BDK legt Eckwerte zur Reform des Bachelorstudienganges vor

08.02.2012

Mit seinem Schreiben an den Leiter der Polizeiabteilung im Ministerium für Inneres Kommunales, Ministerialdirigent Wolfgang Düren, legt der BDK seine Argumente und Forderungen zu einer Y-Ausbildung im Rahmen der Reform des Bachelorstudienganges an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung vor.

Bereits im Rahmen des im Juli 2011 mit Ministerialdirigent Wolfgang Düren und weiteren Vertretern des MIK geführten Gesprächs nahm der Bereich der Ausbildung einen breiten Raum ein. Der BDK-Landesvorsitzende Wilfried Albishausen und Sebastian Fiedler, Mitglied des Landesvorstandes mit Schwerpunkt Aus- und Fortbildung, hatten seinerzeit auf die Notwendigkeit einer Y-Ausbildung, in der neben gemeinsamen Studieninhalten jeweils Kriminalistik/Kriminologie für Studierende mit einer direkten Verwendung in der Kriminalpolizei und Einsatzlehre/Verkehrslehre für Studierende mit direkter Verwendung in der Schutzpolizei vermittelt werden, hingewiesen. Über diese Form der Ausbildung, wie sie in anderen Bundesländern üblich ist, kann zukünftig zielgerichtet ausgebildeter Nachersatz für die Kriminalpolizei gewonnen werden, ohne dabei auf einen bestimmten Anteil eines möglichen Dienstzweigwechsels zu verzichten.

Aktuelle Bachelor-Ausbildung Tiefpunkt polizeilicher Ausbildung in NRW

Der BDK schlägt eine grundlegende Neuausrichtung des Studiengangs vor. Entgegen anderslautender Stellungnahmen von Verantwortlichen der drei Bildungsträger halten wir den derzeitigen Studiengang für den traurigen Tiefpunkt polizeilicher Ausbildung in Nordrhein-Westfalen. Unsere folgenden Ausführungen basieren auf unzähligen Gesprächen und Schriftwechseln mit Studierenden der Einstellungsjahrgänge 2008 bis 2010, haupt- und nebenamtlichen Dozenten der FHöV NRW, Lehrenden des LAFP NRW sowie eigenen Beobachtungen, Feststellungen und Bewertungen. Wir nehmen diesbezüglich eine ganz offensichtlich erhebliche Diskrepanz zu den offiziellen Stellungnahmen gegenüber dem MIK sowie dem Senat der FHöV wahr. Insofern sehen wir uns in der Verantwortung als Berufsverband offen Position zu beziehen:

Bachelor-Ansatz für Polizei verfehlt

Zielrichtung des Bologna-Prozesses war es, international vergleichbare Studiengänge und Studienabschlüsse zu schaffen. Aus Sicht des BDK wird es auf absehbare Zeit ebenso wenige Übernahmen von Studierenden oder Absolventen der Polizeihochschulen anderer Staaten geben wie Abwanderungstendenzen nordrhein-westfälischer Absolventen in das Ausland. Der BDK hält den gesamten Bachelor-Ansatz insofern für verfehlt und sieht in der Fachhochschule für Finanzen des Landes NRW ein Positivbeispiel für einen in Verwaltung und Wirtschaft höchst anerkannten Fachhochschul-Diplom-Abschluss. Eine grundlegende Neukonzeption ist jedoch selbst innerhalb des Bachelor-Systems machbar und notwendig. Verharmlosende Formulierungen, die dem derzeitigen Studiengang lediglich „Verbesserungsbedarf und Optimierungspotential“ bescheinigen, trägt der BDK nicht mit.

Kritik an der Einstellung und Ausbildung von „Einheitspolizisten“

Aus einer ganzen Reihe von Erwägungen halten wir die derzeitige, auf eine polizeiliche Einheitsqualifikation ausgelegte Studienausrichtung für verfehlt.

Unter Personalauswahlgesichtspunkten verschließt sich die Polizei NRW derzeit einem sehr großen Bewerberfeld, weil sie in der Bewerbung des Polizeiberufes ausschließlich auf das Berufsbild der Schutzpolizei abstellt und potentiellen Kandidaten keine gesicherte Aussicht auf eine Verwendung bei der Kriminalpolizei bieten kann. Durch ein mittlerweile recht hohes Bewerbungsmaximalalter von 37 Jahren sehen wir ausgezeichnete Chancen, Bewerber mit einschlägigen Berufsausbildungen oder (Fach-)Hochschulstudien für den Beruf des Kriminalbeamten zu interessieren. Der Bewerberkreis der Abiturienten ist damit nur eine Teilmenge. Durch die fehlende Aussicht auf eine spätere Verwendung in der Kriminalpolizei bewirbt sich eine große Anzahl von Interessenten erst gar nicht bei der Polizei. Aus dem privaten Umfeld sind nahezu jeder BDK-Kollegin und jedem -Kollegen derartige konkrete Einzelfälle bekannt. Einige exemplarische, herausragenden Fälle aus dem persönlich-privaten Umfeld meiner Vorstandskollegen innerhalb der letzten zwei Jahre waren ein Dipl.-Informatiker aus Dülmen, eine Dipl.-Biologin aus Köln sowie eine Abiturientin mit einem 1er Notendurchschnitt aus Düsseldorf. Alle hatten ausschließlich Interesse am Kriminaldienst und haben daher von einer Bewerbung bei der Polizei gänzlich abgesehen.

Die zuweilen ins Feld geführten Argumente der problematischen Personalauswahl im Hinblick auf die Geeignetheit für Schutz- oder Kriminalpolizei sowie eine eingeschränkte Dispositionsfreiheit des Dienstherrn bei unterschiedlich qualifiziertem Personal halten wir für Scheinargumente. Die Validität und Reliabilität von Verfahren der Personalselektion sind grundsätzliche Probleme, denen man unter anderem mit der Möglichkeit begegnen muss, sich von ungeeigneten Beamten im Laufe des Studiums wieder zu trennen. Ausgehend von den differierenden Anforderungen, die Verwendungen in der Schutz- und Kriminalpolizei an die jeweiligen Beamten stellen, müssen mit den aktuellen Mitteln der Arbeits- und Organisationspsychologie Personalauswahlverfahren entwickelt werden. Hierbei können die diesbezüglichen Verfahren der Länder Hamburg, Schleswig-Holstein, Berlin, Hessen und des BKA Orientierung bieten. Unabhängig davon sollte innerhalb des Studiums bis zu einem festgelegten Zeitpunkt ein Wechsel des Studienschwerpunktes möglich gemacht werden.

Die Möglichkeiten der „Personalverschiebung“ blieben im Übrigen auch im Anschluss an Schwerpunktstudiengänge gewahrt. Ein Wechsel der Dienstzweige wäre weiterhin möglich und durch entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen zu flankieren.

BDK-Vorschlag zu Schwerpunktstudiengängen - Fachrichtungen Schutz- und Kriminalpolizei

Der BDK-Vorschlag orientiert sich an den bereits in anderen Bundesländern erfolgreich umgesetzten Schwerpunktstudiengängen (Hamburg, Schleswig-Holstein, Berlin und Hessen). Der BDK ist der Auffassung, dass es sinnvoll ist, diejenigen Studieninhalte, die für jede polizeiliche Aufgabenwahrnehmung gleichsam bedeutend und relevant sind, gemeinsam zu lehren bzw. zu trainieren. Vollständig getrennte Studiengänge für Schutz- und Kriminalpolizei halten wir für nicht erforderlich. Wir erachten jedoch ein dreijähriges Studium, das ausschließlich Inhalte vermittelt, die für alle polizeilichen Kernaufgabenfelder relevant sind, für nicht ressourcengerecht. Aufgrund der vielfältigen Aufgabenzuwächse und einer stark veränderten Kriminalitätslandschaft ist bei einem derartigen Grundansatz eine inhaltliche Überfrachtung weiterhin unvermeidbar. Dies machen schon jetzt die im Entwurfsstadium befindlichen (inoffiziellen) Zwischenergebnisse der Facharbeitsgruppen zur Überarbeitung der Fachmodule deutlich. So stellt die Arbeitsgruppe „KK-Module“ berechtigt fest, dass beim Abgleich der bisher gelehrten Themen festzustellen sei, dass kein Thema völlig gestrichen werden kann und dass sogar neue Themen aufgenommen werden mussten (Zeugen vor Gericht, Kriminalistik in Zusammenhang mit neuen Medien). Man plane daher in Teilbereichen in der Tiefe der zu vermittelnden Inhalte zu reduzieren.

Auch die Bundesagentur für Arbeit warf anlässlich einer Tagung beim LAFP am 19.10.2011 die berechtigte Frage auf, „Muss jede/-r Bewerber/-in die gleiche Ausbildung absolvieren oder sind Umgestaltungen in Bezug auf den späteren Einsatz denkbar?“.

Wir beantworten diese Frage mit einem klaren „Ja“ und schlagen im Rahmen des Reakkreditierungsprozesses nach Maßgabe der Lösungsvorschläge zur im Folgenden beschriebenen Problemanalyse die Einführung der Schwerpunktstudiengänge

„Bachelor Polizeivollzugsdienst – Fachrichtung Schutzpolizei“ und

„Bachelor Polizeivollzugsdienst – Fachrichtung Kriminalpolizei“ vor:

Problemanalyse und Kritik an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW

Der im derzeitigen Studiengang gewählte Ansatz folgt dem Gedanken eines multidisziplinären Modulaufbaus. Die jeweiligen Module stehen unter der theoretischen (!) Verantwortung eines sogenannten Modulkoordinators. Die Stoffvermittlung soll sich an sogenannten Leitthemen, orientieren und ist von etwa sechs Dozenten pro Modul zu gewährleisten. Der Unterricht wird richtigerweise von hauptamtlichen Dozenten sowie nebenamtlich tätigen Lehrbeauftragten wahrgenommen. Eine didaktisch sinnvolle Unterrichtsvorbereitung würde konzeptionell zwingend eine detaillierte Abstimmungs- und Koordinierungsbesprechung aller modulverantwortlichen Dozenten vor dem jeweiligen Modul bedingen. Dies geschieht jedoch nicht und ist auch nicht zu leisten. Die Unmöglichkeit einer didaktischen Koordination wird dann besonders deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die Abstimmungsprozesse nicht nur innerhalb der Lehrenden eines Moduls, sondern von bis zu drei Modulen zu leisten wäre, da der Dozent seine Inhalte innerhalb des theoretischen Gerüstes von bis zu drei Modulen wiederfindet. Wenn z.B. die Studierenden ihren Strafrechtsdozenten vorne am Pult sehen, offenbart ihnen erst ein Blick in den Stunden- oder Modulverteilungsplan, welches Modul unterrichtet wird. Das „Fach“ oder Modul Strafrecht gibt es in Reinform nicht (mehr).

Eine inhaltliche Orientierung an den Leitthemen kann ferner schon vom Ansatz her nicht über einen Empfehlungscharakter hinausgehen, da ansonsten die gerade auch durch den Bologna-Prozess (u.a. Annäherung von Universitäten und Fachhochschulen) gestärkte verfassungsrechtlich garantierte Lehrfreiheit aus Artikel 5 Abs. 3 GG konterkariert würde.

Schwierigkeiten bei der Verzahnung mit dem Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personal der Polizei NRW (LAFP)

Die Freiheit der Lehre an der FHöV ist einer der Gründe für die großen Schwierigkeiten der Verzahnung zum LAFP. Im Normalfall findet keine individuelle Rückkoppelung zwischen den Dozenten der FHöV mit den Lehrenden beim LAFP statt. Sie sind einander schlicht nicht bekannt. Dieses Problem setzt sich bei den Tutoren in den Praktikumsbehörden fort. So werden auf dem Rücken der Studierenden Streitfragen über Tatortübergabe-, Tatortbefund- und Spurensicherungsberichte u.v.m. ausgefochten, denen sie im Zweifel hilflos ausgeliefert sind, da ihnen von Tutoren sowie Lehrenden entgegnet wird, fachliche Inhalte nicht vertiefen zu dürfen, da hierfür keine Stundenanteile vorhanden seien. Zudem habe diesbezüglich allein die FHöV die „Lufthoheit“.

Das sprichwörtliche didaktische I-Tüpfelchen bilden im Zusammenhang mit dem Theoriestudium die Prüfungen. Die tatsächliche Prüfung von Inhalten der eigentlichen Kernfächer ist in wesentlichen Teilen dem Zufall überlassen. Ein aus einem Soziologen und Psychologen besetztes Prüferteam lässt straf- und eingriffsrechtliche Prüfungsinhalte kaum erwarten.

Im Hinblick auf Abschlussklausuren gibt es ähnlich gelagerte Schwierigkeiten. Die Stofffülle und –dichte eines Moduls ist derart hoch, dass die Prüfung des kompletten Modulstoffes unabhängig von rechtlichen Hürden (Fragen der Korrektur) schon aus diesem Grunde ausscheidet. Es wurde daher nur ein Unterrichtsfach, aktuell wieder zwei, pro Modul geprüft und die Klausur nur von dem bzw. den entsprechenden Dozenten korrigiert.

Wesentliche Theorieinhalte bleiben also trotz einer exorbitant hohen Anzahl an Prüfungen bis zum Studienabschluss ungeprüft.

Letztlich hat das Ministerium für Inneres und Kommunales das einzig denkbare Korrektiv am Ende des Studiums, eine mündliche Schwerpunktprüfung, aus Gründen eines vermeintlich zu hohen Personaleinsatzes im Bereich des höheren Polizeivollzugsdienstes gegen den Rat des BDK abgeschafft.

Kritik an den Trainings im LAFP NRW

Unsere Hauptkritik an den Trainings beim LAFP richtet sich auf die Vielzahl der Prüfungen und Übungslagen unter Laborbedingungen.

Darüber hinaus ist es bislang nicht ansatzweise gelungen, ausreichend Personal aus den Reihen der Direktionen Kriminalität der KPB für eine Tätigkeit als Lehrender beim LAFP zu gewinnen. Dieser Zustand führt dazu, dass ein Großteil der KK-Module von Lehrenden betreut wird, die noch nie in einer Direktion Kriminalität Dienst versehen haben. Diese werden im Rahmen von sogenannten Qualifizierungsmaßnahmen auf Ihre Lehrtätigkeit vorbereitet, die sodann unter anderem darin besteht, den Studierenden die Arbeit und Erfahrung der Kriminalpolizei zu vermitteln. Der Umfang der „Grundqualifizierung von Lehrenden in der Ausbildung im Kernaufgabenbereich Kriminalitätskontrolle“ ist nicht ansatzweise geeignet, Lehrende ohne Vorverwendung bei der Kriminalpolizei auf ein fachliches Niveau zu heben, das sie für Ihre Lehrtätigkeit qualifiziert.

 

Diese für alle Beteiligten unglückliche Ausgangssituation entführt den fachkundigen Beobachter von Übungen der Studierenden in skurrile Welten, fern jeder Realität und mit höchst fragwürdigem Nutzen für die polizeiliche Praxis. Hierauf werden die Studierenden allerdings auch hingewiesen. Nicht selten wird den Studierenden von Lehrenden nach einer Übung erläutert, dass nur unter Laborbedingungen sowie für die Prüfung trainiert werde und „draußen sowieso alles anders“ sei. Anmerkung: „draußen“ kennen die Lehrenden in der Mehrzahl gar nicht. Analoge Berichte von Studierenden sind aus allen drei Bildungszentren bekannt.

Das Dilemma beim LAFP ist nach Bewertung des BDK jedoch nicht ausschließlich ein Problem der Personalgewinnung, sondern vorrangig konzeptioneller Natur. Das eigentliche Training der Studierenden findet in 12er Gruppen statt, die jeweils von zwei Lehrenden unterrichtet werden. Eine Übungsdurchführung nimmt etwa 1,5 bis 2 Stunden in Anspruch, unterstützt von 1 – 2 Rollenspielern. In dieser Zeit können zwei Studierende (ein Team) die Übungslage durchspielen, während die übrigen 10 Kommilitonen sowie die beiden Lehrenden sie beobachten.

Der Lerneffekt für die nur beobachtenden Studierenden ist naturgemäß gering. Eine so häufige Übungswiederholung, dass alle Studierenden wenigstens einmal die Rolle des agierenden Teams übernehmen können, ist zeitlich nicht möglich. Stellt man den Lernerfolg und den personellen, materiellen sowie finanziellen Aufwand gegenüber, so ist ein erhebliches Missverhältnis offenkundig.

Aktuell führt das strikte Festhalten am „12 zu 2-Trainingsansatz“ dazu, dass für zusätzliche 300 Studierende 72 zusätzliche Lehrende in der Ausbildung benötigt werden, aber noch nicht in dieser Zahl zur Verfügung stehen. Die ausgegebene Maxime „Ausbildung geht vor Fortbildung“ führt in der Folge u. a. dazu, dass hochspezialisierte Lehrende aus dem Bereich der kriminalpolizeilichen Fortbildung das Ausbildungsdezernat in Brühl unterstützen müssen und kriminalpolizeiliche Fortbildungsangebote ausfallen.

Hinsichtlich der Prüfungsdurchführungen ist beim LAFP eine gleichgelagerte Problemstellung wie bei den Klausuren der FHöV festzustellen. Pro Fachmodul werden die Studierenden lediglich in einem der drei Teilmodule (GE, KK, VS) geprüft. Die Prüfungsleistung schlägt sich jedoch im Ergebnis in allen Teilmodulen nieder, obgleich in zwei der drei Teilmodule gar kein Leistungsnachweis erbracht wurde.

Kritik an der Ausbildungspraxis in den Praktikumsbehörden – zu wenig Tutoren

Aufgrund der extrem hohen Zahl an erforderlichen Tutoren ist es bereits in der Vergangenheit nicht gelungen, eine ausreichende Anzahl von Polizeibeamten für diese Zusatztätigkeit zu gewinnen, die in der Mindestqualifikation selbst über einen Fachhochschulabschluss verfügt. Bei einer um 300 auf 1.400 gestiegenen Einstellungszahl scheint dieses Unterfangen erst recht aussichtslos. Darüber hinaus hat der bisherige Studienverlaufsplan schon bei 1.100 Studierenden die Grenzen der Machbarkeit deutlich aufgezeigt. Es ergab sich auf Wachen nicht selten die Konstellation, dass mehr Studierende als Streifenwagenbesatzungen anwesend waren, so dass mehrere Studierende die Dienstschicht tatenlos auf der Wache verbringen mussten. Es ist nicht ersichtlich, wie diese Schwierigkeiten bei wachsenden Studierendenzahlen im derzeitigen Modell bewältigt werden könnten, ohne weitere tiefgreifende Einbußen der Studienqualität hinzunehmen.

Einzelprüfungen mit fragwürdigen Bewertungsmaßstäben

Darüber hinaus führt die hohe Anzahl an stichpunktbezogenen Einzelprüfungen zu einem fragwürdigen Bewertungsmaßstab. Die Durchführung einer einzelnen Vernehmung eines „echten“ Zeugen bildet zum einen nicht das Leistungsverhalten des Studierenden ab. Zum anderen bietet die derzeitige Art der Prüfungsdurchführung ein bedenkenswertes Bild kriminalpolizeilicher Arbeit in der Öffentlichkeit und liefert ggf. ein zweifelhaftes Ermittlungsergebnis.

Kein Mehrwert für die Praxis durch Studierende

Aus Sicht der Kriminalpolizei führen die extrem kurzen Praktikumsphasen dazu, dass die ohnehin massiv überlasteten Dienststellen zusätzlich mit der Betreuung von Studierenden beauftragt werden, ohne einen Mehrwert zu erhalten. Dies bedeutet im Vergleich zu allen vorhergehenden Studienmodellen einen Paradigmenwechsel. Bislang (= in den Diplomstudiengängen) haben Studierende durch eine jeweils mehrwöchige Praktikumsphase in den kriminalpolizeilichen Dienststellen eine Entlastung bewirkt, da sie – nach fachtheoretischer Vorbereitung und einer Einarbeitungszeit während des Praktikums - eine zwar beaufsichtigte aber dennoch eigenständige, verantwortungsvolle Vorgangsbearbeitung durchführten. Diese Situation war neben anderen Faktoren maßgeblich für den Lernerfolg verantwortlich. Unseres Erachtens bildet das „trainieren“ nahezu aller im Studienverlauf vorgesehenen kriminalpolizeilichen Handlungsfelder unter „sterilen Laborbedingungen“ keine Alternative zur Teilhabe am kriminalpolizeilichen Praxisalltag.

Organisationsübergreifenden Kritik an den Ausbildungsträgern

Die exorbitant hohe Anzahl an Prüfungen, die in Teilen in einer Entscheidung für stichpunktbezogene Bewertungen begründet liegen, halten wir für fachlich fragwürdig. Die Aussagekraft über den Lernerfolg eines Studierenden dürfte bei einer Bewertung seiner Leistungen in einem definierten Zeitraum (Modul) erheblich größer sein. Dies gilt für die Trainings- und Praxisanteile gleichermaßen. Die hohe Prüfungszahl führt darüber hinaus zu einem Unterlaufen des Anwesenheitsrechts des Personalrates bei Prüfungen (§ 9 Abs. 4 Satz 1 StudO-BA). Dies ist faktisch nur noch im Rahmen minimalster Stichproben möglich.

Arbeiten an einem modifizierten Studiengang – Umorientierung erforderlich

Nach dem verlautbarten Stand der Dinge befinden sich die Arbeiten an einem modifizierten Studiengang aktuell im Stadium des Grundlagenstudiums. Bis zum Frühjahr 2012 soll der modifizierte „Bachelor-neu“ fertig konzipiert sein und mit einem „Probelauf“ von einem Jahr „getestet“ werden, um sodann im Jahre 2013 reakkreditiert zu werden. Leitlinie soll dabei das zwischen den Ausbildungsträgern und Ihnen abgestimmte Eckpunktepapier sein, das jedoch ebenso wie die derzeit gültige Ausbildungsverordnung im Widerspruch zum gültigen Nachersatzerlass steht.

Eine Ausbildung, die alle Studierenden zwar in den Stand versetzt, Aufgaben des Wachdienstes zu erfüllen, jedoch lediglich Grundkenntnisse der allgemeinen Kriminalitätssachbearbeitung anzuwenden, geht für alle Kolleginnen und Kollegen, die innerhalb der ersten Jahre eine Verwendung in der Kriminalpolizei finden, am Ziel vorbei. Für diese Zielgruppe wäre das Ausbildungsziel diametral zu formulieren: „Erfüllung der Aufgaben der allgemeinen Kriminalitätssachbearbeitung + Grundkenntnisse des Wachdienstes“.

Aus bekannten Gründen steigt in den kommenden Jahren das zahlenmäßige Erfordernis, junge Studienabsolventen möglichst zeitnah im Anschluss an das Studium in der Kriminalpolizei zu verwenden. Ein stoisches Festhalten am vermeintlich idealtypischen Studienabsolventen „Wachdienstbeamter + X“ wird angesichts der sich rapide wandelnden Kriminalitätslandschaft und schon heute exponentiell gestiegenen Anforderungen an die kriminalfachliche Fortbildung fatale Auswirkungen haben.

Neben der personellen Unterbesetzung der kriminalpolizeilichen Dienststellen droht der Kriminalpolizei mit der derzeitigen Ausbildungsmisere in Kombination mit künftigen Pensionierungen (Kollegen mit dem größten Erfahrungswissen) und extremen Fortbildungserfordernissen (bedingt durch die sich wandelnde Kriminalitätslandschaft) nun auch der fachliche Gau. Dieser wird sich insbesondere in steigenden Fallzahlen der Massenkriminalität, einem wachsenden Dunkelfeld der Kontrollkriminalität sowie sinkenden Aufklärungsquoten manifestieren.

Lösungsstrategie des BDK

Aus all den genannten Gründen wirbt der BDK NRW eindringlich für die Einführung von Schwerpunktstudien für die Schutz- und Kriminalpolizei.

Es besteht nach unserer Wahrnehmung derzeit ein Konsens für das Erfordernis eines breit angelegten Grundlagenstudiums. Der derzeitige Planungsstand böte hinreichende Möglichkeiten, die Weichen umzulegen und die enorme Stofffülle für die jeweiligen Fachstudierenden dadurch zu entfrachten, dass bestimmte Studieninhalte eben nicht von allen Studierenden gelernt, trainiert und beherrscht werden müssten. Dem gestiegenen Bedarf an kriminalfachlichem GRUNDLAGENwissen und –können könnte durch entsprechende theoretische Fachmodule sowie insbesondere stark verlängerte Praktikumsphasen – zu Lasten von Trainingsanteilen sowie Wachdienstpraktika (bei Fachrichtung K) – begegnet werden. Entscheidende Schwächen des derzeitigen Studienmodells würden damit beseitigt:

  • Das Verhältnis Studierende pro Praktikumsdienststelle würde positiv beeinflusst.
  • Eine spürbare Entlastung der kriminalpolizeilichen Praktikumsdienststellen würde bewirkt.
  • Personalgewinnungsprobleme (in Summe sowie speziell in Bezug auf Personal der Direktionen K) des LAFP würden entzerrt.
  • Kriminalfachliche Fortbildung würde von der Ausbildung nicht weiter (personell) negativ tangiert.
  • Durch reduzierte Trainingszeiten würden Haushaltsausgaben deutlich verringert (derzeit Ausgaben insbesondere durch Trennungsentschädigung für Studierende und Lehrende, Honorare und Reisekosten für Rollenspieler u. a.).
  • Der Lernerfolg im Rahmen von längeren, gezielten Praktika wäre größer.
  • Verzahnungsprobleme zwischen den drei Ausbildungsträgern würden nachhaltig und wirksam reduziert.
  • Die Einführungsfortbildung für Ermittlungsbeamte könnte für die Absolventen des Schwerpunktstudiums Kriminalpolizei entfallen. Dies führt ebenfalls zu einer Schonung des Landeshaushaltes. In den nächsten 10 Jahren tritt gut die Hälfte der Kriminalbeamtinnen und Kriminalbeamten in den Ruhestand. Der daraus folgende Nachersatzbedarf von mehr als 4.000 Kriminalisten wird über die Einführungsfortbildung auf ihre Aufgaben vorbereitet werden müssen. Dies entspricht bei pro Kopf Kosten von gering geschätzt 10.000,00 € einem Gesamtvolumen von mehr als 40 Millionen Euro. Die Einführung einer Y-Ausbildung entlastet den Landeshaushalt erheblich.

Darüber hinaus plädieren wir für eine Modifizierung des Tutorenkonzeptes. Wir schlagen stattdessen die Einführung von je zwei Studienverantwortlichen als Ansprechpartner pro Dienststelle sowie eine Leistungsbewertung von einzelnen Praktikumsabschnitten durch den jeweiligen Dienststellenleiter vor.

Die Zeitraum bezogene Bewertung (Prozessbewertung) favorisieren wir ebenso in Bezug auf – sodann reduzierte - Trainingsbausteine am LAFP. In diesem Zusammenhang regen wir darüber hinaus an, die Möglichkeit von gemeinschaftlicher Unterbringung während der Trainingszeiten wieder zu ermöglichen. Die Psychologie misst dem Lernfeld „emotionale Kompetenz“ eine große Bedeutung zu. Zudem ist die Wichtigkeit von kollegialer und sozialer Unterstützung im späteren polizeilichen Berufsleben enorm.

Letztlich plädiert der BDK im Hinblick auf das fachtheoretische Studium für eine Rückkehr zu Kernfächern. Interdisziplinäre Module halten wir ausschließlich im späten Studienverlauf, beispielsweise im Rahmen von Wahlpflichtmodulen für angezeigt.

Unmittelbare Einstellung von jährlich 300 bis 400 Bewerbern für den Studiengang Kriminalpolizei

Zusammenfassend regte der BDK-Landesvorsitzende Wilfried Albishausen an, zum nächstmöglichen Zeitpunkt einer Größenordnung von 300 bis 400 Berufseinsteigern einen Studienbeginn mit einem fachlichen Schwerpunkt auf die Themen der Kriminalpolizei sowie eine sich direkt an das Studium anschließende obligatorische Verwendung bei der Kriminalpolizei zu ermöglichen.

Keinesfalls sollte ein weiteres Mal ein Studiengang mit der sprichwörtlichen heißen Nadel gestrickt werden. Stattdessen hält der BDK einen Verzicht auf ein „Testjahr“ im Zweifel für angezeigt.

Wilfried Albishausen und Sebastian Fiedler boten dem MIK weitergehende Gespräche, Erörterungen und Beratungen in dieser für die Kriminalpolizei in NRW existenziellen Frage an.

der kriminalist, Landesteil NRW, Februar 2011