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Polizei-Kritik zu Cannabis-Plänen: „Was haben die geraucht im Ministerium?“

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Laut Bundesregierung erspart die Cannabis-Legalisierung den Behörden Arbeit. Doch Polizei und Justiz widersprechen – und werfen Karl Lauterbach Ahnungslosigkeit vor.

Berlin – Es könnte eine einfache Rechnung sein: Die meisten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz betreffen Cannabis-Konsum. Ist die Droge legal, fällt hier Arbeit für die Behörden weg und Polizei und Justiz wären spürbar entlastet. So argumentiert die Bundesregierung, die das Cannabis-Gesetz verabschieden und den Konsum ab Anfang 2024 legalisieren will. Doch diese Gleichung geht laut dem Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) und der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) so nicht auf, wie sie im Gespräch mit IPPEN.MEDIA erklären.

Cannabis-Gesetz als „Regelungsmonster“: Behörden sehen mehr Arbeit durch Legalisierung

Schon in wenigen Wochen soll Cannabis-Konsum in Deutschland unter bestimmten Regeln erlaubt sein. Auf der einen Seite fallen dann die vergleichsweise harmlosen Konsumdelikte weg, auf der anderen Seite entstehen aber neue Aufgaben für die Behörden, wie die Regeln für die neuen sogenannten „Cannabis Social Clubs“ bis hin zur Kontrolle des Kiffens im öffentlichen Raum.

Denn dafür soll es detaillierte Bestimmungen geben: In der Öffentlichkeit darf man seinen Joint nicht rauchen, wenn man weniger als 200 Meter Abstand zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Spielplätzen und öffentlichen Sportplätzen hat. Ebenso ist der Konsum in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr tabu.

Für Dirk Peglow, Chef des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, ist das Cannabisgesetz deshalb ein „Regelungsmonster“, dessen Umsetzung „in der Praxis kaum möglich sein wird“, wie er unserer Redaktion sagt. Er erwartet besonders mit Blick auf die Abstandsregeln beim Konsum deutlich kompliziertere Kontrollen als bisher. Das Modell nach „Anzeige und fertig“ falle weg. „Künftig wird man dann erst einmal Abstandsmessungen vornehmen müssen.“ Das sei gerade in größeren Städten kompliziert – „übrigens auch für die Menschen, die Cannabis konsumieren“. Schwer vorstellbar, dass Polizisten mit Messgeräten kontrollieren, ob man nun 150 Meter oder 210 Meter von einer Schule entfernt steht.

Auch für Rainer Wendt, Chef der deutschen Polizeigewerkschaft, sind die Regeln praxisfern. Städte wie Berlin mit hunderten Schulen und Kitas müsste man laut ihm de facto „zur Cannabis-freien Zone erklären“.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Cannabis-Plantage
Federführend für die Cannabis-Legalisierung verantwortlich: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). © dpa/Kay Nietfeld//Imago//ingimage (Montage)

„Was haben die geraucht im Ministerium, als sie das beschlossen haben?“

Hinzu kämen weitere Schwierigkeiten, etwa bei der Kontrolle der Freimengen bis 25 Gramm oder der Verbotszeiten in Fußgängerzonen, erklärt Wendt IPPEN.MEDIA. „Da tun sich völlig absurde Szenarien auf, und der Gesundheitsminister hat schlicht keine Ahnung davon, welche Kapazitäten die Polizei hat und wie wir das alles händeln wollen.“ Der Polizeichef fragt spöttisch: „Was haben die geraucht im Ministerium, als sie das aufgeschrieben haben?“

Die Bundesregierung verkenne, dass die Kontrolle durch Beamte erfolgen müsse, die schlicht nicht vorhanden seien. Kein Personal, keine Zeit. „Da wird eine Kontrolle als Vision an die Wand gemalt, die in Wahrheit nicht stattfindet.“

Auch die Justiz sieht eine Mehrbelastung. So erklärt die Neue Richtervereinigung auf Anfrage, die Ordnungswidrigkeiten bei Verstoß gegen die 200-Meter-Regel würden „eine Vielzahl von Gerichtsverfahren nach sich ziehen“. Ähnlich argumentiert der Deutsche Richterbund.

„Mit diesem Gesetz legalisieren wir den illegalen Handel bis 25 Gramm“

Die Bundesregierung ist anderer Meinung. Im Referentenentwurf zum Cannabisgesetz wird auf den Ökonomen Justus Haucap verwiesen. Seine Studie „Fiskalische Auswirkungen einer Cannabislegalisierung in Deutschland“ kommt mit Blick auf das gesamte Gesetzesvorhaben auf folgende Einsparungen:

Für BDK-Chef Peglow geht diese Rechnung nicht auf. „Wir sparen diese Ressourcen ja nicht ein, denn die frei werdenden Mittel werden unter anderem für die Bekämpfung des organisierten Verbrechens eingesetzt.“ Der BDK ist für eine Entkriminalisierung, doch so wie das Gesetz aktuell geplant sei, ergäben sich „erhebliche Konsequenzen für die polizeiliche Arbeit gegen den Drogenhandel“. Denn mit dem Streichen von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz fallen für die Polizei einige Befugnisse weg, der Kampf gegen den Drogenschmuggel werde erschwert. „Mit diesem Gesetz legalisieren wir im Grunde den illegalen Handel bis 25 Gramm.“ (as)

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