Annahmestopp bei der Justizasservatenstelle
07.07.2025

Zum 1. Juli 2025 wurde – wie zwischenzeitlich auch im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses berichtet wurde – die „Gemeinsame Asservatenstelle der Staatsanwaltschaft Berlin“ im Kriminalgericht für die Annahme von weiteren Asservaten bis auf weiteres geschlossen.
Diese Maßnahme kam zwar plötzlich – aber keineswegs überraschend, denn sie ist letztlich nur der vorläufige Höhepunkt einer lang andauernden Entwicklung, auf welche der BDK vielfach hingewiesen hat.
So war es aus Sicht der Ermittlerinnen und Ermittler der Kriminalpolizei bisher schon oftmals ein Krampf, Asservate bei der Justizasservatenstelle abzugeben. Dafür standen den Kommissariaten jeweils nur kleine Zeitfenster zur Verfügung. Wohl jedes Kriminalkommissariat, das mit Asservaten zu tun hat, kann über entsprechende Erfahrungen sprechen, wenn aus mannigfaltigen, oft nicht nachvollziehbaren Bemängelungsgründen die Annahme von Asservaten verweigert wurde und die Kommissariatsmitarbeiter oder Kurierfahrer einen Großteil der Asservate wieder zurückbrachten. Mancher munkelte da schon, dass der wahre Grund die Überlastung der Asservatenstelle der Justiz ist. Wie unten näher ausgeführt wird, erfolgte dies in erheblichen Umfang zulasten der kriminalpolizeilichen Sachbearbeiter, die ihrer eigentlichen Ermittlungsarbeit dadurch nicht nachgehen können.
Wichtig ist an dieser Stelle zu betonen, dass der Polizei dem Gesetz nach in diesem Zusammenhang keine „Bittsteller-Rolle“ zukommt, denn nach § 111m StPO obliegt die Verwaltung von beschlagnahmten Gegenständen grundsätzlich der Staatsanwaltschaft. Sie hat in jedem Fall die Sachleitung und trägt die Verantwortung.
Der BDK hatte unter anderem vor diesem Hintergrund in die damaligen Verhandlungen der jetzigen Koalitionspartner im Berliner Senat folgende, aufgrund eines BDK-Landesdelegiertagbeschlusses bestehende Forderung eingebracht:
Asservatenmanagement
- Einrichtung eines gemeinsamen Dienstleistungszentrums Asservate der Polizei und der Justizbehörden (baulich, organisatorisch und personell auskömmlich)
- Durchgehende Gewährleistung des Arbeitsschutzes im Umgang mit Asservaten (z.B. beschlagnahmten Betäubungsmitteln)
Tatsächlich wurde dann im Koalitionsvertrag unter „Justiz“ auch folgende Formulierung aufgenommen: „Eine gemeinsame Asservatenstelle wird eingerichtet.“
Leider ist diesbezüglich bislang offensichtlich nichts Greifbares passiert.
Der BDK nimmt daher den aktuellen Kollaps der Asservatenstelle der Staatsanwaltschaft zum Anlass, um zur besseren Einordnung der Problemlage noch einmal auf die Historie und die aktuelle Situation vor dem Annahmestopp einzugehen, wenngleich dies an dieser Stelle nur kursorisch erfolgen kann:
Kurzhistorie
Bereits 1992 wurden die bestehenden Probleme mit den beiden Asservatenstellen (Polizei und Justiz) zwischen den relevanten Protagonisten besprochen und eine gemeinsame Asservatenstelle diskutiert, ohne dass eine Lösung herbeigeführt werden konnte.
2006 wurde in dieser Sache eine neue Initiative (Projekt „19“) gestartet, die gleichwohl erfolglos blieb. 2015 gab es hierzu eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe, die ebenfalls keine Resultate erbrachte. Zuletzt wurden im Jahr 2021 entsprechende Bestrebungen unternommen - auch ohne Erfolg.
Zwischenzeitlich soll nach unseren Informationen ein weiteres gemeinsames „Projekt“ von Polizei und Justiz durchgeführt worden sein, dessen Ergebnisse auch den zuständigen Senatsverwaltungen (Justiz/Inneres) zur weiteren Abstimmung vorliegen sollen. Über den diesbezüglichen Stand liegen dem BDK jedoch keine Informationen vor.
Situationsbeschreibung:
Zu geringe Unterbringungskapazitäten in den Asservatenstellen der Polizei und Justiz
Insbesondere die Justizasservatenstelle, die im Keller des Gerichtsgebäudes Turmstr. untergebracht ist, weist seit Jahrzehnten zu geringe Lagerungskapazitäten auf. Dies dürfte – wie bereits oben ausgeführt – auch ein wesentlicher Grund dafür sein, warum die Annahmepraxis bei den Asservaten, die von der Polizei angeliefert werden, als – diplomatisch ausgedrückt – sehr restriktiv empfunden wird.
Es besteht zudem ein anhaltendes Problem bei sperrigen Asservaten wie z.B. Fahrräder, Spielautomaten, beschlagnahmte Hanfplantagen etc. Hier muss auch die Polizei auf ggf. gerade aktuell verfügbare, aber disloziert liegende zusätzliche Lagerräume zurückgreifen.
Mangelhaft Abläufe bei der Abgabe/Übergabe von Asservaten
Der Weg der Asservierung hängt zunächst davon ab, ob bereits ein Justizaktenzeichen zu dem Fall vorhanden ist oder nicht. Soweit nämlich ein Fall bzw. eine Akte schon an die Staatsanwaltschaft übergeben wurde, müssen Asservate bei der dortigen Asservatenstelle abgegeben werden.
Asservierung bei der Polizei
Asservate werden, wenn noch kein justizielles Aktenzeichen vergeben ist oder es sich um Sicherstellungen nach dem ASOG handelt, zunächst bei der polizeilichen Asservatenstelle asserviert. Hierfür nutzen die Sachbearbeiter das IT-System der Polizei (POLIKS) und die sog. Elektronische Asservatenverwaltung „EAV“, die eine eindeutige Zuordnung und weitere Administrierung mittels Barcodes ermöglicht. Auch die Lagerortzuordnung erfolgt bei der polizeilichen Asservatenstelle inzwischen barcode-gestützt.
Die polizeiliche Asservatenstelle fragt in regelmäßigen Abständen die Vorgänge ab, um zu sehen, ob diese inzwischen ein Justizaktenzeichen erhalten haben (keine automatische Meldung), was je nach Bearbeitungsstand des Ermittlungsverfahrens Monate dauern kann und entsprechend viele Abfragen erfordert. Ist dies der Fall, fertigt die polizeiliche Asservatenstelle die notwendigen Unterlagen für die Asservierung bei der Justiz. Sie asserviert die Gegenstände bei der Justiz-Asservatenstelle, wie es auch ein Sachbearbeiter tun würde (siehe unten), und liefert die Asservate dort mit einem LKW an.
Die IT-Systeme von Polizei und Justiz sind bislang nicht kompatibel. Die Angaben der Polizei werden von Hand in das Justizsystem übertragen, wo z.B. Einschränkungen in der möglichen Anzahl der Buchstaben bei der Beschreibung bestehen (eine zu ausführliche polizeiliche Beschreibung eines Gegenstands, kann nicht in das MESTA System übertragen werden und führt zur Verweigerung der Annahme)
Ohne hier weiter ins Detail zu gehen, ist die überflüssige Doppelarbeit allein durch die nicht kompatiblen Systeme unverkennbar und unhaltbar.
Asservierung bei der Justiz
Liegt bei der Beschlagnahme bereits ein Justizaktenzeichen vor, muss das Asservat durch die kriminalpolizeiliche Sachbearbeitung bei der Justiz asserviert werden. Hierzu fertigt der Sachbearbeiter den Beleg für die Justiz-Asservatenstelle. Für die eigentliche Abgabe standen aber bisher schon nur sehr eingeschränkte Zeitfenster zur Verfügung, z.B. zwei Stunden pro Woche für eine bestimmte LKA-Abteilung (das Problem betrifft ebenso die Referate K in den Direktionen), die generell viele Asservate hat. In diesem Zeitfenster müssten alle Asservate des jeweiligen Dienstbereichs abgegeben werden, was aufgrund der Modalitäten jedoch zeitlich nicht zu schaffen ist, denn das vorgegebene Zeitfenster muss rigoros eingehalten werden. Daher wird bereits im Vorfeld die Anzahl der pro Fahrt mitgenommen Asservate auf eine theoretisch zu schaffende Abgabemenge begrenzt, was zu einem Rückstau bei der Polizei führt. Die Asservate lagern bis zur nächsten „buchbaren“ Tour, deren „Kontingent“ noch nicht ausgeschöpft ist, auf den Dienststellen. Dies kann Wochen oder Monate dauern und steht in eklatantem Widerspruch zur polizeilichen Geschäftsanweisung, die eine schnellstmögliche Asservierung vorschreibt. Das Beschädigungs- und Verlustrisiko liegt in dieser Zeit bei dem einzelnen Sachbearbeiter.
Um in dem genannten Zeitfenster so viele Asservate wie möglich abgeben zu können, werden oft mehrere Asservate zusammen in einem rundum sorgsam versiegelten Karton verpackt, damit ein genauer Abgleich von einzelnen Gegenständen mit der Liste auf dem Asservatenbeleg nicht nötig ist, was die Annahme zeitlich deutlich verzögern würde. Hierdurch steigt jedoch der Verpackungsaufwand.
Viele Dienstbereiche sind dazu übergangen, die Asservate bereits vor der Tour zusammenzustellen und die vorkonfektionierten Pakete und Belege vorab penibel prüfen, um möglichen Ablehnungsgründen die Grundlage zu entziehen. Auch dieses kostet zusätzliche Zeit.
Zudem wurde oft so verfahren, dass neben einem Kurierfahrer (Arbeiter) auch eine Vollzugskraft mitfährt oder gar die Fahrt komplett durch Vollzugsbeamte durchgeführt wird, damit vor Ort manche Beanstandungen (z.B. noch fehlende oder gelöste Siegel an Nahtstellen, vermeintlich unvollständige Beschriftungen oder Fehler im Beleg, Aufhebung des Geheimschutzbereichs für das Verfahren etc.) ggf. ad hoc behoben und die Asservate doch noch abgegeben werden können. Hierdurch kann die Rücklaufquote zwar gesenkt werden, es werden aber zugleich Kräftestunden des Polizeivollzugspersonals für diese Kuriertätigkeiten vergeudet.
Dies alles hat zur Folge, dass es Dienstbereiche gibt, die einen nennenswerten Teil ihrer Dienstzeit mit der Handhabung von Asservaten verbringen. Dies ist Zeit, die für die eigentlichen Ermittlungen fehlt.
Fazit des BDK-Landesvorsitzenden Marco Schmidt: >> Sehr kurzfristig muss die Asservatenstelle der Justiz wieder in die Lage versetzt werden, Asservate anzunehmen, um keinen weiteren Rückstau bei der Polizei entstehen zu lassen oder gebotene strafprozessuale Maßnahmen weiter aussetzen zu müssen. Nach Vorstellung des BDK muss sodann die Gesamtthematik „Asservatenmanagement bei Justiz und Polizei“ nunmehr unverzüglich und gleichzeitig nachhaltig angegangen werden – wobei hier nochmals auf die gesetzliche Verantwortung der Staatsanwaltschaft hinzuweisen ist. Weitere Verzögerungen bei der Beseitigung der seit mindestens 1992 diskutierten Mängel sind nicht mehr erklärbar. <<
Es muss eine gemeinsame, durchgehend medienbruchfreie, digitale Asservatenverwaltung etabliert werden. Im konkreten Umgang mit den Asservaten muss in jedem Prozessschritt (von der Beschlagnahme bis zur ggf. Vernichtung) der Arbeitsschutz gewährleistet werden. An einem geeigneten Standort (der BDK schlägt dazu vor, beispielweise die Nutzung von Hangars im Bereich des ehemaligen Flughafens Tempelhof auf Geeignetheit zu prüfen) müssen ausreichende Lagerkapazitäten geschaffen werden und die Asservate dort sowohl mit der bei Beweismitteln notwendigen Sicherheit und als auch nach dem Vorbild der Wirtschaft unter Nutzung entsprechender Lagertechnik effizient verwahrt werden.
Insbesondere muss sich die dann „gemeinsame Asservatenstelle (Justiz/Polizei)“ – unabhängig von der organisatorischen Anbindung – als Dienstleister sowohl der Justiz als auch der Polizei verstehen und entsprechend handeln.
Es ist klar, dass dies trotz bekannter Haushaltslage nicht ohne zusätzliche Investitionen geht. Zum Funktionieren des Rechtsstaates gehört aber auch ein gesetzmäßiger Umgang mit Asservaten. Die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass dies durch Justiz und Polizei gewährleistet werden kann, ist Auftrag der Politik.
Der geschäftsführende Landesvorstand
7. Juli 2025