Beihilfe-Tipp

22.04.2020

Pauschaler Kürzung der Beihilfe bei Erhebung des 3,5-fachen Satzes nach GOZ widersprechen
Bruno Glätsch - Pixabay

Jeder hat vielleicht schon einmal diese Mitteilung in seinem Beihilfebescheid von der Beihilfestelle erhalten:

„Eine Überschreitung des Schwellenwertes (1,0 – 2,3-facher Satz) ist nur in besonders schwierigen Fällen zulässig, die von der Masse der Behandlungsfälle abweicht.
Die von Ihnen angegebenen Begründungen lassen einen solchen Ausnahmefall nicht erkennen. 

Die Schwierigkeit ist mit dem 2,3-fachen Satz bereits abgedeckt. 

Es steht keine weitere Beihilfe zu.“

Nach uns vorliegenden Fallschilderungen ist es offenbar geübte Praxis der Beihilfestelle, die Faktoren oberhalb von 2,3 - ohne jede Rückfrage oder nähere Klärung - zu kürzen. 

So wird beispielsweise die zahnärztliche Vergütung nach § 5 GOZ grundsätzlich nur bis zum 2,3-fachen Satz der GOZ beihilferechtlich als angemessen angesehen, allerdings mit der Ausnahme, dass die Überschreitung durch besondere, über das gewöhnliche Maß hinausgehende Umstände begründet ist. 

In einem aktuellen Fall – Erstattung von Kosten der Zahnbehandlung - wurden die Begründungen in der Zahnarztrechnung, welche die über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Umstände beschreiben, von der Beihilfestelle nicht berücksichtigt.

Die Beihilfestelle kürzte pauschal, ohne bei einer einzelnen Position individuell und einzelfallbezogen den Kürzungsgrund darzustellen. Anhand des Beihilfebescheides war somit die Vornahme einer Einzelfallprüfung zu den Positionen nicht zu erkennen, dem Beihilfebescheid war auch keine Anlage mit Begründung beigefügt. Die Ablehnung der Beihilfeleistungen war demnach inhaltlich unbestimmt und einzelpositionsbezogen nicht nachvollziehbar. 

Es fehlte auch jede Darstellung der Beihilfestelle, inwieweit die in der Rechnung angegebenen Begründungen für das Überschreiten des sog. Schwellenwertes von 2,3 unzureichend waren. Darüber hinaus wurde nicht konkretisiert, wieso die Berechnung der erbrachten Leistungen nicht durch individuelle und patientenbezogene Gründe gerechtfertigt sind, oder wieso die erbrachten Leistungen nur den Durchschnitt der zu erwartenden Schwierigkeiten abbildeten.

Der Rechnungssteller (Zahnarzt) konnte ohne konkretere Aussagen der Beihilfestelle keine Nachbegründung zu seinen Begründungen erstellen. 

Gegen den ablehnenden Bescheid der Beihilfestelle wurde Widerspruch erhoben. 

Daneben wurden Stellungnahmen der Ärztekammer des Saarlandes eingeholt. Bezüglich der Bemessung der Gebührenhöhe teilte die Ärztekammer des Saarlandes u.a. mit:

„Die Höhe der einzelnen Gebühr bemisst sich gemäß § 5 Abs. 1 und 2 GOZ nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Schwierigkeit der einzelnen Leistung kann auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein. Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, haben hierbei außer Betracht zu bleiben. Der 2,3fache Gebührensatz bildet die nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche Leistung ab, so § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ.

Die Festlegung des Verordnungsgebers steht im Gegensatz zur Behauptung des Landesamtes für Zentrale Dienste, wonach eine Überschreitung nur in besonders schwierigen Fällen zulässig sei. Richtig ist vielmehr, dass schon die über dem durchschnittlichen Zeitaufwand und Schwierigkeitsgrad liegende Leistung mit einem höheren Faktor als dem 2,3-fachen berechnet werden darf.

…. Die Beihilfestelle gibt in Ihrem Schreiben an „die Begründungen lassen einen solchen Ausnahmefall nicht erkennen". Dabei unterstellt sie fälschlicherweise, dass die Schwierigkeit „mit dem 2,3-fachen Satz bereits abgedeckt sei". Dies ist nach § 5 Abs. 2 GOZ nicht der Fall.“

Im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens wurde durch eine Zahnärztin des Gesundheitsamtes ein Gutachten erstellt. Das Gutachten war letztlich im Widerspruchsverfahren unbrauchbar, da es lediglich auf objektive Behandlungsmethoden und nicht auf die subjektiven Umstände des Patienten einging. Die amtsärztliche Untersuchung war jedoch Grund für die Ablehnung des Widerspruchs. 

Durch eine zweite Stellungnahme der Ärztekammer des Saarlandes sowie einer Zusatzbegründung des Rechnung stellenden Zahnarztes, nachdem die Beihilfestelle endlich ihre Begründung für die Nichtanerkennung der erhöhten Rechnungssätze geliefert hatte, wurde dem Widerspruch abgeholfen und es erfolgte die Nachzahlung des eingereichten Rechnungsbetrages.

Das Verfahren zog sich über mehr als neun Monate hin. Es zeigt aber auch, dass Ausdauer und Hartnäckigkeit bei der Durchsetzung seiner berechtigten Forderungen durchaus auch zum Erfolg führen können.

Die abschließenden Tipps aus dem vorliegenden Fall:

1. Beihilfebescheide genau prüfen

2. Gebührensätze (über den 2,3fachen Satz hinaus) prüfen

3. Prüfen, ob in der Rechnung Begründungen enthalten sind

4. (wenn ja) Einreichen bei der Beihilfestelle

5. Bei pauschalen Kürzungen auf den 2,3-fachen Satz Widerspruch einlegen, 

Möglichkeit zur Nachbegründung nutzen.

6. Zunächst Widerspruch innerhalb eines Monats, Begründung kann später übersandt werden!

7. Die Beihilfestelle dazu bringen, dass sie mitteilt, was an den Begründungen des Arztes nach ihrer Meinung nicht ausreichend ist!

8. Insistieren und mit Anwalt drohen! Termine setzen!

9. Die Beihilfestelle geht nie auf die Argumente des Widerspruchsführers ein! Immer wieder schreiben und nicht aufgeben!

10. Wenn es zur Gutachtenerstellung (beim Gesundheitsamt) kommt, mitmachen und zur Klärung beitragen! Keine Aussagen beim Gesundheitsamt machen. Die Bewertungen der Gutachter des Gesundheitsamtes erwecken den Eindruck einer eher einseitigen Betrachtung.

11. Wenn das Gutachten von der Beihilfe zur Ablehnung von Forderungen genutzt wird, das entsprechende Schreiben an den rechnungsstellenden Arzt senden!

12. Auch wenn es nach Aussage der Zahnärztekammer des Saarlandes falsch ist, nur patientenbezogene Schwierigkeiten zu berücksichtigen, den Arzt auffordern entsprechende Nachbegründungen zu erstellen.

13. Nie aufgeben! Keine Angst! Die Beihilfestelle wird es nicht zum Urteil kommen lassen, weil dies für sie gefährlich werden könnte. Das Beispiel zeigt es eindeutig.

14. Notfalls Rechtsschutz in Anspruch nehmen! 

Peter Weyand
Beisitzer Beihilfe im Landesvorstand

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