Bekämpfung des Wohnungseinbruchs ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe!

03.06.2014

So hoch wie 2013 war die Zahl der Wohnungseinbrüche seit 15 Jahren nicht mehr. Der Anstieg allein seit 2008 beträgt rund 40%. Die ungebrochene Entwicklung kam aber nicht ganz überraschend und war abzusehen. Auch wenn der Wohnungseinbruch aufgrund der Tatumstände ein klassischerweise eher schwer zu bekämpfendes Delikt ist, kann man auch diesem Phänomen begegnen. Wenn man denn wirklich möchte.
Bekämpfung des Wohnungseinbruchs ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe!

Das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger wird durch einen Wohnungseinbruch nachhaltig und erheblich beeinträchtigt. Einige Opfer verspüren noch jahrelang nach einem Einbruch psychische Beeinträchtigungen oder ziehen sogar in eine andere Wohnung. Polizeiliche Maßnahmen sind bei der Bekämpfung des Wohnungseinbruchs aber nur zu einem sehr geringen Teil erfolgreich. Die Polizei kann aufgrund der oftmals vorherrschenden defizitären Rahmenbedingungen  insgesamt nur wenig Verfolgungsdruck aufbauen, um auf potentielle Wohnungseinbrecher an tatrelevanten Orten einwirken zu können.

Polizeikonzepte, wie „Riegel vor“ in NRW, sind maximal ein Baustein bei der Bekämpfung des Einbruchsdiebstahls. Dass die bisherigen Konzepte kaum wirken, spiegelt sich in der relativen Erfolglosigkeit wider. Hektische polizeiliche und politische Aktivitäten und ein "weiter wie gehabt" sind nicht ausreichend, um das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger in diesem sensiblen Deliktsbereich zu erhöhen.

Eine uniformierte und zivile polizeiliche Präsenz ist ebenso notwendig wie kriminalistisch ausgebildetes Personal für eine qualifizierte Tatort-, Ermittlungs- und Analysearbeit. Neben einer schnellen, operativen Lageauswertung verbunden mit qualifizierten, anforderungsbezogenen Fahndungs- und Observationsmaßnahmen und der weitestgehend zentralisierten deliktsbezogenen Ermittlungen durch geschulte Einbruchssachbearbeiter, können insbesondere schnelle Untersuchungsergebnisse zu Tatortspuren zur Tataufklärung beitragen. Die notwendigen personellen und materiellen Ressourcen fehlen aber an allen Ecken und Kanten. Die demografische Entwicklung und die anstehende Pensionierungswellen werden die Situation gerade bei der Kriminalpolizei bereits in naher Zukunft sogar noch deutlich verschärfen.

Oft hört man aus Politikkreisen, von sogenannten Innenexperten, gerade nach einem besonders spektakulären und medial aufbereiteten Fall, als Antwort auf die Frage, was bei der Kriminalitätsbekämpfung wirklich helfen würde, immer noch die Forderungen nach mehr und nach härteren Strafen und ein unverzügliches Aburteilen von Tatverdächtigen. Ihre Forderungen, die zwar am Stammtisch und bei den Medien gut ankommen, sind aber längst wissenschaftlich als wirkungslos oder gar kontraproduktiv belegt.

Ein Grund für die ansteigenden Einbruchszahlen ist das extreme Armutsgefälle in Europa, aber auch innerhalb Deutschlands. Mit zunehmender Öffnung der Schere zwischen arm und reich werden auch die Eigentumsdelikte weiter ansteigen.

Die Ursachen für einen Wohnungseinbruch, wie auch bei anderen Eigentumsdelikten, liegen in den sozialen Rahmenbedingungen. Daher müssen präventive Maßnahmen auch genau bei diesen Rahmenbedingungen ansetzen. Der empirisch nachgewiesene Zusammenhang zwischen sozialen Problemen und Kriminalitätsbelastung muss akzeptiert werden. Zudem bewirkt unzureichende Bildung direkt und indirekt  Kriminalität. Mehrere Studien haben bei Eigentumsdelikten eine hohe Korrelation zwischen einem fehlenden Schulabschluss oder einer abgebrochenen Ausbildung und kriminellem Verhalten belegt.

Wohnungseinbrecher sind zum einen Jugendliche und Heranwachsende, die sich so ihre finanziellen Mittel für Dinge beschaffen, für die ansonsten das Geld fehlen würde. Zum anderen handelt es sich beim Wohnungseinbruch oftmals um Beschaffungskriminalität von Drogenabhängigen. Ein großes Problem stellen aber die überörtlich agierenden Täterbanden dar, die für zahlreiche Einbruchsserien verantwortlich sind und oftmals sehr professionell, mittlerweile aber auch zunehmend aggressiv zu Werke gehen und dabei auch in Kauf nehmen, auf die Bewohner zu stoßen.

Es müssen insgesamt mehr Anstrengungen unternommen werden, um die von den Tätern im Vorfeld der Tat vorgenommene Kosten-Nutzen-Analyse zu deren Ungunsten zu verschieben. Aufgrund einer fast überall faktisch nicht oder unzureichend vorhandenen Sachfahndung bleibt veräußerte Tatbeute beim unbehelligten Hehler. Der BDK fordert deshalb schon seit Jahren, die Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten bei An- und Verkaufsgeschäften wieder gesetzlich zu verankern. Ohne diese Verpflichtung sind Ermittlungen in Bezug auf Tatbeute von vornherein erschwert bzw. sogar aussichtslos.

Erfolgversprechende kriminalpräventive Ansätze bietet auch das Baurecht. Erfahrungen in den Niederlanden belegen eindrucksvoll die Wirksamkeit verbindlicher Normen im Bereich des baulichen Einbruchschutzes. Seit 1999 dürfen in den Niederlanden Gebäude nur noch einbruchhemmend gebaut werden. Für Neubauten und bei größeren Renovierungen ist dies seitdem gesetzlich vorgeschrieben. Bei kleineren Neubauten gibt es eine freiwillige Zertifizierung. Hier sind neben baurechtlichen Vorgaben, staatliche Anreiz- und Förderprogramme ebenso ernsthaft zu erwägen, wie die Intensivierung der Gespräche mit der Versicherungswirtschaft, mit der Zielrichtung auch hier Anreizsysteme zu etablieren. Bereits seit 1994 gab es eine Zertifizierung, die beachtliche Resultate hervorbrachte: Die zertifizierten Neu- oder Umbauten reduzierten das Einbruchsrisiko dort von etwa 2 % auf ca. 1 Promille. Die gesamte Einbruchskriminalität ging innerhalb eines 4-Jahreszeitraums um 25 % zurück. Verdrängungseffekte konnten nicht nachgewiesen werden.

Zur intelligenten Bekämpfung des Wohnungseinbruchs bedarf es eines ganzheitlichen, interdisziplinären Ansatzes sowie eine deutlich strukturiertere Zusammenarbeit, Vernetzung und Kooperationen der verschiedenen Akteure. Die Polizei ist dabei nur ein Player von vielen.

Diese Erkenntnisse werden nur oftmals leider ignoriert. Politiker denken zu oft nur in Schlagzeilen und handeln nicht strukturell und nachhaltig. Mit Repression werden lediglich Symptome bekämpft, nicht aber die eigentlichen Ursachen für Kriminalität. Die Kriminalpolitik scheint taub für das theorie- und empiriefundierte Wissen, das von der Kriminologie und anderen wissenschaftlichen Disziplinen längst erarbeitet und der Politik zur Verfügung gestellt worden ist.

Die Politik muss die notwendigen Rahmenbedingungen dafür schaffen, damit die Polizei ihrem wichtigen Anteil an der Präventionsarbeit nachkommen und ihrem Auftrag gerecht werden kann. Das kostet Geld. Aber Kriminalität ist volkswirtschaftlich immer teurer als die Kosten für die Kriminalitätsbekämpfung. Jeder Euro, der in die richtigen (!) Präventionsmaßnahmen gesteckt wird, ein gut angelegter Euro. Kriminalprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und ein wesentliches Ziel der Kriminalpolitik. Aber die von Wissenschaft und Praxis geforderte verstärkte Hinwendung der Politik zur Kriminalprävention und deren nachhaltigem Ausbau hat bisher nicht im erforderlichen Ausmaß stattgefunden, speziell auf Bundesebene nicht.

Der BDK fordert des Weiteren dazu auf, die Kriminalprävention dadurch zu unterstützen, dass ein organisatorisch, personell wie finanziell zumindest ausreichend ausgestattetes „Nationales Zentrum für Kriminalprävention“ eingerichtet wird. Zu diesem könnte die Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK) ausgebaut werden, die bisher leider weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.

 

 

André Schulz
Bundesvorsitzender