Arbeit, viel Arbeit, Mehrarbeit – ein prognostiziertes Debakel tritt ein

24.08.2017

Als unser damaliges Ministerium für Inneres und Sport gemeinsam mit dem Hauptpersonalrat der Polizei am 16.08.2016 die Rahmendienstvereinbarung zur Gestaltung der Arbeitszeit in unserer Landespolizei unterzeichneten, hatten wir als Berufsvertretung so einige Zweifel an der Vereinbarung, insbesondere an der Wirksamkeit der Vermeidung von Überstunden und Mehrarbeit oder der maximalen Stundengrenze von 120 zusätzlichen Stunden.
Arbeit, viel Arbeit, Mehrarbeit – ein prognostiziertes Debakel tritt ein

Das primäre Ziel dieser Übereinkunft, zukünftig die bisherigen Überstunden- und Mehrarbeitsberge zu vermeiden, wurde von uns schon in der Planungsphase bezweifelt, fand allerdings als Vorhaben unsere Zustimmung wegen des hervorragenden Willens. Polizeiliche Arbeit aber richtet sich zuerst nach den Vorgaben der Strafprozessordnung und des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes für den Nordosten, was sich einige Verantwortliche gerne in Erinnerung rufen dürfen. Die Arbeitszeit und deren Ausgestaltung unterliegt einer ganzen Reihe von Normen und Regelungen, die rechtlich höherwertig als eine Dienstvereinbarung anzusehen sind. Und nur, weil Überstunden (bei Tarifbeschäftigten) und Mehrarbeit (bei Beamten) auch bezahlt werden können, sind sie noch lange weder schlecht noch unvermeidlich. Und ob die Obergrenze von 120 Plus-Stunden wirklich greift, zweifelten viele an - besonders Beschäftigte und Personalräte.

Wir dürfen die Ausgangslage zusammenfassen:

  • Anspruch: Gut

  • Textfassung: Befriedigend

  • Praxis: Hoffnungsvoller Ausblick mit etlichem Bangen

Zum 1. April 2017 stand die endgültige Umsetzung der Rahmendienstvereinbarung in unserer Landespolizei an, unterstützt von einigen separaten Vereinbarungen in Dienststellen oder Behörden, so auch im Landeskriminalamt (LKA). Schon das Ringen zwischen Personalrat und Dienststelle im LKA kostete viel Kraft und Beharrlichkeit von der Personalvertretung, denn die Dienststellenleitung konnte nur mit äußerster „Mühe“ zu einem separaten Mehrarbeits-/Überstundenkonto für die Beschäftigten „überredet“ werden. Dabei musste auch noch den Spezialeinheiten im Landeskriminalamt eingeräumt werden, eigene Modalitäten der Arbeitszeit einzuräumen, da diese – wie die Erfahrung zeigte – sehr schnell die 120-Stunden-Grenze überspringen würden.

Wir können uns als Personalräte und Berufsvertreter noch sehr gut an die „geklopften“ Sprüche vor der Wirksamkeit der Dienstvereinbarungen erinnern:

Ministerium: Die 120-Stunden-Grenze kann gar nicht erreicht werden.

LKA: Die 120-Stunden-Grenze wird niemals erreicht.

Ministerium: Mehrarbeit und Überstunden gehören der Vergangenheit an.

LKA: Es gibt zukünftig keine Mehrarbeit und Überstunden mehr.

Die tatsächliche Praxis zeigte dann im LKA schneller als es selbst wir erwartet hatten, dass all diese Regelungen nicht durchgängig praxistauglich waren. Wir schreiben jetzt August 2017 und nach dem Einsatzgeschehen um die Güstrower Terrorverdächtigen bewegen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung des Polizeilichen Staatsschutzes im Landeskriminalamt häufig zwischen zusätzlichen 80 und 120 Stunden auf ihrem Arbeitszeitkonto, einige sogar darüber. Nach den „glaubhaften“ Versicherungen etlicher Verantwortlicher dürften diese Zeitguthaben gar nicht existieren, denn ab 80 Stunden plus müssen die Vorgesetzten zwingend Maßnahmen zum Abbau des Stundenüberhanges einleiten. Dem gegenüber stehen natürlich die gesetzlichen Vorgaben des Handelns für die Ermittler, die eine Stundenkappung selbstredend nicht kennen.

Wir dürfen diese Zwischenlage zusammenfassen:

  • Anspruch: immerhin Gut

  • Textfassung: nachdenklich Befriedigend

  • Praxis: zweifellos Ungenügend

Wir dürfen und müssen festhalten, dass die Idee der Vermeidung von Überstunden und Mehrarbeit anerkennenswert war, die Umsetzung schon weniger professionell und die praktische Wirkung teilweise katastrophal scheint. Dazu kommt noch, dass Vorgesetzte nicht wie vorgesehen eine Stundenreduzierung vornehmen oder anweisen. Direkte Vorgesetzte sehen offenbar (und zum Glück) die rechtlichen Schranken, die Behördenleitung schweigt bislang und entzieht sich so der Verantwortung. So sind noch nicht einmal im Ansatz besondere Vorgaben für die Spezialeinheiten erarbeitet worden, obwohl hier vermutlich ähnliche Probleme bestehen dürften.

Und noch ein Schmankerl zum Abschluss. Weder Gewerkschaften oder Berufsvertretungen – hier also ehrlich Asche auch auf unser Haupt – noch Personalräte oder Dienststellen haben beachtet, dass eine Kappung bei mehr als 120-Stunden im Bereich der Tarifbeschäftigten zum vorgeschriebenen Zeitpunkt des jeweiligen 1. April rechtswidrig ist. Im Tarifbereich darf ein Stundenplus nicht beschnitten werden und das schon spätestens seit dem 1. November 2006 nach höchstrichterlichem Urteil.

Es darf schon einmal die Frage gestellt werden, ob sich die viele Arbeit um die neue Gestaltung der Arbeitszeit wirklich gelohnt hat. Die vielfache Weigerung, Mehrarbeit und Überstunden auch als solche anzuerkennen, zeichnet Dienststellenleitungen gewiss nicht aus. Das Streiten darum hilft jedoch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht weiter, für sie müssen sehr schnell akzeptable Entscheidungen getroffen werden. Hier brennt akut der Stiefel.

Die Möglichkeit der Nicht-Streichung von 120 oder mehr zusätzlichen Stunden im Tarifbereich ist übrigens nicht unbekannt. Wir können nicht nachvollziehen, dass wieder einmal die Meinung vorherrscht, dass Betroffene doch klagen sollen. Ein erkannter Missstand ist und bleibt ein Missstand, der von den Verantwortlichen behoben werden muss. Wir wissen schließlich, wie der praktische Umgang mit kritischen oder auf ihr Recht pochenden Beschäftigten häufig ist.

Wir haben uns der Sache angenommen und werden in der vorliegenden Sache weiter berichten.

Artikel Mehrarbeit, Überstunden und das Personalproblem vom 07.Februar 2017

Artikel Jahresarbeitszeitkonto kommt mit neuen Regelungen zur Arbeitszeit vom 18.März 2017

 

Für Rückfragen:

Ronald Buck

ronald.buck (at) bdk.de