15. Landesdelegiertentag in Bensberg - Kriminalitätsbekämpfung im Wandel der Zeit und der Affront des Innenministers

21.09.2009

Düsseldorf, 20.09.2009 - "Am 15. und 16. September beschäftigten sich 120 Delegierte aus ganz Nordrhein-Westfalen mit der veränderten Kriminalitätslage, neuen Kriminalitätsphänomenen und dem daraus deutlich gestiegenen Arbeitsvolumen bei der Bearbeitung der Gesamtkriminalität.
15. Landesdelegiertentag in Bensberg - Kriminalitätsbekämpfung im Wandel der Zeit und der Affront des Innenministers

Nicht nur die veränderte Kriminalität rund um das Internet, sondern auch die hohen Beweisanforderungen und Beweiserfordernisse aufgrund der Nutzung neuer Technologien durch Straftäter bringen die Kriminalpolizei des Landes an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Die deutliche Überalterung der Kriminalistinnen und Kriminalisten sowie das starre Festhalten an einer "Einheitsausbildung" verschärfen die Personalsituation im Besonderen. Hohe Pensionierungszahlen in den nächsten Jahren nehmen der Kriminalpolizei das in 30 bis 40 Jahren erlangte kriminalistische Know-how. Das ist eine Situation, die schon länger kluge Personalentwicklungskonzepte erfordert hätte. Es ist "5 nach 12" und für einen dringend notwendigen Wissenstransfer zwischen jungen und in die Jahre gekommene Kriminalisten eigentlich zu spät, es droht ein Super-GAU für die Kriminalitätsbekämpfung", erklärte der BDK-Landesvorsitzende während des Landesdelegiertentages in Bensberg.

Mit durchweg einstimmigen Wahlergebnissen wurde der Landesvorsitzende Wilfried Albishausen und sein geschäftsführender Landesvorstand für die nächsten 5 Jahre wiedergewählt.

Der Vorstand setzt sich wie folgt zusammen:

  • Wilfried Albishausen, Duisburg, Landesvorsitzender, Rolf Jaeger, Duisburg, Rüdiger Thust, Köln, und Kay Wegermann, Gummersbach, als Stellvertretende Landesvorsitzende
  • Manfred Vomschloß, Oberhausen, Landesgeschäftsführer, Udo Gerhard Moll, Düsseldorf, als Stellvertreter
  • Erwin Rößler, LKA, Landesschatzmeister, Sebastian Fiedler, LKA, als Stellvertreter
  • Als Sachgebietsleiter wurden gewählt: Dieter Beutel, Köln, "Organisation und Events", Inge Efsing, Düsseldorf, "Personalrat", Astrid Friebel, Düsseldorf, "Angestellte", Wolf Peter Balzar, Düsseldorf, "OK und Finanzermittlung", Siegfried Paduschek, Kleve, "Beamtenrecht", Anette Cruel, Krefeld, "Rechtsschutz", Rolf Burckhardt, Rheurdt, "Pensionäre", Christian Huch, Köln, "IT und Öffentlichkeitsarbeit". Das Sachgebiet "Todesermittlungen und Kapitalverbrechen" wird von Udo Moll bearbeitet, das Sachgebiet "Landesoberbehörden/LKA/Wikri" von Sebastian Fiedler.

Leitantrag

Bereits am Dienstagvormittag verabschiedeten die 120 Delegierten den Leitantrag zum Landesdelegiertentag 2009 mit dringenden Forderungen zur Aus- und Fortbildung und der Personalausstattung der Kriminalpolizei einstimmig:

"Der Bund Deutscher Kriminalbeamter - Landesverband Nordrhein-Westfalen setzt sich angesichts der rasanten Entwicklung neuer Kriminalitätsphänomene und der daraus notwendigen veränderten Bekämpfungsstrategien in seiner verbandspolitischen Arbeit für eine Quantitäts- und Qualitätsoffensive in der Kriminalpolizei des Landes Nordrhein-Westfalen ein.

Hierzu fordert der BDK die sofortige Auflage eines 5-Punkte-Programms durch die Landesregierung:

  1. Die Kriminalpolizei ist bis 2015 um 2000 Stellen zu verstärken
  2. Direkte Verwendung von mindestens 200 Fachhochschulabsolventen in der Kriminalpolizei unmittelbar nach ihrer Ausbildung jährlich für 2009 und 2010 - ab 2011 mindestens 400 Absolventen der Fachhochschule
  3. Einführung des Direkteinstieges von Abiturientinnen und Abiturienten in die Kriminalpolizei ab 2010 und Schaffung eines Auswahlverfahrens, das auf die Anforderungen des Berufes abstellt
  4. Einführung eines eigenen Bachelorstudienganges "Kriminalwissenschaften" an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHöV) ab 2010
  5. Ständige Evaluierung der Fortbildung für Kriminalistinnen und Kriminalisten unter Berücksichtigung veränderter Kriminalitätsphänomene und damit verbundener Beweisanforderungen"


Innenminister stößt den Delegierten vor den Kopf

Waren die 120 Delegierten noch am Vormittag optimistisch, dass niemand vor der dramatisch veränderten Kriminalität und dem erheblich gestiegenen Arbeitsvolumen die Augen verschließen kann, wurden sie am Nachmittag im Beisein von mehr als 70 Ehrengästen aus Polizei, Justiz, Verbänden und Gesellschaft eines Besseren belehrt. Einer konnte es: Innenminister Dr. Ingo Wolf!

Zu spät erschienen, an den kurzen Fachvorträgen von Praktikern aus den Bereichen Massenkriminalität, Jugendintensivtäter, Erkennungsdienst und Computerkriminalität offenbar nicht interessiert und gerade noch bereit, die Rede des Landesvorsitzenden zu hören (sie war dem Innenministerium zur Vorbereitung zur Verfügung gestellt worden), hielt er eine Rede, die sich mehr mit den "Erfolgen" seiner Regierungszeit beschäftigte und den Delegierten suggerierte, der BDK rede alles schlecht. Der Innenminister schaffte es binnen kürzester Zeit, die gute Stimmung der Delegierten ins Gegenteil zu verkehren. "Einheitspolizei" war der rote Faden seiner Rede, die darin gipfelte, dass auch der BDK sich über den modernen Fahrzeugpark der Schutzpolizei freuen solle, immerhin sei man eine Polizei. Den Rückgang des Betruges bei Debitkarten feierte Innenminister Dr. Wolf als einen Erfolg von "KUNO" und der Kooperation mit dem Einzelhandel; dass Straftäter es gar nicht nötig haben, Karten aufwendig zu entwenden, da man die Daten heute in der so genannten "underground economy" über das Internet für 6 Cent kaufen kann, scheint ihm nicht bekannt zu sein.

Als einen Skandal darf man wohl das Verhalten des Innenministers in Sachen getrennter Ausbildung und dem vom BDK entwickelten Bachelor-Studiengang "Kriminalwissenschaften" betrachten. Noch im November 2008 hatte der Innenminister den BDK aufgefordert, Modelle zu entwickeln und dem Innenministerium vorzulegen. Anfang 2009 hatte der Abteilungsleiter im Innenministerium ebenfalls dazu aufgefordert und die Einführung eines eigenen Studienganges für die Kriminalpolizei für 2011 nicht mehr ausgeschlossen.

Ohne die fast 200 Seiten umfassende Entwicklung eines Studienganges "Kriminalwissenschaften" überhaupt gelesen zu haben, wischte der Innenminister unter Hinweis auf die aus seiner Sicht bewährte "Einheitsausbildung" die Bemühungen des BDK vom Tisch.

Dass Innenminister Dr. Wolf auf die Überalterung der Kriminalpolizei "Ü50" (der Durchschnitt liegt ca. 10 Jahre über dem der Schutzpolizei) dahin gehend einging, dass "Demografie" nicht alles sei und wir alle älter würden, rundete den Auftritt des Innenministers in Sachen Affront entsprechend ab.

120 Delegierte waren entsetzt und empört zugleich, nicht wenige Ehrengäste schüttelten den Kopf.

Der Landesvorsitzende hatte zuvor in einer ausgewogenen Rede auch die Erfolge, wie z.B. die Umorganisation der Polizei sowie das gemeinsam mit dem Innenminister erreichte Ziel der Erhöhung der Stellenplanobergrenzen A12 und A13 erwähnt. Umso unverständlicher war es allen Anwesenden, sowohl den ursprünglich gut gelaunten - und keineswegs "auf Krawall gebürsteten" - Delegierten als auch den interessierten Ehrengästen, warum der Innenminister Dr. Ingo Wolf ihnen derart konfrontativ entgegentrat.

Was erwartet ein Politiker bei einer Verbandstagung eigentlich? Sicher keine "Jubelfeiern", wie wir sie aus dem amerikanischen Wahlkampf von Barack Obama kennen. Oder doch?

Der BDK lässt sich von seinem Ziel, die Kriminalpolizei so aufzustellen, wie es für eine zeitgemäße Kriminalitätsbekämpfung erforderlich ist, nicht abbringen. Die Mitgliederentwicklung im BDK zeigt, dass Kriminalistinnen und Kriminalisten auf den BDK als ihre Berufsvertretung setzen.

Und dafür stehen wir, auch wenn der Innenminister noch anderer Meinung ist. Auch seine Vorgänger mussten erkennen, dass man an der Fachlichkeit eines Berufsverbandes dauerhaft nicht vorbei kommt.

Ein Blick zurück macht das deutlich: Anfang der 80er Jahre wurden Fachleute und nicht zuletzt der BDK als "Spinner und Schwarzmaler" abgetan, als wir vor der Bedrohung durch die Organisierte Kriminalität warnten. Das würde heute angesichts der Entwicklung der OK sicherlich kein Innenpolitiker oder Innenminister mehr wagen