Peglow
Bundesinnenministerin Nancy Faeser und BDK-Chef Peglow
Quelle: picture alliance/dpa/Jörg Carstensen Name des Autors: Jörg Carstensen Autor: car sb
Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.
Der neue Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Dirk Peglow, findet deutliche Worte bezüglich der Herausforderungen für Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Er hat auch schon eine Idee, wie es nach einem möglichen Scheitern für sie weitergehen könnte.

Beide sind neu im Amt, beide aus Hessen, beide fast gleich alt. Und beide kennen einander: Bundesinnenministerin Nancy Faeser, lange innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag – und Dirk Peglow, 52, der neue Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), der nach wie vor Chef der Organisation in Hessen ist.

Im Gespräch mit WELT sprach Peglow nun über die Herausforderungen, denen sich die neue Innenministerin gegenüber sieht. Und er findet deutliche Worte: „Innenminister“, sagt er, „sind immer Getriebene der Ereignisse. Das wird auch Frau Faeser erleben.“ Er wünsche ihr eine glückliche Hand, sagt Peglow.

Die sei nötig, so der ehemalige Ermittler der Mordkommission in Frankfurt am Main. Denn das Spektrum sei enorm groß, die Themen heikel – zum Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums gehören ein halbes Dutzend Großbehörden wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dazu Bundeskriminalamt (BKA), Bundespolizei und Verfassungsschutz.

Faeser hat nie zuvor eine Behörde geleitet, sie steht vor einer Herkulesaufgabe. Was ist, wenn sie scheitert? Peglow, Mitglied der CDU, sagt: „Faeser könnte Spitzenkandidatin bei der Hessen-Wahl im Herbst 2023 werden. Schließlich ist sie immer noch die SPD-Landesvorsitzende. Sie hat eine Rückkehroption.“

Homeoffice ist für Polizisten oft unmöglich

Faeser wird zum rechten Flügel der Sozialdemokratie gezählt, will aber kein „roter Sheriff“ sein – wie einst Innenminister Otto Schily. Der hatte etwas Unnahbares, sie sucht den Kontakt. „Faeser hat in Hessen zahlreiche Dienststellen der Polizei besucht“, erzählt Peglow. Hier gebe es eine Aufgabe für sie: Obwohl die Pandemie nun schon zwei Jahre andauere, sei Homeoffice für Polizisten von Bund und Ländern meist unmöglich.

„Es fehlen schlicht die Rechner. In vielen Dienststellen kommen auf 20 Beamte oft nur zwei mobile Geräte. Homeoffice ist also kaum umsetzbar“, so Peglow. Natürlich seien nicht alle Tätigkeiten der Kriminalpolizei geeignet, um sie im Homeoffice auszuüben. „Teilweise haben Vorgesetzte aber eine antiquierte Haltung und betrachten das Thema Homeoffice sehr kritisch, auch da wo es möglich wäre“, sagt Peglow. Am weitesten sei das BKA, wo die Homeoffice-Quote bei 50 Prozent liege.

Eine zweite Aufgabe für Faeser sieht er in der Digitalisierung der Polizei. „Das entsprechende Programm ,Polizei 2020‘ ähnelt dem Flughafen BER“, findet Peglow, „da war die Frage irgendwann auch nicht mehr opportun, wann er fertiggestellt sein wird.“ Er halte Kompetenzzentren für sinnvoll, nicht jedes der 16 Bundesländer müsse seine eigene IT-Landschaft pflegen.

Momentan ist die Polizei in Bund und Ländern noch weit entfernt von einem einheitlichen IT-Gesamtsystem, das alle relevanten Informationen dann bereitstellt, wenn der einzelne Beamte sie braucht. Die Ziele lauten: schnellere Verfügbarkeit gesammelter Informationen, Verbesserung der Analysefähigkeit, größere Wirtschaftlichkeit durch Verwendung einheitlicher Systeme.

Dirk Peglow
Neuer BDK-Vorsitzender Dirk Peglow
Quelle: dpa-infocom GmbH

Bisher, sagt Peglow, hätten Bund und Länder teils völlig unterschiedliche Computersysteme und Softwareprogramme. Das BKA habe festgestellt, „dass eine zersplitterte IT-Landschaft, die von Eigenentwicklungen, Sonderlösungen, Schnittstellen, unterschiedlichen Dateiformaten und Erhebungsregeln geprägt ist, den Anforderungen an eine moderne Polizeiarbeit nicht mehr genügt“.

Lesen Sie auch
Anzeige

Ein großer Streitpunkt in der Ampel-Regierung könnte Peglow zufolge die sogenannte Vorratsdatenspeicherung werden. Bei der Speicherung von Telekommunikationsdaten auf Vorrat zeigen sich Sozialdemokraten offener als Liberale und Grüne, die aus Sorge um Bürgerrechte und Datenschutz eine restriktive Linie vertreten. Die Speicherung ist in Deutschland ausgesetzt, der Europäische Gerichtshof wird 2022 entscheiden, was zulässig ist.

„Ein Kompromiss könnte das Quick-Freeze Verfahren sein“, sagt Peglow, also das Einfrieren solcher Daten für einen kurzen Zeitraum. „Doch genau das wird den Ermittlern überhaupt nicht helfen.“ Denn für die Polizei sei oft entscheidend, dass Daten noch rückwirkend vorgehalten würden. „In vielen Fällen ist sonst keine Strafverfolgung mehr möglich“, so Peglow.

„Das Cannabisverbot ist überholt“

Wenig Dissens besteht hingegen bei dem Vorhaben einer Liberalisierung des Umgangs mit Cannabis, die der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP vorsieht. Demnach soll künftig eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften erlaubt sein. Für viele Kleinkonsumenten wird damit die Verfolgung durch die Polizei enden.

„Das jahrzehntelange Verbot ist überholt. Wir haben uns schon lange dafür stark gemacht, die Konsumierenden nicht nur von Cannabis zu entkriminalisieren, sondern dies für alle Stoffgruppen einzuführen“, betont Peglow. Der Besitz und Konsum etwa eines Joints sollte nur noch als Ordnungswidrigkeit angesehen und mit einem Bußgeld bestraft werden.

Bei der Einrichtung von Abgabestellen für Cannabis ist Peglow skeptisch: „Hier sollte man zunächst mit wenigen Modellprojekten beginnen und diese wissenschaftlich begleiten, um festzustellen, wie der illegale Markt reagiert, der nicht verschwinden wird.“ Flankierend müsse der Staat umfangreiche Präventionsangebote machen.

Es gibt aber auch Punkte im Koalitionsvertrag, die Peglow kritisch beurteilt. So fehle ihm die Vorstellungskraft, wie die geplante „Überwachungsgesamtrechnung“ aussehen solle und mit welchen Personen die einzurichtende „Freiheitskommission“ besetzt werden könnte, die in Zukunft bei der Erstellung von Gesetzentwürfen beraten und Freiheitseinschränkungen evaluieren soll.

Sebastian Fiedler
Sebastian Fiedler zog für die SPD in den Bundestag ein
Quelle: dpa-infocom GmbH

Peglow kommen in dem Vertrag zu häufig die Worte Kontrolle, Datenschutz und Evaluierung vor: „Dadurch hat man das Gefühl, dass in der Ampel generell Misstrauen gegenüber den Sicherheitsbehörden herrscht.“

Doch nicht nur Faeser steht vor neuen Herausforderungen – Peglow auch. Als BDK-Vorsitzender folgt er auf Sebastian Fiedler, der als SPD-Kandidat für Nordrhein-Westfalen in den Bundestag eingezogen ist. Fiedler trat in den TV-Talkshows von Maybrit Illner, Sandra Maischberger, Anne Will und Markus Lanz auf. Jetzt muss Peglow den Fach- und Sachverstand, über den der Bund Deutscher Kriminalbeamter mit rund 15.000 Mitgliedern verfügt, auch medial vermitteln. Zwar hat er schon ein paar Fernsehauftritte hinter sich, aber das neue Gesicht des BDK muss er noch werden.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema

Themen