Kriminalität in Deutschland: Wer begeht eine Straftat?

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MODERATOR/IN
Nicole Köster
Moderatorin Nicole Köster aus dem SWR1 Team moderiert täglich ausßer samstags zwischen 10 und 12 Uhr die Sendung SWR1 Leute

Messerangriff, Hacker und Deepfake: Dirk Peglow kennt sich mit Kriminalität in Deutschland aus. Wer begeht eine Straftat? Wie groß ist das Problem mit Antisemitismus und KI?

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Wie verändert sich die Arbeit der Kriminalbeamten im digitalen Zeitalter? Wie läßt sich Clan-Kriminalität bekämpfen, die über Jahrzehnte gewachsen ist? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Dirk Peglow. Er ist Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK).

Kriminelle in Deutschland: Wer begeht eine Straftat?

Straftäter seien in Deutschland meistens männlich, entsprächen aber in Deutschland dem Mittel der Gesellschaft, so Peglow. Gleichzeitig würden Kriminelle immer jünger und die Zahl an Attacken mit Messern steige.

Hier sieht Peglow Prävention als enorm wichtig an.

Wir müssen insbesondere bei Kindern und Jugendlichen die Folgen klarmachen, was für Verletzungen entstehen können. Wenn ich ein Messer einsetze gegen den Körper eines anderen Menschen, können tödliche Verletzungen entstehen und ich hab das überhaupt nicht im Griff, wo ich dieses Messer reinstecke, was daran für Folgen geknüpft sind.

Anders als in der Öffentlichkeit oft wahrgenommen sei sogenannte "Clan-Kriminalität" in Deutschland kein weit verbreitetes Problem: Mit Blick auf alle erfassten Straftaten liege der Anteil an Delikten, die der "Clan-Kriminalität" zuzuordnen seien, bei sieben Prozent, so Peglow.

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Der Erfolg liegt darin, dass man sehr viel Spaß an der Ermittlungsarbeit hat, aber natürlich sind Verurteilungen auch ein Stück weit Erfolg, wenn man eine Tätergruppe überführt. [...] Das gibt einem das das Gefühl, dass man Leute aus dem Weg geräumt hat, deren Leben darin besteht, Straftaten zu begehen und die das für lange Zeit nicht mehr tun können.

Politische Straftaten: Antisemitismus zugenommen

Seit den Terrorangriffen der Hamas auf Israel ist auch in Deutschland die Zahl der antisemitischen Straftaten gestiegen. Das bedeute Mehrarbeit für die Polizei, so Peglow: Sie begleite Demos und ermittle, wenn Israel beispielsweise das Existenzrecht abgesprochen wird.

Die Zahl der politisch motivierten Straftaten, die sich weder dem rechten noch dem linken Spektrum zuordnen lassen, hat sich verdreifacht. Darunter fallen laut Peglow Straftaten aufgrund von ausländischen und religiösen Ideologien, aber antisemitische Straftaten lassen sich nicht immer zuordnen; sie kämen beispielsweise sowohl aus dem rechten Milieu als auch aus dem islamistischen Milieu.

Es ist leider die Realität, dass wir insbesondere im Bereich der kriminalpolizeilichen Ermittlung zu wenig Personal haben.

Peglow findet: Der Polizeiberuf muss attraktiver werden. Ihm zufolge kann in vielen Bundesländern nicht genug Personal eingestellt werden. Es gebe zwar viele Bewerber:innen, aber nur ein Bruchteil davon seien für das Auswahlverfahren geeignet.

Cyberkriminalität: Hacker und KI

Dabei sei ausreichend und gut geschultes Personal dringend nötig, um beispielsweise den steigenden Straftaten im Bereich der Cyberkriminalität zu begegnen.

Vor 15 oder 20 Jahren waren unsere IT-Spezialistinnen und -Spezialisten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die länger als ein halbes Jahr die Computer-BILD abonniert hatten.

Über diesen Punkt sei die Polizei inzwischen weg: Sie beschäftige mittlerweile externe Expert:innen, die aus Sicht von Peglow aber nicht gut genug bezahlt werden. Auch den Herausforderungen durch Straftaten mit KI und Deepfakes muss die Polizei begegnen – gleichzeitig sieht Peglow durch KI auch Chancen für die Polizeiarbeit, z.B. durch den Einsatz von KI bei der Analyse von Datensätzen.

Schon als Kind lernte Dirk Peglow den Alltag eines Kriminalbeamten über seinen Vater kennen. Seine Laufbahn als Streifenbeamter begann er im 4. Revier in Frankfurt, zuständig für das Bahnhofsviertel. Er wechselte zur Kriminalpolizei, ermittelte in der Organisierten Kriminalität und wurde 2006 erst stellvertretender, später kommissarischer Leiter einer Ermittlungsgruppe, die sich mit der Bekämpfung von Bandenkriminalität befasst.

Auch in der Gewerkschaft ist Peglow engagiert. Seit 2016 als hessischer Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) und seit November 2021 als dessen Bundesvorsitzender.

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