Studie zu Polizeigewalt :
Gewerkschafter nehmen Polizisten in Schutz

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Nötige Härte oder übertriebene Gewalt? Polizeieinsatz bei den „Blockupy“-Protesten in Frankfurt 2013
Forscher der Uni Frankfurt meinen, dass Übergriffe durch Polizisten zu selten aufgeklärt würden. Polizeigewerkschafter wehren sich gegen die Annahme, solche Fälle würden regelmäßig vertuscht.

Zurückhaltend und teils mit Kritik haben Polizeigewerkschafter auf die am Dienstag veröffentlichte Studie von Forschern der Universität Frankfurt zu Gewalt durch Polizisten reagiert. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigte sich besorgt, dass der Anschein entstehen könne, die deutsche Polizei bewege sich regelmäßig außerhalb des Gesetzes: „Dieser Eindruck ist ausdrücklich falsch“, äußerte der GdP-Landesvorsitzende Jens Mohrherr.

Nach Ansicht der Wissenschaftler um Tobias Singelnstein, Professor für Kriminologie und Strafrecht an der Goethe-Universität, wird übermäßige Polizeigewalt nur selten aufgearbeitet. Singelnstein und seine Mitarbeiterinnen haben mehr als 3300 mutmaßlich Betroffene befragt sowie gut 60 qualitative Interviews mit Polizisten, Richtern, Staats- und Rechtsanwälten sowie Mitarbeitern von Opferberatungsstellen geführt. Finanziert wurde die Studie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Die Gesprächspartner beklagten sich häufig über ihrer Meinung nach unangemessenes Verhalten von Polizisten bei Großveranstaltungen wie Demonstrationen und Fußballspielen, aber auch bei Personenkontrollen. Besonders oft gaben junge Männer an, sie seien Opfer von Polizeigewalt geworden. „Die Befragungsdaten sowie die Interviews zeigen außerdem, dass marginalisierte Personen in besonderer Weise von übermäßiger polizeilicher Gewalt betroffen sind“, sagte Singelnstein.

Berichte von schweren Verletzungen und Traumata

19 Prozent der angeblich Betroffenen berichteten, sie hätten schwere Verletzungen erlitten. Auch von psychischen Beeinträchtigungen wie Wut und Angst vor der Polizei war die Rede, außerdem davon, dass man bestimmte Situationen oder Orte nun meide und das Vertrauen in Polizei und Staat verloren habe.

Als mögliche Ursachen für rechtswidrige Polizeigewalt nennt die Studie sowohl individuelle als auch situative oder organisationsbedingte Faktoren. Mängel in der Kommunikation, Stress, Überforderung, aber auch diskriminierendes Verhalten von Beamten könnten Übergriffe begünstigen. Gleiches gelte für Nachfragen von Betroffenen, Respektlosigkeiten und eine Verweigerungshaltung gegenüber polizeilichen Eingriffen.

Die Bereitschaft, mutmaßlich illegales Handeln von Polizisten anzuzeigen, ist der Untersuchung zufolge gering. „Ein Großteil der Verdachtsfälle rechtswidriger polizeilicher Gewaltanwendungen verbleibt dadurch im Dunkelfeld“, berichtete Singelnstein. „Nur 14 Prozent der von uns befragten Betroffenen gab an, dass in ihrem Fall ein Strafverfahren stattgefunden habe.“ Verfahren würden zu 90 Prozent von den Staatsanwalten eingestellt, nur in etwa zwei Prozent der Fälle werde Anklage erhoben. Polizisten täten sich oft schwer damit, Kollegen durch Aussagen zu belasten, und für Staatsanwälte sei es wegen der täglichen Zusammenarbeit mit der Polizei schwierig, an solche Fälle unvoreingenommen heranzugehen.

Oft steht Aussage gegen Aussage

Das könne dazu führen, dass möglichen Opfern nicht geglaubt werde, so der Juraprofessor: Oft stünden ihre Aussagen denen der am Einsatz beteiligten Polizisten gegenüber, und es fehle an weiteren Beweisen. In der auf eine polizeiliche Gewaltanwendung folgenden Auseinandersetzung „erweist sich die polizeiliche Deutungsweise angesichts dieser Umstände als besonders durchsetzungsfähig und dokumentiert so die besondere Definitionsmacht der Polizei“.

Singelnstein monierte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass Polizeigewalt in Deutschland anders als in anderen Ländern statistisch nicht ausreichend erfasst werde. Zudem stehe in den Gesetzen nicht explizit, welche Formen „einfacher körperlicher Gewalt“ – etwa schmerzhafte Griffe – Polizisten erlaubt seien.

GdP-Landeschef Mohrherr sieht sich durch die Studie in seiner gewerkschaftlichen Arbeit „eher bekräftigt als auf neue Pfade gebracht“. Leider betrachte die Untersuchung nicht die täglichen Herausforderungen und die Arbeitsbedingungen der Kollegen, vor allem in sogenannten Brennpunktrevieren. Kaum ein Beruf sei mit ähnlichen Herausforderungen verbunden wie der des Polizisten. Angesichts dessen und der steigenden Zahl von Einsätzen in konfliktträchtigen Situationen „halten wir es für – mindestens – gewagt, mit einer Fallzahl von ,Gewalt durch Polizeivollzugsbeamte‘ aufzuwarten, die nahezu im Promillebereich liegt“.

„Umfangreiche Ermittlungen spezialisierter Dienststellen“

Die Unabhängigkeit der Justiz bei vermuteter Polizeigewalt infrage zu stellen, „lässt auf ein problematisches Verhältnis zu den Grundsäulen unserer Demokratie schließen“, so Mohrherr. Ähnlich äußerte sich Dirk Peglow, Bundes- und Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. In allen Fällen von angeblich illegalem polizeilichen Verhalten gebe es umfangreiche Ermittlungen spezialisierter Dienststellen, die zu einer transparenten Prüfung durch die Staatsanwaltschaft führten. Insofern sei die Annahme zulässig, dass der Einsatz körperlicher Gewalt durch Polizisten nur in Ausnahmefällen rechtswidrig gewesen sei.

Jörg-Uwe Hahn, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im hessischen Landtag, sieht wie Singelnstein „Lücken in der Erforschung von Polizeigewalt“. Informationen hierzu müssten statistisch transparent erfasst werden. „Ferner wäre es sinnvoll, Regelungen zur Anwendung von körperlicher Gewalt zu schaffen.“ Das schütze auch die Polizisten selbst. „Die nun veröffentlichten Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass Polizeigewalt ein reales Problem ist“, sagte Torsten Felstehausen, innenpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion. Seine Partei sehe durch die Untersuchungen bestätigt, was sie schon seit Jahren problematisiere.