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Polizist in Sorge wegen Bauernprotesten: „Ausdruck eines neuen Phänomens“

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Wirtschaftsminister Habeck wird von wütenden Bauern blockiert. Ein Polizist sagt: Das ist Symptom einer gesellschaftlichen Entwicklung, die die innere Sicherheit gefährdet.

Ockholm/Berlin – Es sind beinahe unwirkliche Szenen: Eine wütende Menschenmenge belagert ein Boot, während Feuerwerksraketen und Böller in die Luft fliegen. Passiert ist das am Donnerstag, rund 100 Bauern haben in Schlüttsiel in Schleswig-Holstein Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Verlassen einer Fähre gehindert. Einige sollen gar versucht haben, das Schiff zu stürmen, das anschließend zurück zur Hallig Hooge fahren musste. Bundesweit haben die Szenen Empörung ausgelöst. Aus sicherheitspolitischer Sicht sei das überaus besorgniserregend, so Kriminalist Oliver Huth.

Polizist über Bauernproteste: „Wir haben es mehr und mehr mit Segregation in der Gesellschaft zu tun“

Er ist NRW-Chef der Kripo-Gewerkschaft BDK und sagt gegenüber IPPEN.MEDIA: „Die Bilder von den Bauernprotesten bereiten mir große Sorge. Das ist Ausdruck eines allgemeinen neuen Phänomens: Wir haben es mehr und mehr mit Segregation in der Gesellschaft zu tun.“ Es gebe eine Tendenz, dass sich Gruppen zusammenschlössen und ein eigenes Werte- und Normensystem entwickelten. „Irgendwann verlieren manche offenbar die Achtung vor dem Staat. Das kann eher klein losgehen, etwa mit ausufernden Protestformen“, so Huth.

Oliver Huth, NRW-Chef vom Bund deutscher Kriminalbeamter.
Oliver Huth, NRW-Chef vom Bund deutscher Kriminalbeamter. © Peter Sieben

Ähnlich habe man das auch bei den Protesten der „Letzten Generation“ gesehen: „Der Impetus war ja eigentlich, das Klima zu retten. Inzwischen sind Teilbereiche der Gruppe als kriminelle Vereinigung definiert.“ Er beobachte einen immer größeren Dissens in der Gesellschaft, so der Kriminalbeamte. „Das Unterordnen der eigenen Wünsche unter das Gesamtwohl steht nicht auf der Tagesordnung, sondern manche stellen nur ihre Probleme in den Mittelpunkt.“ Und immer öfter würden manche versuchen, ihre Probleme eigenständig zu lösen – manchmal mit zweifelhaften Mitteln.

„Aus kriminologischer Sicht lässt sich sagen: Ein höherer Dissens und eine höhere Segregation führen zu mehr Kriminalität und bei manchen zu einer Ablehnung des Staates und zu Extremismus aus der Mitte der Gesellschaft heraus“, so Huth.     

Mona Neubaur (Grüne) über Eskalation bei Bauernprotesten: „Widerwärtig und ekelhaft“

Scharfe Kritik an der Aktion der Landwirte gibt es auch aus der Politik. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) etwa schrieb via X (ehemals Twitter): „Das schadet den berechtigten Anliegen der Bauern und muss Konsequenzen haben.“ Er teile die Anliegen der Bauern, diese „Grenzüberschreitung aber ist absolut inakzeptabel“, so Wüst. Und die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) kommentierte: „Das ist einfach nur Gewalt: widerwärtig und ekelhaft. Aufgehetzt von denen, die sonst am lautesten Respekt fordern.“ Auch der Deutsche Bauernverband hat sich von der Aktion distanziert, Blockaden dieser Art seien ein „No-Go“ hieß es von dort.

Hintergrund der Bauernproteste, die am Montag in mehreren Bundesländern weitergehen sollen, sind geplante Subventionskürzungen für Landwirte, die die Bundesregierung teilweise inzwischen wieder zurückgenommen hat.

Das Bundesinnenministerium hat unterdessen vor Versuchen extremer Kräfte gewarnt, die Bauernproteste für andere Zwecke zu missbrauchen. Ein Sprecher von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte am Freitag, es sei davon auszugehen, dass insbesondere Akteure aus dem rechtsextremistischen Spektrum und Personen, die den Staat delegitimieren wollten, im Verlauf der Protestwoche versuchen würden, Veranstaltungen für eigene Interessen zu instrumentalisieren: „Hier geht es darum, durch deutliche Distanzierung der Initiatoren dafür zu sorgen, dass solche Instrumentalisierungsversuche durch Extremisten nicht verfangen.“ (mit dpa)

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