14. Berliner Sicherheitsgespräche

24.02.2020

Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in Deutschland und Europa – Die derzeit größte Herausforderung für Staat, Gesellschaft und Sicherheitsbehörden?
14. Berliner Sicherheitsgespräche
Foto: Heike Trautmann

Nun sind sie wieder Geschichte, die 14. Berliner Sicherheitsgespräche. Diesmal trafen sich Vertreter des BDK, der Polizeien, der Politik, des Journalismus und der Wirtschaft unter dem Thema „Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in Deutschland und Europa“.  Als Veranstaltungsort hätte die Thüringer Landesvertretung in Berlin nicht besser sein können. Der BDK folgte damit der Tradition, die Sicherheitsgespräche in jeweils der Vertretung des Landes durchzuführen, deren Innenminister den Vorsitz der Innenministerkonferenz übernimmt. Innenminister Georg Maier hatte es sich zudem nicht nehmen lassen, die Schirmherrschaft über die Veranstaltung zu übernehmen.

Bereits in der Begrüßungsrede des Bundesvorsitzenden des BDK, Sebastian Fiedler, in der er nach kurzer Einleitung unmissverständlich klar machte, dass es um nicht weniger als um rechten Hass und Hetze, ja sogar um Terror und Mord geht, war jedem Anwesendem klar, dass in den  nächsten gut vier Stunden Themen betrachten werden, welche es in sich hatten. Sebastian Fiedler betonte darüber hinaus, dass es neben Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus auch um Radikalisierungen rechter Parteien gehe, die in sämtlichen Parlamenten sitzen und versuchen, die Demokratie von innen heraus anzugreifen. Er betonte außerdem, auch wenn es weh tue, dass es insbesondere auch um all diejenigen geht, die einen Eid auf die Verfassung abgegeben haben. 

Sebastian Fiedler fragte: „Wie kommt es zu einem selbsternannten NSU 2.0? Wie kommt es zu einer Prepperszene in der Polizei Mecklenburg-Vorpommern, die sich auf den Tag X vorbereitet? Wie kann es sein, dass Polizisten, Staatsanwälte, Richter und Soldaten  ein Mandat einer Partei anstreben oder ausüben, die zu Recht die Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes erhält und zu deren Strategie es gehört, das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat, die freie Presse sowie die Funktionsfähigkeit der Parlamente nachhaltig zu erschüttern?“

Der BDK hat nicht zuletzt durch einen Beschluss im September klargestellt, dass der Verband sich von keiner extremistischen Partei oder Bewegung instrumentalisieren lässt, und ein erkennbares Engagement in einer solchen unvereinbar mit einer Funktion im BDK ist. 

Im Anschluss begrüßte der Staatssekretär des thüringischen Innenministeriums, Herr Udo Götze die Gäste. Herr Götze betonte, wie wichtig es sei, sich die zwölf Jahre des Nationalsozialismus und wie es dazu kam, immer wieder vor Augen zu führen, denn diese wirkten noch heute und in den nächsten Jahrzehnten, wenn nicht gar Jahrhunderten nach. „Leider“, so Staatssekretär Götze, „gibt es heutige Parteien, die diese Zeit als Vogelschiss bezeichnen.“  Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, welche Verantwortung Beamtinnen und Beamten wahrnehmen. Wir alle seien aufgefordert, uns entschieden gegen die Wiederholung gleicher Fehler und gegen den Angriff auf unsere Demokratie durch den Rechtsextremismus zu stellen. 

Thüringen habe es mit einer besonderen Bevölkerungsstruktur zu tun. Das Durchschnittsalter liege bei 47 Jahren. Nach 1990 hätten viele junge Menschen, vor allem junge Frauen das Bundesland in Richtung Bayern, Hessen und Baden-Württemberg verlassen. Das, so Staatssekretär Götze, habe auch für die Polizei Folgen. Die Erwartungen der Bevölkerung seien andere als bei jüngeren Menschen. Darauf müssten Politik und Sicherheitsbehörden reagieren. 

Diese Bevölkerungsveränderungen waren begünstigend für das Entstehen des NSU in Thüringen. Dieser wurde und wird nach dessen Enttarnung im politischen und medialen Raum dezidiert und immer noch aufgearbeitet, aber was geblieben sei, sei das Gedankengut, was sich in Thüringen insbesondere stark in geplanten und durchgeführten Rechts-Rock-Konzerten äußere. 

„Polizeibeamte müssen sich kritisch mit sich selbst auseinandersetzen. Sie sind ein äußerst relevanter Ankerpunkt für die Gesellschaft und unsere Demokratie. Daher bin ich dankbar, dass der BDK diese Veranstaltung mit diesem Thema organisiert hat.“, so Staatssekretär Götze.  

Es folgten drei Impulsvorträge, begonnen durch Volker Krichbaum, Referatsgruppenleiter Abteilung Rechtsextremismus /-terrorismus des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV).

Herr Krichbaum stellte zunächst fest, dass das BfV eine deutliche Verschärfung des Rechtsextremismus, vor allem im vergangenen Jahr, feststellen konnte und beschrieb folgende Trends der rechtsextremistischen Szene in Deutschland:

Das BfV beobachte zunächst das Phänomen der Radikalisierung von Einzelpersonen, dann eine Verstetigung der anonymen Virtualisierung und Reichweite rechtsextremer Plattformen, deren Echokammern zur Radikalisierung beitrügen. Auch könnten immer mehr Mischszenen aus Rechtsextremem, Rockergruppierungen und Hooligans ausgemacht werden. Als Konsequenz für den BfV stellte Herr Krichbaum fest, dass ein ganzheitlicher Ansatz gefordert sei. Hierzu wurde das BfV im Bereich Personal und Technik bereits gestärkt und befinde sich im Aufwuchs. Dieser Ansatz bedeute im Einzelnen: die Identifizierung von Einzeltätern, die Aufarbeitung von Gefährdungssachverhalten, eine intensivere Internetaufklärung, gerichtsfeste Unterbindung von Veranstaltungen rechtsextremer Gruppierungen und Vereinsverbote, aber auch den Aufbau einer Zentralstelle für Erkenntnisse rechtsextremer Bestrebungen innerhalb des öffentlichen Dienstes. Zudem wurde bereits vor gut einem Vierteljahr das Hinweistelefon „Rechtsex“ als wichtiges Instrument im Sinne eines Frühwarnsystems etabliert. Hier seien bis heute bereits 5.000 Eingänge zu verzeichnen, von denen 900 potentielle Inhalte hätten. Das BfV prüft diese nun.

Der Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank wollte auf die Fragen des Veranstaltungsflyers des BDK eingehen. Frage eins: „Wie groß ist die Gefahr für unseren demokratischen Rechtsstaat durch Rechtsextremismus?“ Herr Dr. Frank antwortet kurz und knapp: „Groß. Sie ist groß, denn die Gefahr kommt aus dem Inneren der Gesellschaft.“ 

„Sind die Sicherheitsbehörden resilient gegenüber demokratiefeindlichen Strömungen?“  Hierzu Herr Dr. Frank: „Sie müssen es sein. Gerade dann, wenn Krisen zu durchschreiten sind und es auch mal eine Zeit lang ungemütlich wird. Ich erwarte, dass die Sicherheitsbehörden den Staat verteidigen und stärken. Die Weimarer Republik ist unter anderem zugrunde gegangen, weil es zu wenig Demokraten gab und das darf sich nicht wiederholen. Hierbei besitzen Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden eine große Verantwortung.“ 

Dr. Frank weiter: „Sind die Sicherheitsbehörden gut aufgestellt gut aufgestellt im Kampf gegen den rechten Extremismus und Terror? - Dazu kann ich nur sagen, dass sich unsere Behörde nach dem Aufdecken des NSU intensiv kritisch hinterfragt hat. Eine Folge daraus ist, dass sich die Sicherheitsbehörden enger zusammengeschlossen haben, was aus Sicht des Generalbundesanwaltes genau richtig ist, da eine Bündelung von Wissen behördenübergreifend zwingend nötig ist, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen.“ Herr Dr. Frank betonte, dass er neben den extremistischen Strukturen und Netzwerken, die es frühzeitige zu erkennen gelte, vor allem die Hasskriminalität als sehr gefährlich ansehe. Denn: „Extremismus durch Worte wird zu Extremismus durch Taten.“, so Generalbundesanwalt Dr. Frank. 

Als letzter Impulsgeber sprach Herr Dr. Mehmet Daimagüler, u.a. Opferanwalt beim NSU-Prozess, in einer emotional aufrüttelnden Rede zum Auditorium: „Was tun? Wenn man glaubwürdig als Staat zum Kampf gegen Rechtsextremismus aufruft, dann muss man aus Gründen der Glaubwürdigkeit zunächst in seinen eigenen Strukturen aufräumen. Dabei wünsche ich mir eine studienbegleitete Versachlichung der Diskussion in Bezug auf unsere Beamtinnen und Beamte unserer Sicherheitsapparate. Es ist eine Frage des Umgangs mit dieser Situation. Wir müssen über Rassismus und Extremismus und sogar über institutionellen Rassismus reden. Wir müssen genau hingucken, wer bei uns Polizeibeamter wird. Dabei müssen wir viel, viel mehr investieren in gesellschaftliche und politische Aus- und Fortbildung und das kontinuierlich in der gesamten Laufbahn. Und ja, das kostet Geld.“

Aus Sicht von Herrn Dr. Daimagüler gebe es zu viele Einzelfälle, bei denen man sich ernsthaft damit auseinandersetzen müsse, ob sie nicht doch im Zusammenhang zu sehen seien. Als Konsequenz jeder dieser Fälle forderte Herr Dr. Daimagüler, dass ein demokratischer wehrhafter Staat festlegen müsse, dass jeder dieser Fälle dazu führe, dass diese Beamten nicht mehr für diesen Staat arbeiten dürften. Denn „nicht alles, was legal ist, ist auch legitim.“, so Dr. Daimagüler. 

In der anschließenden Podiumsdiskussion, an der neben dem Bundesvorsitzenden und den Impulsgebern ebenfalls der Abgeordnete des Bundestages, Herr Cem Özdemir und Herr Jürgen Peter als Leiter der  Abteilung Staatsschutz des BKA teilnahmen, wurden die bis dahin aufgeworfenen Aspekte vertieft. Wohlgekonnt moderiert von Werner Sonne gingen die Diskutanten sowohl auf den zu qualifizierenden Personalkörper der Polizei ein als auch auf die Schwerpunktsetzung bei der Bearbeitung von Hasskriminalität und Rechtsextremismus. Dabei mahnte Cem Özdemir an, dass wir uns zuerst in der Gesellschaft über das Gefährdungspotential des Extremismus jeglicher Couleur einig sein müssten. „Und dabei ist wichtig, dass in der Analyse jeder Bedienstete des Staates mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen muss. Wer damit nicht einverstanden ist, dem wird der Staat die Uniform ausziehen müssen.“, so Cem Özdemir. Diese These wurde durch den Abteilungsleiter Staatsschutz des BKA, Herrn Peter, mit dem Hinweis unterstützt, dass das BKA nicht ohne Grund seine schwierige Vergangenheit in der NS-Zeit aufgearbeitet habe. „Denn nur wer seine Geschichte kennt, kann sich seiner Verantwortung stellen.“, so Jürgen Peter. Und weiter: „Das BKA wird konsequent alle Register ziehen und Beamte aus dem Dienst entfernen, die sich nicht an die Grundsätze unserer Demokratie und unseren Rechtsstaat halten.“

Als Fazit zur Bedrohung durch den Rechtsextremismus und -terrorismus für Deutschland und Europa stellte Sebastian Fiedler in seinem Schlussplädoyer unter anderem klar: 

 „Das ist keine Aufgabe für die Strafverfolgungsbehörden allein. Jeder einzelne ist aufgerufen, im Alltag den Rücken gerade zu machen. Die Zeit, in der sich jeder von uns zurückziehen möchte, um es sich auf der Couch bequem zu machen, diese Zeit ist vorbei.“ 

 

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