Artikel: Polizeiliche Kriminalstatistik - Die Einbrüche hat Hamburg im Griff

26.04.2018

In Hamburg gehen Wohnungseinbrüche seit Jahren zurück, weil die Polizei eine schlagkräftige Sondereinheit einsetzt. Doch die Spezialisierung hat eine negative Seite (von Matthias Rebaschus)
Artikel: Polizeiliche Kriminalstatistik - Die Einbrüche hat Hamburg im Griff

Hamburg steht in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) auf einem der besseren Plätze. Weit hinter Frankfurt am Main und Berlin hat Hamburg den achten Rang unter den unsichersten Städten. Fast sechs Prozent weniger Straftaten im Vergleich zu 2016 wurden hier im vergangenen Jahr erfasst. Insgesamt ist die Kriminalität in Deutschland so stark gesunken wie seit 25 Jahren nicht: fast zehn Prozent in zwölf Monaten. Das geht aus einem Bericht der Welt am Sonntag über die bisher unveröffentlichte Kriminalstatistik 2017 hervor.

In einigen Bereichen sticht Hamburg dabei mit besonders positiven Zahlen hervor. Denn die Polizei hat dort schlagkräftige Sonderkommissionen gebildet, die beachtliche Erfolge vorweisen können. Ganz vorn liegt die Soko Castle, die seit 2015 mit rund 100 Polizisten gegen Einbrecher vorgeht: Die Zahl der Einbrüche in Hamburg ist seit 2015 um 35,9 Prozent gesunken, 2017 betrug der Rückgang noch einmal 23 Prozent zum Vorjahr.

Als Kopf der Soko Castle hat die Hamburger Ausnahmepolizistin Alexandra Klein eine völlig neue Arbeitsweise eingeführt, die auch von Gewerkschaftern gelobt wird. Jan Reinecke, Hamburger Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), sagt: "Die Soko Castle machte richtig gute Arbeit. Früher wurden Einbrüche nur verwaltet. Die Polizei machte nur Beileidsbesuche, weil die Versicherung ja sowieso zahlte. Mehr war politisch nicht gewollt. Heute ist das beim Einbruch anders." Drei Schwerpunkte der Soko Castle würden zum Erfolg beitragen: "Erstens liegt der Fokus auf Serientätern, die man vom Markt nimmt. Zweitens wird vernünftige Ermittlungs- und Tatortarbeit geleistet. Drittens sind die operativen Kräfte proaktiv im Einsatz", sagt Reinecke. "Das hat es vorher nicht gegeben."

"Personal in der Fläche ausgedünnt"

Hinzu kommt ein gewachsenes Sicherheitsbewusstsein in der Hamburger Bevölkerung und damit eine bessere Absicherung von Wohnungen und Häusern. Eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit hat dazu beigetragen, etwa mit der Aufforderung, schon bei geringem Verdacht den Polizei-Notruf 110 zu wählen. Auch die gezielte Information über die neuesten Einbruchtricks führte zu Veränderungen. So ist zum Beispiel das sogenannte Flippern – meist von jüngeren, gut gekleideten Einbrechern – heute schwerer, weil immer mehr Bewohner ihre Türen nicht nur ins Schloss ziehen, sondern auch wirklich abschließen. Damit wird der Einsatz des Flippers – einer biegsamen Plastikscheibe, deren Form an eine Delfinflosse erinnert – unmöglich.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht in der Spezialisierung der Hamburger Polizei allerdings nicht nur Vorteile. "Die Soko Castle ist ein absolutes Erfolgsmodell, was auch an der glänzenden Führung liegt", sagt der Hamburger Landesvorsitzende Gerhard Kirsch. "Man muss dabei jedoch sehen, dass dafür Personal in der Fläche ausgedünnt wurde." Kirsch fordert, die personellen Defizite abzubauen: "Wir dürfen uns nicht bei den guten Zahlen zurücklehnen. Die Polizei muss mit der Stadt mitwachsen. Wir brauchen Nachwuchs." Deshalb müsse auch der Polizeidienst generell attraktiver gemacht werden. Denn im Vergleich zu anderen Bundesländern zahle Hamburg weniger. Verschärft werde das Nachwuchsproblem durch viele anstehende Pensionierungen, bald zähle die Hamburger Polizei eben nicht mehr, wie derzeit, 10.000 Beschäftigte. "Bei jährlich 20.000 Neubürgern brauchen wir eine andere Personalpolitik", sagt Kirsch.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert nicht nur mehr Personal, sondern auch eine besser vernetzte Arbeit. "Sonderkommissionen sind nicht dazu da, Phänomene der Alltagskriminalität zu bekämpfen, für die es Fachdienststellen gibt", sagt Reinecke. "Die aktuell in Hamburg eingerichteten Sokos oder Taskforces zur Bekämpfung von Wohnungseinbruchskriminalität, Rauschgiftkriminalität und Rockerkriminalität sind hierfür das beste Beispiel. Denn die eigentlich zuständigen Fachdienststellen sind in der Vergangenheit kaputtgespart worden."

Statistik zeigt die Arbeit der Polizei, nicht die Kriminalität

Dafür müsse sich der politische Auftrag ändern. Reinecke: "Der sich zusehends spezialisierenden Kriminalität kann nur mit einer gut aufgestellten, ausgebildeten und aufeinander abgestimmten Phalanx aus Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten begegnet werden. Dies ist bisher nicht der Fall." Eine Aufklärungsquote von 44,4 Prozent führe nicht mal ansatzweise zu einer ähnlichen Quote von Verurteilungen. "Weil die Justiz dies anders bewertet", sagt Reinecke.

Die inhaltliche Aussagekraft der Polizeilichen Kriminalstatistik sehen die Gewerkschafter kritisch. "Die Statistik ist in erster Linie ein Arbeitstätigkeitsnachweis der Polizei und dient dazu, Personalschwerpunkte zu setzen. Sie bildet nicht wirklich die Kriminalitätslage ab", sagt Reinecke. Da seien zum Beispiel die Bereiche, um die sich die Polizei aktiv kümmern muss, wie zum Beispiel Rauschgiftkriminalität, Cyberkriminalität, Arbeitsmarktdelikte, Leistungserschleichung wie Schwarzfahren oder auch Ladendiebstahl: "Diese Straftaten werden in der Regel nicht angezeigt und landen deshalb nicht in der Statistik."

Die Einbruchszahlen in Hamburg sinken aktuell weiter. Im ersten Quartal 2018 waren es 1.641 Einbrüche (gegenüber 2.258 Fällen im selben Zeitraum 2017). Die zeitlich begrenzte Ermittlungsgruppe wurde Anfang des Jahres in eine feste Dienststelle im Hamburger Landeskriminalamt umgewandelt, die erfahrenen Mitglieder übernommen. Kriminaloberrätin Alexandra Klein wurde Chefin der Abteilung Kapitaldelikte. Sie ist jetzt zuständig für Mordfälle, Sexualdelikte und Brandstiftung.

Link zum Artikel:

https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-04/polizeiliche-kriminalstatistik-2018-rueckgang-straftaten-hamburg?page=3#comments

diesen Inhalt herunterladen: PDF