8. Berliner Sicherheitsgespräche

21.02.2014

Der ausgespähte Bürger – Wenn der Rechtsstaat aus den Fugen gerät
8. Berliner Sicherheitsgespräche

Am Montag, den 27. Januar 2014 fanden die 8. Berliner Sicherheitsgespräche des BDK in der Vertretung des Landes NRW beim Bund statt. Die das Jahr 2013 nach den Enthüllungen Edward Snowdens dominierende Debatte, ob es sich bei der Mehrheit der Deutschen um ausgespähte Bürger handele, gab der Veranstaltungen Titel und Stimulus zugleich.

Das Feld wurde durch fünf Impulsreferate aufgezeigt, um sogleich in Form einer Podiumsdiskussion, geleitet von dem gutgelaunten Reporter Werner Sonne, ordentlich umgepflügt zu werden. Die in Deutschland emotional geführte Debatte über die Datensicherheit der Bürger sollte aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden:

Professor Harald Otto Schweizer, Lehrender aus den USA mit engem Bezug zu Deutschland, versuchte der deutschen die amerikanische Perspektive entgegenzuhalten: Traumatisiert von den Anschlägen des 11. September 2001 seien die USA, in denen der Datenschutz traditionell laxer als in Deutschland gehandhabt werde, dazu übergegangen, alle Daten zu sammeln, derer sie habhaft werden konnten. Da die Sammlung, anders als die Auswertung, keiner Gesetzesgrundlage bedürfe, sei dies nicht auf Widerstand gestoßen. Vor allem auch deshalb, weil jegliche Form der Terrorabwehr aus der Bevölkerung heraus stark unterstützt würde.

Dr. Hans-Georg Maaßen, Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz, bemängelte, dass die deutsche Spionageabwehr im Nachklang des Kalten Krieges eher ab- denn ausgebaut worden sei. Er wies darauf hin, dass in Zukunft 360° im Blick zu halten seien, und nicht ausschließlich der Osten und Ferne Osten – namentlich Russland und China, sondern auch Großbritannien und die USA. Zwar halte er es für unwahrscheinlich, dass die NSA ihre Datensammlung für Industriespionage benutze, dennoch müsse diese Möglichkeit in Erwägung gezogen werden.

Jan-Philipp Albrecht, der für Bündnis 90/die Grünen im Europäischen Parlament sitzt, wies darauf hin, dass auf EU-Ebene keine allgemein verbindlichen Datenschutzregelungen existierten, und das hinsicht-lich der Frage, wie die EU mit den Daten ihrer Bürger umgehen wolle, noch keine EU-weite Einigung erzielt werden konnte.

Dr. Thomas Kremer von der Deutschen Telekom stellte aus Sicht eines Großunternehmens fest, dass, wenn man von Datensicherheit spreche, der Fokus nicht ausschließlich auf Geheimdiensten liegen dürfe. Vielmehr seien sowohl die staatlichen Netze, Firmennetze und Privatpersonen gleichermaßen betroffen, wobei der Schwerpunkt auf den Firmen- und Staatsnetzen liege. Vor allem, wenn man den Blick abseits der Nachrichtendienste auf die organisierte Kriminalität richtet.

Diese Sichtweise vertrat auch der BDK in Form des Vorsitzenden André Schulz, der darauf verwies, dass aus Strafverfolgungssicht eine Vorratsdatenspeicherung strikt von der möglichen allumfassenden Sammlung der Nachrichtendienste zu trennen sei. Strafverfolgung und präventive Terrorismusbekämpfung zu vermischen und gleichermaßen zu verdammen, würde der Kriminalpolizei die Arbeit erheblich erschweren oder unmöglich machen. Die Folge wäre, dass keinerlei Daten vorrätig gehalten würden und so selbst im Falle eines Verbrechens wenige Daten nutzbar gemacht werden könnten. 

In der nachfolgenden Debatte zeigte sich die Emotionalität, die diese Diskussion in Deutschland begleitet. Kaum hatte der Datenschutzbeauftragte des Landes Berlin, Herr Dix, darauf hingewiesen, dass die Vorratsdatenspeicherung – sollte sie kommen – eben nicht für alltägliche Kriminalität genutzt werden solle, musste er sich den Vorwurf des Täterschutzes gefallen lassen. Und der Vorwerfende den Vorwurf der Nutzung eines Totschlagarguments, da er Datenschutz mit Täterschutz gleichsetze. André Schulz wies an dieser Stelle darauf hin, das in Deutschland die Debatte nicht offen geführt würde: Ist die Sicherheit der Bürger wichtiger als der Schutz ihrer Daten? Ist die Bevölkerung bereit, für einen umfassenden Schutz der Privatsphäre, Opfer zu bringen? Diese Frage sei entscheidend, denn ohne Datensammlung und -speicherung seien bestimmte dem digitalen Zeitalter Rechnung tragende Strafverfolgungsmaßnahmen stumpf. In den Händen der Polizei, die auf rechtlich einwandfreie Strafverfolgung angewiesen ist, nutzlos.

Der Abend klang anschließend bei spannenden Gesprächen aus. Deutlich wurde, dass in vielerlei Hinsicht weniger Aufgeregtheit der Debatte gut tun würde, sowohl von Seiten der Polizei, der Politik als auch von Seiten der Datenschützer. Argumente statt Polemik – und anschließende Entscheidungen, die von allen Seiten kommuniziert und mitgetragen werden. So wünscht sich die Junge Kripo die sicherlich und hoffentlich weiterhin interessante Debatte.