Besondere deutsche Verantwortung für Schutz von Afghaninnen und Afghanen

19.08.2021

„Freunde, so heißt es, erkennt man in der Not.“ So sprach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeyer aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums deutsch-afghanischer Freundschaft im August 2016.
Besondere deutsche Verantwortung für Schutz von Afghaninnen und Afghanen

Sechs Jahre später erlebt der Westen ein außen- und sicherheitspolitisches Fiasko. Nach Corona und Flut werden auch die dramatischen Bilder aus Afghanistan den aktuellen Bundestagswahlkampf mitbestimmen.

Die westliche Gemeinschaft hat offensichtlich die Situation völlig falsch eingeschätzt und durch den überhasteten Abzug das ohnehin brüchige afghanische Kartenhaus zum Blitzkollaps gebracht. Während die Rückkehr zum Chaos nach einem Abzug von Geld und militärischer Stärke vorauszusehen war, kann allenfalls die unglaubliche Geschwindigkeit, in der das passierte, überraschen. Das dem erwarteten Chaos jedoch weder im Hinblick auf eine rechtzeitige Evakuierung eigener Landsleute oder der sogenannten Ortskräfte oder anderer gefährdeter Menschen ausreichend Rechnung getragen wurde macht besonders jene fassungslos, die in Afghanistan als Aufbauhelfer/-innen, als NGO, als Soldaten/-innen oder als Polizisten/-innen gearbeitet haben.

Für die deutsche Polizei war das Engagement in Afghanistan, vorwiegend im Projekt GPPT[1], auch bei EUPOL[2], das umfangreichste Projekt der Geschichte.
Wir haben Lehrpläne mitgestaltet, Handwerkszeug vermittelt, über den Inhalt der Menschrechte gesprochen und gestritten, Brücken geschlagen zwischen Menschenrechtsaktivisten und der Polizei, community policing trainiert und vieles mehr. Wir hatten an vielen Stellen kleine Erfolge und erhoben Anspruch auf Nachhaltigkeit.
Tausende mit deutscher Unterstützung ausgebildete afghanische Polizisten haben über die Jahre bereits ihr Leben gelassen – ein Aspekt der unter dem Eindruck der Kapitulation vor den Taliban völlig unbeachtet bleibt. Diese Männer und Frauen starben auch beim Schutz deutscher Polizisten/-innen.

In einer über zwanzig Jahre andauernden Aufbaumission wachsen Beziehungen zu Ortskräften, in einigen Fällen auch zur Bevölkerung und natürlich zu den Polizistinnen und Polizisten die wir ausgebildet oder beraten haben.

Die Taliban haben angeblich Sicherheitsgarantien für diese Menschen abgegeben. Es stellt sich die Frage, warum sie als eine ihrer ersten Maßnahmen die Akten und Computer der afghanischen Kommission für Menschenrechte beschlagnahmt haben. Zum Schutz der Menschenrechtler/-innen?  Wohl kaum.

Der Westen, also neben den USA und der NATO auch Deutschland hat über das Fiasko in Afghanistan Glaubwürdigkeit verspielt und sich nicht nur in den Augen der Islamisten als schwach und angreifbar erwiesen. Es ist zu erwarten, dass in Afghanistan die nächste Generation von Terroristen trainiert und ein sicherer Rückzugsraum für Djihadisten entstehen wird. Die mit dem Sieg der Taliban einhergehende Propaganda wird weitere Gotteskrieger ins Land locken und andere Länder, wie Mali oder Burkina Faso weiter destabilisieren.

Wer etwas verspricht und nicht nachhaltig liefert, verliert Vertrauen. Damit hat Afghanistan auch Folgen für andere Einsätze und die Reputation und Sicherheit deutscher polizeilicher Ratgeber in anderen Staaten.

Wir sollten eine sachliche und selbstkritische Überprüfung der Prinzipien deutscher Polizeimissionen durchführen, nicht nur in Afghanistan.

[1] Bilaterales D/Afg Projekt: German Police Project Team

[2] European Union Police Mission in Afghanisan