Artikel: Hamburg OSZE-Treffen - Für die Polizei wird das ein Einsatz der Superlative

02.12.2016

Hamburgs Polizei hat für den OSZE-Gipfel ein klares Ziel: maximale Sicherheit bei höchstmöglicher Normalität. Bei 13.000 Einsatzkräften, gesperrter U-Bahn-Station und Hochsicherheitszonen ein Paradox? (von Denis Fengler, Philipp Woldin, DIE WELT vom 01.12.2016)
Artikel: Hamburg OSZE-Treffen - Für die Polizei wird das ein Einsatz der Superlative

Für die Hamburger Sicherheitsbehörden ist das OSZE-Treffen am 8. und 9. Dezember beides: ein Testballon für den weitaus umfangreicheren G20-Gipfel im kommenden Juli, gleichzeitig aber auch einer der größten Einsätze in ihrer Geschichte. Superlative überall: 62 Diensthunde und zehn Hubschrauber, 80 Delegationen mit knapp 50 Außenministern, 3000 Menschen, die für das Ereignis akkreditiert sind und rund 13.000 Einsatzkräfte, die vor allem rund um die Messehallen und das Rathaus die Lage im Blick haben.

Jedes Bundesland schickt Kollegen. Unter den knapp 4000 Hamburger Polizisten, die in den Einsatz eingebunden sind, sind auch etwa 1000 Beamte des Landeskriminalamtes. Die Ermittler werden als Sachbearbeiter für jene Straftaten benötigt, die während des Gipfels anfallen könnten, also Körperverletzungen, Sachbeschädigungen oder auch Landfriedensbruch. Das führt zu der Situation, dass immerhin zwei Drittel der LKA-Belegschaft bei dem Gipfel im Einsatz ist – und woanders fehlt. Freie Fahrt also für andere Straftaten in diesen Tagen? Zumindest Hamburgs Alltagskriminalität bleibe in der Zeit des Gipfels liegen, befürchtet jedenfalls Jan Reinecke, Landeschef des Bunds Deutscher Kriminalbeamter.

Die Polizei hat ein klares Ziel ausgegeben: „Wir wollen größtmögliche Sicherheit bieten aber auch die Auswirkungen für die Hamburger möglichst gering halten“, sagte Sprecher Timo Zill, das „öffentliche Gesicht“ der Polizei bei diesem Gipfel. Aber er ist nicht allein: Weitere 160 Polizeisprecher stehen ihm zur Seite. Seit Donnerstag hat der Einsatz offiziell begonnen, die ersten Delegationsmitglieder treffen schon am Montag ein, die „sogenannte Arbeitsebene“ bereitet dann das eigentliche Treffen der Außenminister vor.

Ein Beispiel für die Planung: Wenn etwa der italienische Außenminister Mitte der Woche am Helmut-Schmidt-Flughafen eintrifft, nimmt ihn die zuständige Bundespolizei in Empfang. Andere Reisende sollen nicht unter den Regierungsjets leiden, alle Linienflüge finden regulär statt. Der Luftraum über den Ministern, rund 55 Kilometer, ist in dieser Zeit streng reguliert, selbst noch in Neumünster dürfen Drohnen nur mit Erlaubnis aufsteigen, Hubschrauber sind auch nachts im Einsatz.

Die Delegation des italienischen Außenministers Paolo Gentiloni dürfte im Hamburger Verkehr weniger Aufsehen erregen, sie wird von der Polizei „gelotst“ – wie die meisten der etwa 80 Delegationen. Heißt: Springt eine Ampel auf Rot, hält der ganze Troß, auch die begleitenden Polizeiwagen. Nur etwa eine Handvoll Staatsgäste mit hoher Sicherheitsstufe „schleust“ die Polizei, dazu dürften der amerikanische Außenminister John Kerry und der russische Außenminister Sergei Lawrow zählen.

Eine Motorradeskorte fährt dann voraus, sichert die Strecke ab, die Ampeln dieser Delegationen leuchten immer grün. Warum, erklärt Einsatzleiter Hartmut Dudde in der „OSZE-Fibel“, einer internen Broschüre, die an fast alle Polizeibeamte ausgegeben wird: Die Durchfahrt sei „aufgrund der erheblichen Sicherheitsrisiken eines Stillstands unbedingt zu gewährleisten.“ Wer wann wohin fährt, dazu hält sich die Polizei bedeckt, insgesamt haben die Sicherheitskräfte 220 mögliche Routen ausbaldowert. Klar ist: Der Verkehr wird spürbar eingeschränkt sein.

Wenn der italienische Außenminister am 8. Dezember aus einem der Hamburger Top-Hotels zum Außenministerrat aufbricht, wird er an den Messehallen an drei Kilometern Gitterlinie, Typ rot-weißes „Hamburger Gitter“, und 500 Polizeibeamten vorbeirauschen. Nicht erst seit dem Brandanschlag auf die Messe am vergangenen Wochenende ist dieser Bereich Hochsicherheitszone. BKA-Beamte bewachen die Sicherheitszone 1, den Abschnitt der Messehallen direkt am Fernsehturm.

Allein Passanten, die einen berechtigten Grund haben, werden nach einer Ausweiskontrolle vorbeigelassen. Allerdings: Nur die Wohnhäuser in der Flora-Neumann-Straße 2-4 und die Sternschanze 1 und 1a liegen in diesem Gebiet. Die Grenze der Sicherheitszone 2 werden 3,1 Kilometer lang sein und entlang der Straßen An der Verbindungsbahn, Tiergartenstraße, St.Petersburgerstraße, Karolinenstraße, Flora-Neumann-Straße, Grabenstraße, Vorwerkstraße, Lagerstraße, Sternschanze und Schröderstiftstraße verlaufen, im Bereich Planten und Blomen errichten die Einsatzkräfte Zäune statt Gittern. Die vorher viel diskutierten „Kindergeburtstage“ können stattfinden, verspricht die Polizei.

Die Polizei geht nicht von größeren Protesten aus: „Wir sehen keine militante linke Mobilisierung gegen OSZE“, sagt Zill, man wisse von etwa fünf Demonstrationen mit maximal jeweils 200 Teilnehmern. Falls etwas passiert, will die Polizei bereit sein, Einsatzleiter Dudde gibt den Ton vor: Störungen seien „bereits im Ansatz zu verhindern bzw. unverzüglich zu unterbinden.“

Also zurück zu Paolo Gentiloni. Der italienische Außenminister wird am Donnerstag mit seinen Amtskollegen im Ruderclub Germania zu Mittag essen, dann wird im Messebereich A weiter getagt: In den Gesprächen geht es um die Lösung des Ukraine-Konflikts, um die Verhinderung von zukünftigen Krisen und die Stärkung der OSZE als Dialogplattform. Abends um 19.30 Uhr ist dann ein Abendessen im Großen Festsaal des Rathauses eingeplant. Die Hamburger können auf dem angrenzenden Weihnachtsmarkt weiter bedenkenlos Glühwein trinken, die U-Bahn-Station Rathaus ist allerdings gesperrt. Am Freitag laufen die Gespräche weiter, die meisten Teilnehmer verlassen Hamburg am Freitagnachmittag oder Samstagvormittag wieder.

Und was kostet der ganze Spaß? Das könne man erst danach sagen, sagt die Polizei nur, schließlich wisse man ja noch gar nicht, ob noch Einheiten hinzubeordert werden müssten. „Das macht uns Sorge“, sagt Joachim Lenders, Landeschef der Polizeigewerkschaft DPolG und Abgeordneter der CDU. Er befürchtet, dass letztlich der sowieso schon überstrapazierte Etat der Innenbehörde als Topf herhalten werde.

WebLink: https://www.welt.de/regionales/hamburg/article159902687/Fuer-die-Polizei-wird-das-ein-Einsatz-der-Superlative.html

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