Keine zwei Wochen bevor Abdirahman J. A., ein 24-jähriger Flüchtling aus Somalia, in Würzburg mit einem Messer auf Passanten einstach und dabei drei Frauen tötete und sieben weitere Menschen teils schwer verletzte, wurde er in eine psychiatrische Klinik gebracht. Er war auffällig geworden, hatte in der Würzburger Innenstadt ein Auto angehalten, sich stumm auf den Beifahrersitz gesetzt. Einen Tag später verließ er die Psychiatrie. Die Ärzte hatten keine Eigen-und Fremdgefährdung feststellen können.

Anfang des Jahres war A. bereits in der Einrichtung gewesen, eine Woche lang. Er hatte Mitbewohner des Obdachlosenheims, in dem er lebte, mit dem Messer bedroht. Auch dieses Mal wurde er entlassen.

Tobias R., der Attentäter von Hanau, der 2020 neun Menschen aus rassistischen Motiven erschoss, war ebenfalls vor der Tat psychisch auffällig geworden. Das erste Mal im Jahr 2002. Ein Amtsarzt diagnostizierte damals eine "Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis". R. wurde in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht, am nächsten Tag aber als "ungeheilt" entlassen. Zwei weitere Male fiel er noch mit wahnhaftem Verhalten auf; wurde aber nie behandelt.

Und schließlich: Halle. Ein psychiatrisches Gutachten attestierte dem rechtsextremen Attentäter Stephan B., der im Oktober 2019 versuchte, in die Synagoge der Stadt einzudringen, und im Anschluss zwei Menschen erschoss, zwar die volle Schuldfähigkeit, diagnostizierte ihm zugleich aber eine "tiefe, komplexe Persönlichkeitsstörung".

Würzburg, Hanau, Halle. Drei Gewaltverbrechen mit teils unterschiedlichen Motiven. Eine Gemeinsamkeit aber haben sie: Alle Täter waren im Vorfeld psychisch auffällig geworden. Und die Reihe lässt sich fortführen: Das OEZ-Attentat in München, die Amokfahrt in Bottrop, der Mord auf dem Frankfurter Hauptbahnhof. Etwa ein Drittel aller allein handelnden Attentäter der Jahre 2000 bis 2015 sei psychisch krank gewesen, heißt es beim Bund deutscher Kriminalbeamter. Experten wie der Terrorismus-Forscher Peter Neumann beobachten nicht nur eine steigende Zahl der allein handelnden Täter, sondern auch, dass diese immer häufiger unter psychischen Auffälligkeiten leiden. Neumann spricht von einem "neuen Tätertypus" und empfiehlt, Präventionsstrategien darauf auszurichten.

Doch wie kann das in der Praxis aussehen? Sind Sozialarbeiter darauf vorbereitet? Wie steht es um die ärztliche Seite? Der Vorsitzende des Bundes deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, verwies angesichts der Tat von Würzburg auf einen "Fachkräftemangel in der Psychiatrie", der verhindere, dass "Kranke ausreichend behandelt" würden. Und vor welche Herausforderungen stellt der Tätertyp die Sicherheitsbehörden?

Lars Rückheim ist Gruppenleiter der Abteilung Terrorismus beim Bundeskriminalamt. "Unter den Personen, die dem islamistischen Spektrum zuzuordnen sind und mit denen wir uns im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) befassen, gibt es auch solche, die Anzeichen für eine psychische Störung aufweisen", sagt er. Entsprechende Ansatzpunkte habe es vereinzelt auch bei bisherigen Attentaten und Anschlägen, aber auch bei Taten, die die Sicherheitsbehörden verhindern konnten, gegeben.

Unter den Personen, mit denen man sich befasse, sagt Rückheim, seien viele Menschen aus ehemaligen Kriegsgebieten. "Viele dieser Menschen haben dort traumatische Erlebnisse gehabt, die potenziell geeignet sind, entsprechende Störungen und Erkrankungen auszulösen."