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Bund Deutscher Kriminalbeamter 33.000 vermisste Waffen in Deutschland – warum das weniger dramatisch ist als gedacht

Zwei Männer halten eine Pistole
Laut Nationalem Waffenregister sind in Deutschland mehr als 33.000 Waffen "nicht mehr auffindbar" (Symbolbild)
© Klaus-Dietmar Gabbert/zb / DPA
Laut Nationalem Waffenregister sind 33.191 Waffen in Deutschland nicht mehr auffindbar. Olaf März vom "Bund deutscher Kriminalbeamter" erklärt im Interview, warum diese Zahl so hoch ist und wo die Waffen sind.

Laut einem Bericht des "Tagesspiegel" sind in Deutschland mehr als 33.000 Waffen nicht mehr auffindbar. Erschreckt Sie diese Zahl?

Ja und nein. Einerseits ist die Zahl hoch. Andererseits muss man den Hintergrund kennen, wie sie zustande kommt: In der alten Bundesrepublik konnte man bis 1972 als Volljähriger einfach Waffen kaufen. Die konnte man sogar bei "Otto" oder "Neckermann" bestellen und sich zuschicken lassen. Ein Teil der Waffen wurde mit Einführung der Anmeldepflicht angemeldet, ein Teil eben nicht.

Seit 2013 gibt es das Nationale Waffenregister (NWR). Wenn die Waffen mit plausiblen Daten angemeldet wurden, wurden die Daten ins NWR übernommen. Wenn nicht, dann muss nachgearbeitet werden. Und auch das Ummelden von Waffen bei einem Umzug ist erst seit 2003 stringent geregelt, davor war das legerer. Die Daten im Waffenregister stimmen einfach noch nicht vollständig, daher gelten viele Waffen als nicht mehr auffindbar. Auch gab es durch die seit 2009 möglichen unangemeldeten Kontrollen bei Waffenbesitzern Einzelfälle, bei denen dann teilweise schon länger fehlende Waffen festgestellt wurden. Insofern ist die Aufregung um die Zahl etwas übertrieben. Ein Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) zeigt, dass es in den letzten Jahren jeweils einige hundert Diebstähle von Schusswaffen gab. Meistens sind Sport- oder Jagdwaffen betroffen. Aber jeder Fall ist einer zu viel, denn jede Waffe, die nicht unter behördlicher Kontrolle ist, stellt eine potenzielle Gefahr dar.

Wie verlegt man eine Waffe?

In den meisten Fällen ist es so, dass der Waffenbesitzer stirbt. Die Erben finden dann zum Beispiel vier Waffen, es sind aber fünf gemeldet. Hat der Waffenbesitzer die woanders? Oder hat er die fünfte Waffe erlaubt oder unerlaubt verliehen? Die kann seit 20 Jahren weg sein, aber in dem Moment kommt so ein Altfall wieder hoch und bedarf der Klärung. Oft wurde die Waffe einem anderen Berechtigten verkauft, der sie auch ordnungsgemäß angemeldet hat, lediglich die Abmeldung wurde versäumt. Da es damals noch kein NWR und auch noch keine eindeutige, standardisierte Waffenbezeichnung und Waffen-ID gab, ist eine Zuordnung zum derzeitigen Waffenbestand nicht immer möglich – mit der Folge, dass die Waffe im Zweifel als abhandengekommen zur Suche ausgeschrieben wird.

Ist der Verlust einer Waffe meldepflichtig?

Selbstverständlich, das ist im Waffengesetz geregelt. Wer den Verlust einer Waffe nicht unverzüglich meldet, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Wenn die Waffe durch Fehlverhalten des Besitzers wegkommt, ist das sogar strafbar und kann mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe belegt werden – und dem Verlust der Waffenerlaubnis. Deswegen haben Waffenbesitzer auch eine "gesunde Angst" davor.

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Diese 33.000 Waffen sind also nun nicht in den Händen von Extremisten und organisierter Kriminalität?

Im Einzelfall kann man das nicht ausschließen. Wenn Waffen einmal im Schwarzmarkt gelandet sind, tauchen sie nicht "freiwillig" wieder auf. Manchmal, wenn wir bei der Polizei eine illegale Waffe finden, würde ich die gern vernehmen können: "Durch welche Hände bist du gegangen?" oder "Wurden mit dir Verbrechen verübt?" Aber nicht hinter jeder nicht auffindbaren Waffe steckt ein Kriminalfall.

In Deutschland gibt es einen Trend zur Bewaffnung: Die Zahl der "kleinen Waffenscheine" ist auf 670.000 gestiegen. Was sagen Sie vom "Bund Deutscher Kriminalbeamter" dazu?

Es gibt eine allgemeine Verunsicherung in Deutschland, die sich hauptsächlich auf die gefühlte Sicherheitslage projiziert; diese Verunsicherung bezieht sich einerseits auf die allgegenwärtige, wenn auch meist abstrakte Terrorismusgefahr, andererseits aber auch auf die Ausländerkriminalität, die in einigen Bereichen tatsächlich auffällig ist. Andererseits rechtfertigt die tatsächliche Sicherheitslage diese Befürchtungen insgesamt nicht, das ist durch die wichtigsten Kennzahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) belegt. Die vor allem seit 2015 deutlich gestiegene Anzahl der Kleinen Waffenscheine ist ein deutliches Indiz für das Sicherheitsbedürfnis.

Das Führen von Schreckschusswaffen, das mit dem Kleinen Waffenschein erlaubt ist, ist oft nur für das Sicherheitsgefühl des Betroffenen nützlich. Denn wichtig sind auch ein entsprechender Umgang mit der Waffe und Vertrautheit mit dem Handling. Es kann auch schnell zu einer Eskalation von Situationen kommen. Der Waffenbesitzer sollte dann schon Grundkenntnisse zum Notwehrrecht haben und nicht überreagieren. Denn Waffenbesitz kann auch zu einem trügerischen Gefühl der Sicherheit oder Unangreifbarkeit führen.

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