Benötigt NRW eine Polizeireform?

01.04.2019

Das Organisationsmodell der Polizei NRW, fehlendes Personal, Belastungen durch ein Mehr an Aufgaben und eine veraltete Ausbildung. Ein Zustandsbericht.
Benötigt NRW eine Polizeireform?
Quelle: Land NRW, IM

NRW heute:

Es gibt 47 Kreispolizeibehörden in NRW. 18 davon sind Polizeipräsidien in denen der Polizeipräsident Leiter der Behörde ist, in 29 werden sie vom örtlichen Landrat als Polizeichef geführt. Dazu kommen noch 3 Landesoberbehörden.

 

"Die Polizeiorganisation in NRW ist historisch gewachsen. NRW ist das letzte deutsche Bundesland mit einer derart unübersichtlichen Struktur. Ich gehe jede Wette ein, dass auch der Innenminister auswendig nicht weiß, wer genau in NRW für die Bearbeitung welches Deliktes zuständig ist.“ sagt Sebastian Fiedler.

 

Die Organisationsstruktur ist in unterschiedlichsten Verordnungen und Erlassen geregelt.

Das alleine ist schon ausreichend kompliziert. Dann hat die Landesregierung, als eine der ersten Maßnahmen, die Zuständigkeiten bei der Bearbeitung von Delikten der Beschäftigten weiter durcheinandergewirbelt.

Und jetzt werden Debatten über die Bearbeitungszuständigkeiten für islamistische Gefährder, die Kinderpornografie, rückfallgefährdete Sexualtäter oder bestimmte verdeckte Ermittlungsmethoden geführt.

 

Landräte sind keine Sheriffs:

Das Modell "Landrat als Polizeichef“ wirkt überholt. Diese werden nicht wie Sheriffs in den USA in ihr Amt gewählt, sondern durch die Kommunalwahlen in NRW. Die Aufgabe als Chef der Polizei war dabei noch nie Gegenstand von Kommunalwahlen. Dort stehen kommunalpolitische Themen im Vordergrund.

Es gibt kein sachliches Argument dafür, dass es in NRW zwei Sorten Polizeichefs gibt. Sie beraten sich in völlig unterschiedlichen Arbeitsgruppen und Zirkeln. Polizeipräsidenten sind politische Beamte, die im Extremfall in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können. Auf Landräte hingegen hat der Innenminister nur einen eingeschränkten Einfluss.

 

Arbeitsbelastung, Personalmangel und ein überholtes Ausbildungsmodell:

Die Kriminalpolizei in NRW befindet sich derzeit auf einem historischen Tiefpunkt. Die Zukunftsaussichten sind düster. Von den Erhöhungen der Einstellungszahlen wird die Kripo aufgrund des antiquierten Ausbildungsmodells erst nach Jahren profitieren.

Gleichzeitig steigen schon heute Aufgaben und Anforderungen.

Neben der Kriminalitätsbekämpfung, gehört auch die Gefahrenabwehr immer stärker zu den Aufgaben der Kripo, wie beispielsweise die steigende Zahl rückfallgefährdeter Sexualstraftäter sowie islamistischer und rechtsextremer Gefährder zeigt.

Aber auch in klassischen Aufgaben, wie Vermisstensachbearbeitung und Todesermittlung steigt die Vorgangsbelastung. Viele Fälle von Cyberkriminalität oder Betrug zum Nachteil älterer Menschen finden sich in der polizeilichen Kriminalstatistik bislang nicht. Immerhin sollen die Zahlen ab diesem Jahr erfasst werden.

Ebenso wenig entdeckt man dort die derzeit massiv steigende Zeitbelastung durch die Einführung eines lange überfälligen neuen Vorgangsbearbeitungssystem. Dies belastet die Kolleginnen und Kollegen zurzeit massiv, da es nicht ausgereift ist.

 

Schlechte Rahmenbedingungen der Arbeit steigern die Fehleranfälligkeit einer jeden Organisation.

Wir werden in der Zukunft noch häufiger darüber lesen und diskutieren müssen.

 

Null Toleranz:

Forciert ausgerechnet der Innenminister Reul ein Klima der Angst innerhalb der Kripo? Wer fachliche Fehler macht oder mit der Arbeitslast nicht klarkommt, muss damit rechnen, sofort ein Disziplinarverfahren oder gar ein Strafverfahren an den Hals zu bekommen. Der Innenminister nennt das: „Null Toleranz auch nach innen“. Eine solch rückständige Fehlerkultur, bei der der Chef die Rahmenbedingungen für die hohe Fehleranfälligkeit selbst setzt, erinnert viele Kolleginnen und Kollegen der Kripo derzeit an Sklavengaleeren. 

 

Der ungeschönte Befund und ein Ausblick:

Die Kripo in NRW liegt ziemlich am Boden. In einer solchen Situation wäre es aber unseriös zu glauben, dass eine Neuorganisation der NRW-Behörden in mehrere gleich großen und gleich fähige Polizeipräsidien problemlos umzusetzen sei. Vorhandenen Probleme löst dies nicht.

 

Die Polizei NRW ist nicht von heute auf morgen komplett umzuorganisieren.

Erfolgreich können derartige Ansätze allenfalls sein, wenn es zeitgleich mit einer Neuorganisation zu einem erheblichen Personalaufwuchs in der Kripo kommt.

Der BDK NRW hat deshalb eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die zur Frage der Zuständigkeit und Organisation der NRW-Kriminalpolizei in wenigen Wochen Vorschläge unterbreiten wird.