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Rechtsextremismus bei der Polizei: „Bei manchen entwickelt sich ein falsches Gedankengut“

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Dass sich Polizeibeamte in Chats rechtsextrem äußern, ist kein Einzelfall. Zwei Polizisten sprechen über mögliche Gründe.

Berlin – Ihre Chatgruppen hießen „Secret Hitler Crew“, „React Clan“ oder „Vorzeigepolizisten“: Letzteres waren die acht jungen Polizisten, gegen die die Staatsanwaltschaft Essen im September 2023 Ermittlungen eingeleitet hat, allerdings ganz und gar nicht. Sie sollen in ihren Chats Nazi-Symbole ausgetauscht und den Holocaust verherrlicht haben. Nicht der erste Fall von rechtsextremen Polizisten-Chats. Auch in Münster und Frankfurt gab es in jüngster Zeit Ermittlungen gegen Polizeibeamte wegen rechtsextremer Inhalte in Whatsapp-Gruppen. Wie ist das zu erklären?

Rechtsextremismus bei der Polizei: „Rahmenbedingungen führen dazu, dass Resilienz geringer wird“

„Ich glaube nicht, dass Leute zur Polizei gehen und rechtsradikal sind“, sagt Oliver Huth, NRW-Chef vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, und versucht es mit diesem Erklärungsansatz: „Ich glaube aber, dass die Rahmenbedingungen, die die Kolleginnen und Kollegen treffen, dazu führen, dass deren Resilienz geringer wird.“ Es gebe immer mehr Segregation und Polarisierung in der Gesellschaft, das spürten auch die Staatsdiener.

Zuletzt etwa war das an Silvester der Fall, als in mehreren Städten Polizisten gezielt mit Raketen und Böllern angegriffen worden waren. „Es entsteht ein höherer Grad an Frustration. Deshalb muss man sich als Polizist immer wieder klarmachen: Wenn du angegriffen oder bespuckt wirst, dann ist das ein Fehlverhalten von Einzelpersonen und nicht das Verhalten einer bestimmten Gruppe.“ Die Bürgerinnen und Bürger hätten einen Anspruch darauf, dass Polizistinnen und Polizisten diese Resilienz hätten. „Aber leider entwickelt sich bei manchen offenbar ein falsches Gedankengut bis hin zur Strafbarkeit“, so Huth. Dagegen gehe die Polizei zwar konsequent vor. „Aber ich kann nicht versprechen, dass der ein oder andere die Kurve nicht kriegt.“  

Gruppengefühl ist wichtig: „Sonst übersteht man die Belastung nicht“

Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, sieht es ähnlich. Er glaube nicht, dass es ein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus in den Landespolizeien und Bundesbehörden gebe, so Kopelke im Interview mit IPPEN.MEDIA. „Aber ich glaube schon, dass der sich verändernde Arbeitsalltag auch manche Polizistinnen und Polizisten verändern kann. Tatsächlich ist es so, dass man in dem Beruf ein Gruppengefühl braucht, sonst übersteht man die Gefahren und die Belastung nicht.“ Chatgruppen als Ventil, in denen sich manchmal dann aber Extreme herausbilden.

GdP-Chef: „Extremisten gehören nicht in Sicherheitsbehörden“

„Die meisten und gerade auch junge Polizistinnen und Polizisten nehmen solche Sprüche und Bilder in irgendwelchen Chatgruppen aber nicht hin. Deshalb gibt es richtigerweise auch rechtliche Schutzmöglichkeiten für Beamtinnen und Beamte, die das zur Anzeige bringen“, so der GdP-Chef. Er macht klar: „Extremisten gehören nicht in Sicherheitsbehörden, das ist eine klare Haltung der GdP. Man kann in der GdP auch nicht Mitglied sein, wenn man der AfD angehört.“

NRW-Innenminister Herbert Reul will neues Gesetz

Allerdings: Oft bleiben Ermittlungen wegen rechtsextremer Chats folgenlos für die Polizeibeamten. Denn nach Auffassung vieler Gerichte sind Parolen in geschlossenen Chatgruppen kaum strafbar. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte deshalb zuletzt ein neues Gesetz gefordert, mit dem auch extremistische Posts in privaten Chatgruppen als Straftat im Amt gewertet werden könnten. Denn diese seien keineswegs „bloße Meinungsäußerung mehr unter Kolleginnen und Kollegen“, heißt es in dem Vorschlag.

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