"Bots, Fakes und Trolle"

05.07.2017

Das weite Feld der Netzpolitik hatte die FDP/DVP-Fraktion zum Thema ihres Foyer Liberal "Bots, Fakes und Trolle" am 1. Juli 2017 im Stuttgarter Landtag gemacht. +++ Für den BDK BW nahm dessen Landesgeschäftsführer Steffen Mayer teil.
"Bots, Fakes und Trolle"

Der Themenschwerpunkt lag auf den aktuellen Erfahrungen zu Bots, Fakes und Trollen und im Fokus stand hierbei zudem die Frage, ob man politische Willensbildung neu denken muss.

In seiner Begrüßung erwähnte Fraktionsvorsitzender Dr. Rülke (MdL), dass alternative Fakten auch im Landtag Baden-Württemberg derzeit ein Thema wären, nicht nur in Übersee. Unsere Nutzung der Neuen Medien insbesondere auch der Social Media-Angebote verändere nachhaltig unser ganzes Leben und Arbeiten. Durch die etwa zweistündige Podiumsdiskussion führte dann sein FDP-Kollege Dr. Kern (MdL), der Fraktionssprecher für Digitalisierung.

  • Konstantin Fleming, Social-Media Journalist und Filmemacher bei ZDF Digital,
  • Martin Fuchs, Politik- und Digitalberater,
  • Sebastian Nerz, Computerforensiker und Diplominformatiker,
  • Ann Cathrin Riedel, Founder & Managing Director der Agentur UP DIGITAL MEDIA sowie
  • Karolin Schwarz, Gründerin von hoaxmap.org,

berichteten den knapp 100 Gästen dann ihre eigenen Erfahrungen mit den derzeitigen Entwicklungen. Dabei war das Podium sich in den meisten Fragen einig und sehr homogen besetzt.

So war deutlich vernehmbar, dass einer Selbstregulierung des Internets und seiner Kräfte der grundsätzliche Vorrang vor staatlichem Handeln gegeben werden sollte. Dabei darf es nicht verwundern, dass das jüngst im Bundestag verabschiedete Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) nicht auf vollständige Zustimmung bei den PodiumsteilnehmerInnenn stieß – wenngleich der ein oder die andere durchaus anmerkte, dass es nicht völlig ohne Regulierung gelingen wird, sich den aktuellen Herausforderungen zu stellen.

Instrumente, die das NetzDG vorsieht, wie die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten, sind aus Sicht des BDK zu begrüßen, ist es gerade bei US-amerikanischen Dienstanbietern häufig schwierig, in Rechtsfragen in Kontakt zu treten. Das NetzDG war dann auch das einzige Rechtsthema, das in der moderierten Veranstaltung angeschnitten wurde, obwohl aktuelle Entscheidungen z. B. durch das OVG Nordrhein-Westfalen zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung durchaus Stoff für mehr Diskussionen geboten hätten.

Die PodiumsteilnehmerInnen lobten hingegen nicht-staatliche Initiativen, wie die sogenannte „Netzfeuerwehr“, die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ins Leben gerufen worden ist und gegen Falschmeldungen im Netz vorgeht. Auch um Beleidigungen oder störende Trolle könne man sich weitgehend selbst kümmern. Weiterhin gäbe es Meldestellen im Netz, an die man sich wenden könne. Die Polizei wäre eine Option, aber man müsse Glück haben, auf welchen Beamten man treffe und ob sich dieser ausreichend mit dieser Form der Kriminalität auskenne.

Der BDK muss dabei konstatieren, dass diese Feststellung leider auch im Jahr 2017 noch teilweise zutreffend ist, wenngleich einige richtige Schritte in Baden-Württemberg unternommen worden sind, um dem Problem mit zielgerichteter Aus- und Fortbildung entgegen zu wirken.

Die Hochschule für Polizei ist in Baden-Württemberg jedoch in einigen Bereichen an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen oder arbeitet in einem Zustand, der darüber hinaus geht. Hohe Einstellungszahlen, die absolut zu begrüßen, aber in der bestehenden Struktur zu bewältigen sind. Der demographische Wandel, der einen hohen zusätzlichen Fortbildungsbedarf bedingt, zum Beispiel durch Pensionierungen von erfahrenen Kriminalistinnen und Kriminalisten, führt die gesamte polizeiliche Aus- und Fortbildung an die Grenzen und stellt mehr als eine einfache Herausforderung dar. Hier muss die Politik schnell handeln, damit die hohe Qualität der Kriminalitätsbekämpfung in Baden-Württemberg in den nächsten Jahren erhalten bleiben kann.

Der BDK ist gerne bereit, konstruktive Vorschläge zu machen und hat dies auch beispielsweise im Projektgruppenbericht „Zukunftsoffensive Kriminalpolizei Baden-Württemberg“ schriftlich niedergelegt.

Ernüchternd war der teilweise geäußerte Blick auf Ermittlungsmaßnahmen oder -instrumente der Polizei – wenngleich das Thema im weiteren Diskussionsverlauf immer nur oberflächlich angerissen wurde.

Während ein Teil der PodiumsteilnehmerInnen Zugeständnisse machte und einsah, dass Ermittlungsinstrumentarien auch technischen Entwicklungen anzupassen wären, war ein anderer Teil der Auffassung, die Polizei verfüge bereits über ausreichend (oder gar zu viele) Daten und auch die Gesetze wären ausreichend.

In der Schlussrunde war es dann dennoch sehr beachtlich, dass mehrere TeilnehmerInnen des Podiums äußerten, dass Polizei und Justiz mehr Personal bräuchten, und zwar in Form von ausgewiesenen Expertinnen und Experten zur Bearbeitung dieser neuen Kriminalitätsformen. Es steht außer Zweifel, dass die Notwendigkeit der Erhöhung des polizeilichen Personals zwischenzeitlich von allen Parteien erkannt worden ist – lediglich in der Umsetzung gibt es dann Schwierigkeiten, so kann man eine ausgebildete Kriminalbeamtin nicht einfach vom freien Stellenmarkt rekrutieren.

Auch entscheiden sich Bewerber bewusst gegen eine Laufbahn bei der Polizei, weil sie derzeit nicht sicher sein können, ob sie in der gegenwärtigen Struktur überhaupt zeitnah in der Kriminalpolizei ankommen – ein Umweg über Bereitschaftspolizei oder Streifendienst ist vielen Grund genug, von einer Bewerbung Abstand zu nehmen.

"Wir brauchen den Direkteinstieg in die Kriminalpolizei und ein verwendungsorientiertes Studium in Baden-Württemberg, das muss auch die Politik einsehen! Davon bin ich überzeugt!" so Steffen Mayer.

Dr. Kern stellte abschließend fest, dass ihn die Vorschläge der Schlussrunde durchaus überraschten, da viele Punkte im Zusammenhang mit dem globalen Netz dem Grundsatz nach nicht im Landtag von Baden-Württemberg, sondern beispielsweise in Berlin oder Brüssel angegangen werden können, aber gerade die Vorschläge für die Bereiche Polizei, Justiz und Bildung klassische Landesthemen wären – insofern eine gelungene Veranstaltung, die sicherlich auch zur politischen (Willens-)bildung beigetragen hat.


Steffen Mayer