Artikel: Kriminelle Flüchtlinge im Visier

10.03.2016

Die ausländischen Zuwanderer werden in Zukunft in der Kriminalitätsstatistik der Hamburger Polizei explizit ausgewiesen
Artikel: Kriminelle Flüchtlinge im Visier

Es waren wohl vor allem die schweren sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht, die einen Wendepunkt in der Wahrnehmung der Flüchtlingssituation bewirkten, die Zweifel in den Köpfen säten: Geht von den Zuwanderern, die in Deutschland Schutz suchen, eine Gefahr aus? Wie kriminell sind Flüchtlinge? Und um den Blick auf einen aktuellen Brennpunkt zu richten: Sind viele der Dealer auf St. Pauli und in St. Georg Flüchtlinge, wie Anwohner behaupten Fragen, die bislang unbeantwortet blieben, denen die Polizei auf den Grund gehen will und die dafür das Merkmal "Flüchtlinge" in die Kriminalitätsstatistik aufgenommen hat. Bereits seit Dezember letzten Jahres werden so in Hamburg tatverdächtige Flüchtlinge erfasst. Erste aussagekräftige Ergebnisse werden für Ende 2016 erwartet. "Das tun wir, um auch über diese Problematik Klarheit zu gewinnen und um mit echten Zahlen auch möglichen falschen Vermutungen entgegenzutreten", sagte Innensenator Andy Grote (SPD). Die Aufnahme des Merkmals in die Statistik war bundesweit unter den Innenministern und dem Bundeskriminalamt verabredet worden. Unterschieden werden dabei die Rubriken Tatverdächtiger oder geschädigter Asylbewerber, Bürgerkriegsflüchtling, Kontingentflüchtling und geduldete Person. Allerdings sollen Flüchtlinge, die Opfer von Straftaten wurden, erst ab 2017 in die Statistik aufgenommen werden. Wie der Blick in die am Montag vorgestellte aktuelle Kriminalitätsstatistik verrät, stieg die Zahl der sogenannten nicht deutschen Tatverdächtigen 2015 erneut: Sie machen mittlerweile 45 Prozent der insgesamt knapp 74.000 mutmaßlichen Straftäter aus. Drei Kubaner, die unter den insgesamt 90 von der "Soko Castle" festgenommen Einbrechern waren, gehören ebenso zu den mehr als 33.000 nicht deutschen Tatverdächtigen, wie die 300 Nordafrikaner und 158 Rumänen, die bei Taschendiebstählen geschnappt wurden. Kategorisiert werden ausländische Tatverdächtige längst: Unterschieden wird nach stationierten Streitkräften, Touristen, Schülern und Studenten, Arbeitnehmern, Gewerbetreibenden, aber auch Asylbewerbern. Die Masse der Tatverdächtigen (61 Prozent) allerdings war bislang der Kategorie "sonstiger erlaubter Aufenthalt" zugeschlagen worden – unter die auch die Gruppe der anerkannten Flüchtlinge und Asylberechtigten fiel, wie Polizeipräsident Ralf Martin Meyer am Montag betonte. Ausländerkriminalität ist ein Feld, das statistischen Verzerrungseffekten unterliegt: Ausländerspezifische Delikte, wie Pass- oder Einreisevergehen, können Deutsche nicht begehen. Wird die Statistik bereinigt, machen nicht deutsche Tatverdächtige noch knapp 41 Prozent aus. Sie sind meist jünger und männlicher als der deutsche Durchschnitt, stammen öfter aus prekäreren Verhältnissen, wohnen sehr oft nicht dort, wo sie Straftaten verüben. Die Grüne Innenexpertin Antje Möller sieht die Flüchtlingskategorisierung mit Sorge, "weil es zur Stigmatisierung führen kann". Das Verfahren müsse immer wieder auf Tauglichkeit überprüft werden. Es sei sinnvoll, weil es zu "Wahrheit und Klarheit beitragen" und Rechtsextremen die Nahrung nehmen könne, sagte hingegen Joachim Lenders, Landeschef der Polizeigewerkschaft DPolG. Jan Reinecke, Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalisten erklärte: Das Verfahren werde "zu einer Versachlichung der gesellschaftlichen Diskussion führen". Nicht die Gefühlslage, sondern empirisch erhobene Zahlen werden Auskunft geben, in welchem Verhältnis Flüchtlinge polizeilich als Tatverdächtige geführt werden.

Polizeipräsident Meyer hatte noch am Montag betont: Schon bei der letzten großen Migrationswelle durch Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien sei der Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger ähnlich hoch wie heute gewesen. "Es gilt wohl: Je mehr Menschen desto mehr anteilige Kriminalität", sagte Meyer. Mehr könne man aus dieser Zahl bislang nicht ablesen – jedenfalls noch nicht.

 

http://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article153078394/Kriminelle-Fluechtlinge-im-Visier.html

 

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