Brauchen wir ein schärferes Waffengesetz?

15.08.2023

BDK-Vertreter bei Bundesjägertag. Beitrag von KHK Olaf März, Waffenrechtsexperte des Bund Deutscher Kriminalbeamter, Sachsen-Anhalt
Waffe

Im Rahmen des Bundesjägertages 2023 in Fulda fand am 16.06.2023 eine Podiumsdiskussion unter der Überschrift „Brauchen wir ein schärferes Waffengesetz?“ statt. Der Bundesjagdverband hatte dazu Experten aus verschiedenen Bereichen eingeladen:

  • Dr. Jessica Däbritz, Leiterin der Abteilung KM 51 im Bundesinnenministerium (BMI)
  • Marcel Emmerich, Mitglied des Bundestages
  • Lars Winkelsdorf, Journalist
  • Dr. Christian Graf zu Bentheim, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
  • Ralph Müller-Schallenberg, bis 2023 Vizepräsident des Deutschen Jagdverbandes (DJV)

Ich hatte auf Einladung des Vorstandes des DJV die Gelegenheit, in Absprache mit dem Bundesvorstand die Positionen des BDK und somit der Praxis, sprich insbesondere des polizeilichen Vollzugs, als Vertreter des BDK einzubringen, auch wissend, dass viele unserer Kolleginnen und Kollegen selbst Jäger (oder auch Sportschützen) sind.

Angetreten war ich mit folgender Kernaussage: „Deutschland hat eines der schärfsten Waffengesetze. Das Problem sind nicht Legalwaffen, sondern die illegalen. Deren Bekämpfung ist anspruchsvoll und erfordert Personal. Gesetzesänderungen mit nicht deliktsrelevanten Regelungen gehen am Ziel vorbei.“

Diese Eingangsbemerkung und die Positionierungen in der Veranstaltung wurden bereits in der September-Ausgabe der BDK Fach- und Verbandszeitschrift „DER KRIMINALIST“ veröffentlicht. Die Darstellung endete mit der ersten Positionierung von Frau Däbritz aus dem Bundesinnenministerium, die Folgediskussionen sind hier auf der Homepage des BDK nachlesbar.

Der Präsident des Deutschen Jagdverbandes – Waffen unverzichtbares Werkzeug für Jäger

Die Veranstaltung begann mit den einführenden Worten des neu gewählten Präsidenten des Deutschen Jagdverbandes, Herrn Dammann-Tamke, der die Waffen als unverzichtbares Werkzeug für Jäger charakterisierte und forderte, in Anbetracht der Überlastung der Waffenbehörden die Kraft auf die Bekämpfung der illegalen Waffen zu richten. Er verkündete aber auch ein klares Ja zu notwendigen Kontrollen und Überwachungen von Waffenbesitzern. Verschärfungen würden allerdings nur die Legalwaffenbesitzer treffen und nicht diejenigen, die sich ohnehin nicht an die Regeln halten. Viele Kapazitäten würden für die Kontrolle des Legalwaffenbesitzes verwendet und nicht wie notwendig zur Bekämpfung des illegalen Besitzes. Im Übrigen müssten die legalen Waffenbesitzer, insbesondere die Jäger und Sportschützen, zusammenstehen, da sie in einem Boot sitzen. Der Deutsche Jagdverband beteiligt sich daher auch an der gegenwärtig laufenden Evaluation des Waffengesetzes beteiligen. Zu dieser gehöre aber auch eine Analyse, wie es zu den einzelnen schweren Straftaten gekommen sei und wie oder ob diese überhaupt zu verhindern gewesen wären. Angeregt wurde dazu ein sogenannter Waffengipfel mit allen Beteiligten.

Grußbotschaft Christian Lindner – Skepsis gegenüber Waffenrechtsverschärfungen

Anschließend übernahm der Moderator der zweistündigen Veranstaltung, der Journalist Michael Brocker, das Mikrofon. Es wurde jedoch zunächst eine Grußbotschaft des Bundesfinanzministers Christian Lindner, die gleichzeitig auch eine Positionierung darstellte, per Video eingespielt.

Bei den Aufgabenstellungen zum Thema Jagd gäbe es einige aktuelle Entwicklungen, so Lindner. So sei beispielsweise das Wolfsmanagement aktuell zu überdenken. Es bestünden aktuelle Herausforderungen bezüglich des notwendigen Umbaus der Wälder vor dem Hintergrund der Klimafolgen. In dem Zusammenhang spielten aber auch überschießende Forderungen zum Wild eine Rolle. FDP-Politiker Lindner bekräftigte die wichtige Rolle der Jäger bei der Hege, die ein eigener Bestandteil des Artenschutzes sei. Jäger identifizierte er als nicht die richtigen Adressaten von Waffenrechtsverschärfungen, da illegale Waffen das Problem seien und nicht die legalen. Nach entsprechenden Gewalttaten seien zwar immer wieder spontane Forderungen nach Verschärfungen zu hören. Aber Legalwaffenbesitzer seien die gesetzestreuesten Bürger und das Problem seien illegal in Gebrauch genommene Waffen und nicht Jagdwaffen. Vor spontanen Verschärfungen müssten die gesetzlichen Grundlagen sauber evaluiert und Entscheidungen auf einer echten statistischen und wissenschaftlichen Grundlage getroffen werden und keine Vorverurteilungen oder ideologische Festlegungen erfolgen, in denen es nicht um mehr Sicherheit, sondern nur um bestimmte gesellschaftspolitische Ziele gehe. Das entspreche auch dem Koalitionsvertrag. Vertragstreue sei ihm wichtig.

Diskussion zum Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Michael Brocker leitete sogleich mit der Frage in die Diskussionsrunde über, wie denn nunmehr der aktuelle Stand des Gesetzgebungsverfahrens sei. Man erinnere sich zuvor an die Ausgangslage: Anfang Januar kursierte plötzlich ein (nicht autorisierter, gleichwohl aber authentischer) Referentenentwurf für ein neues Waffengesetz im Internet, der für einige Unruhe und sogar Unterschriften- und Onlineaktionen von verschiedenen Verbänden sorgte.

Frau Dr. Däbritz vom BMI sagte dazu, es habe sich dabei um einen (noch) internen Entwurf gehandelt, der insofern noch in Abstimmung mit der Regierungskoalition gewesen sei. Eine Evaluierung der Änderungen der letzten Jahre sei im Übrigen im Koalitionsvertrag vereinbart gewesen. Die beabsichtigten Änderungen zielen auf die Entwaffnung von Extremisten und Terroristen sowie psychisch Kranken ab. Dazu sei auch der Informationsaustausch zwischen den Behörden zu verbessern und die Waffenbehörden besser zu befähigen. Auch sei beabsichtigt, den Vorfall in Hamburg2 mit in die Änderungen einzubeziehen. Insofern sei der kursierende Entwurf auch diesbezüglich nicht der aktuelle Stand. Auf jeden Fall würde sich das Waffengesetz mit seinen Änderungen nicht gegen Jäger und Sportschützen richten. Aufgabe sei es vielmehr, die missbräuchliche Waffenverwendung zu verhindern. Dabei seien Legalwaffenbesitzer zwar grundsätzlich unbescholten. Erstantragsteller sollten aber trotzdem noch intensiver geprüft werden können. Daher soll die bestehende Regelung, wonach Personen unter 25 Jahren für den Erwerb der meisten Schusswaffen zuvor auf eigene Kosten ein psychologisches oder fachärztliches Gutachten vorlegen müssen, auf alle Personen ausgedehnt werden. Die bereits erwähnte Evaluation liefe aber derzeit noch. Diese beziehe sich aber (nur) auf die Waffenrechtsänderung 2020, wobei die nunmehr geplante Begutachtung darin noch nicht enthalten gewesen sei. Auf Nachfrage hieß es, die Zeitschiene der beabsichtigten Novellierung sei noch nicht klar.

Weiterer Diskussionsverlauf

Der Bundestagsabgeordnete der Grünen Emmerich freute sich darauf, bei dieser Gelegenheit einmal – wie er sagte – sachlich und in der nötigen Breite darüber zu diskutieren, was eigentlich beim Waffenrecht zu tun oder nicht zu tun sei. Denn in aller Regel würde über das Waffenrecht gesprochen, wenn etwas Schlimmes passiert sei. Dann entstehe der Eindruck, manche politische Position, Parteien oder Fraktionen – so auch seine – würden nur laut nach Waffenrechtsverschärfungen schreien. Er selbst stehe eher für Entbürokratisierung und Verschlankung, aber es seien auch Verschärfungen notwendig. Das betreffe beispielsweise die Entwaffnung von Verfassungsfeinden, aber auch den Vollzug, wo Nachholbedarf bestehe. Da müssten Bund und Länder zusammenarbeiten. In der Koalition bestehen unterschiedliche Sichtweisen. Andererseits sei im Koalitionsvertrag vereinbart, zu evaluieren, Verfassungsfeinde zu entwaffnen, Informationsflüsse zu verbessern und ein Erlaubnisvorbehalt bei SRS-Waffen.3 Er gab zu, Waffenrecht sei ein sehr emotionales Thema, aber vielleicht nicht so emotional wie das Heizungsthema. Der Moderator fragte nach, ob nunmehr auch hier durch die FDP wieder ausgebremst werden würde? Herr Emmerich meinte, es gehe zwar momentan nichts, aber es müssten weiter Gespräche geführt werden. Änderungen im parlamentarischen Verfahren seien üblich. Die Radikalisierung sei gestiegen. So seien phänomenübergreifend politische Straftaten von 2021 zu 2022 um sieben Prozent auf fast 59.000 Taten gestiegen. Waffen dürften nicht in die falschen Hände geraten. Daher seien die Waffenfunde bei einer rechtsextremen Gruppierung, die Umsturzpläne hatte, erschreckend. Aber dabei sollten Jäger oder Sportschützen nicht an den Pranger gestellt werden.

Herr Müller-Schallenberg als scheidender Vizepräsident des Deutschen Jagdverbandes, Ehrenpräsident des Jagdverbandes Nordrhein-Westfalen und aktiver Rechtsanwalt bemängelte, der letzte Referentenentwurf sei unter Missachtung des Koalitionsvertrages ohne eine Evaluierung entstanden. Auch der DJV sei zur derzeitigen Evaluierung angeschrieben worden und werde antworten, aber die Fragen seien nicht umfangreich und detailliert genug und sie seien auch Behörden geschickt worde, von denen man aus der Vergangenheit wisse, dass zwei oder drei Behörden sich beteiligen, aber das Ergebnis als Meinung aller dargestellt wird. Beispielsweise sei die Verhältnismäßigkeit bei den sog. Wohlverhaltensfristen zu prüfen. Die Fristen seien zu lang und die Verhältnismäßigkeit daher nicht gegeben. Kleinere Verstöße würden zu einer (oft zu) langen Unzuverlässigkeit führen. Als Beispiel führte er die einzelne vergessene Patrone in der Jackentasche an, die bereits zur Unzuverlässigkeit führe. Es bedürfe daher einer Abstufung bzw. Differenzierung insbesondere bei Verwahrungsverstößen. Man müsse über die Dauer reden, denn bei Verbrechen sei man mindestens zehn Jahre und bei sonstigen Straftaten ab 60 Tagessätzen mindestens fünf Jahre unzuverlässig, bei Ordnungswidrigkeiten aber null bis fünf Jahre. Im Regelfall würden die Waffenbehörde im Fall der vergessenen Patrone auf fünf Jahre Unzuverlässigkeit drängen. Aus seiner Sicht sei der Gesetzgeber gefordert, den Waffenbehörden eine Staffelung an die Hand zu geben, da der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Artikel 20 Grundgesetz sonst nicht gewahrt sei.

Online wurde eine Frage gestellt, die in die gleiche Richtung ging, nämlich wie die Sanktionierung von geringeren Verstößen maßvoller gestaltet werden könnte?

Frau Dr. Däbritz antwortete, diese Möglichkeiten gäbe es schon, dies sei vor allem eine Frage des Vollzugs. Einen Kasuistikkatalog hält sie für kaum machbar, für alle Einzelfälle sei dies auch nicht möglich. Waffenbehörden könnten auch jetzt schon minderschwere Fälle entsprechend behandeln, aber diese vertreten auch weiterhin teilweise unterschiedliche Auffassungen und treffen entsprechende Entscheidungen. Im Übrigen dürfe eine einzelne Patrone nicht zur Unzuverlässigkeit führen. Ihr sei auch kein entsprechender Fall bekannt.

Herr Müller-Schallenberg positionierte sich klar, dass Waffen nicht in die Hände von Kriminellen, Terroristen und Reichsbürgern gehören. Eine Verschärfung sei aber nicht nötig, da das bestehende Gesetz bereits alle Möglichkeiten zum Einschreiten bietet. Die Vernetzung von Behörden und Informationsaustausch seien sinnvoll. Aber seit 2003 hängt die jagdrechtliche Zuverlässigkeit an der waffenrechtlichen, weiterer Regelungen bedürfe es daher nicht.

Als BDK-Vertreter habe ich zunächst klargestellt, dass die Legalwaffen nicht das Problem für die Polizei sind, auch wenn es immer mal wieder auch medial und reflexartig begleitete Fälle geben würde, in denen Legalwaffen eine Rolle gespielt haben. Die Frage sei, wie auch solche Fälle verhindert werden könnten. Mit Verweis auf die letzte Waffengesetzänderung helfen sehr fragwürdige Regelungen dabei allerdings nicht.
Wie schon in der Gesetzes-Präambel postuliert, sollte mit dem aktuellen Waffengesetz die Terrorismusbekämpfung u.a. durch ein Verbot von Magazinen mit größerer Kapazität erreicht werden. In der Gesetzesbegründung steht allerdings auch, dass das Verbot nicht sanktioniert werden soll, „da aus polizeifachlicher Sicht von derartigen Magazinen keine besondere Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.“4 In der Polizeilichen Kriminalstatistik wird übrigens alles in einen Topf geworfen werden, da der Deliktsschlüssel 726200 alle Straftaten gegen das Waffengesetz ohne Differenzierung umfasst. So kann beispielsweise ein illegaler Waffenhandel mit 100 Waffen genauso nur als Verstoß gegen das Waffengesetz erfasst werden wie ein Verstoß mit einer Softairwaffe, der sich nach Begutachtung vielleicht sogar als nicht unter das Waffengesetz fallend darstellt, sofern die Energie unter 0,5 Joule liegt. Außerdem: Die Rechtsvorschriften werden in Deutschland immer kleinteiliger und das Waffengesetz mittlerweile alle drei, vier Jahre geändert. Selbst Fachleute haben mittlerweile Verständnisprobleme und der einfache Bürger dann ohnehin keine Chance. Rechtliche Möglichkeiten zur Bekämpfung illegaler Waffen und deren Einziehung bestehen zwar grundsätzlich bereits, aber die Umsetzung im Vollzug ist manchmal nicht einfach. Beispiel Armbrüste – da erfolgen Sicherstellungen auch oft aus Unkenntnis.
Der Moderator stellte daraufhin fest, es gäbe da wohl ein Vollzugsproblem. Frau Faeser hätte sich gerade auf der Innenministerkonferenz dafür stark gemacht, die Länder sollten ein Messerverbot im öffentlichen Nahverkehr durchsetzen. Es gibt bereits Waffenverbotszonen – ob das nichts bringen würde? Ich stellte zunächst klar, dass es im Regelfall nicht Waffenverbotszonen, sondern Verbotszonen sind, da in diesen meist auch schon Messer ab vier Zentimeter Klingenlänge restriktiert seien, die gar nicht unter das Waffengesetz fallen. Manchmal werden auch nicht die „wirklichen“ Problemviertel zur Verbotszone gemacht und manche Länder wie Sachsen schaffen die Zone gerade wieder ab ...

Herr Winkelsdorf erklärt indessen das Waffenrecht in Deutschland generell für gescheitert. Es sei das alte Reichswaffenrecht von 1938 übernommen worden, das nur mit einigen Änderungen ergänzt worden sei, die aber nur Farbtüpferchen ohne Ziel seien. Es gelte immer noch der Grundsatz „So wenig Waffen wie möglich ins Volk“. In Deutschland würde es rund 5 Millionen legale, aber auch 30 bis 40 Mio. illegale Waffen geben (Anm.: diese Zahl ist sicherlich zu hoch, aber ebenso wenig belegt wie bereits andere kursierende Zahlen).5 Andererseits würden geschmuggelte Waffen nach Deutschland kommen. Jährlich würden ca. 2.000 bis 2.500 illegale Waffen sichergestellt. So weitergedacht wäre das Problem erst im Jahre 2300 oder 2400 n.C. gelöst. Er führte das Beispiel eines verurteilten Straftäters des IS an, der als Mittäter 3,5 t Kokain nach Deutschland geschmuggelt und kein Waffenbesitzverbot hatte! Auch beim Fall Hamburg habe es ein massives Versagen konkret der Hamburger Waffenbehörde gegeben. Die psychische Erkrankung bzw. Diagnose sei öffentlich gewesen. Was aktuell an Waffenrechtsänderungen diskutiert wird, rettet keine Menschenleben, sondern gefährde vielmehr. Fälle wie Hamburg, bei denen der Täter sechs Menschen und sich selbst erschossen hat, wären zu verhindern – aber nicht durch einen Nachweis der Diagnose, bei Antragstellung gesund zu sein, was auch Polizeibeamte nach fünf Dienstjahren nicht müssten. Informationen zu erkennbaren Zeichen für psychische Erkrankungen müssten bei der Waffenbehörde landen, dafür müssten Schnittstellen zum Nationalen Waffenregister geschaffen werden. Es gäbe übrigens auch genügend Fälle, bei denen legale Waffenbesitzer wegen dieses Waffenbesitzes verfolgt worden seien.

Auf die Frage des Moderators nach den Waffenbehörden antwortete Herr Winkelsdorf, es gäbe keine standardisierte Ausbildung für den Vollzug des Waffengesetzes. Polizisten würden aus anderen Abteilungen wie Diebstahl einfach zuversetzt, Waffenbehördenmitarbeiter hätten manchmal nur eine halbe Stelle und müssten regelmäßige Überprüfungen des Bedürfnisses – wofür eigentlich? – und Zuverlässigkeitsüberprüfungen vornehmen. Dazu stellt Herr Winkeldorf die Frage an das BMI: Welchen Sinn macht eine Verfassungsschutzanfrage, wenn diese Behörden aufgrund Geheimhaltungsvorschriften gar keine Volltreffer mitteilen dürfen?

Frau Däbritz antwortete, der Vollzug müsse natürlich optimiert werden und es seien auch Fehler gemacht worden. Aber die Verfassungsschutzbehörden dürften sehr wohl mitteilen! Den dargestellten Möglichkeiten widerspricht Herr Winkelsdorf allerdings vehement und verweist auf anderslautende Veröffentlichungen. Frau Däbritz kontert ergänzend, alle Informationen müssten gerichtsverwertbar zusammengefasst und die Waffenbehörden damit befähigt werden, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Zwar müsse der Missbrauch von illegalen Waffen ein wesentliches Argument sein bei der Verhinderung des Missbrauchs von Waffen schlechthin. Aber das WaffG regele nur den legalen Waffenbesitz, es habe nur diesen Regelungsanspruch! Dafür seien die Regelungen auch ziemlich präzise. Nicht jeder dürfe eine Waffe haben. Aber wer einen „Bedarf“ habe wie Jäger oder Sportschützen, wer eine Sachkunde hat und wer zuverlässig und geeignet ist, habe die Voraussetzungen.

Graf zu Bentheim: Das aktuelle WaffG sieht bereits Begutachtungen vor bei jungen Sportschützen von 18 bis 25 Jahren, wenn diese Großkaliber schießen wollen. Darüber hinaus gibt es anlassbezogene Begutachtungen aufgrund von Informationen zu Auffälligkeiten, meistens solchen der Polizei, mit dem Ziel, zu prüfen, ob ein psychisches Problem vorliegt. Klassisches Beispiel: Die Alkoholfahrt mit dem Auto. Das Waffenrecht sieht zum Beispiel bei einer Promillezahl von 1,6 vor, zu prüfen, ob eine Suchterkrankung vorliegt. Suchterkrankungen seien im Waffengesetz als Ausschlusskriterium formuliert, also auch bezüglich illegaler Drogen und Medikamente. Das sei als anlassbezogene Begutachtung aus psychiatrischer bzw. psychotherapeutischer Sicht auch in Ordnung. Der Proband bekomme dann von seiner Waffenbehörde die Aufforderung, ein entsprechendes Gutachten beizubringen, in der Regel mit kurzen Fristen, was den Grund habe, entsprechende Vorbereitungen zu erschweren. Da regelmäßig keine Schweigepflichtentbindungen erfolgen, könne der Gutachter auch keine Vorbehandlungen und auch keine Informationen von Gesundheitsbehörden erfahren. Es wird also nur der Augenblick beurteilt.

Auf Moderaten-Frage der Möglichkeit des Probanden, etwas „vorspielen“ zu können, meint Christian Graf zu Bentheim, dies sei die Frage der sog. Dissimulation – ein zentraler Fachbegriff. Ein Betroffener wolle naturgemäß nicht allzu viel Angriffsmöglichkeiten bieten – daher die kurzen Fristen. Es gäbe eine vergleichbare Situation in Österreich, dort hätte sich inzwischen sogar eine ganze Industrie entwickelt von Psychologen und Psychiatern, denn dort muss der Waffenbesitzer zweistufig nachweisen, dass er nicht psychisch auffällig ist, nämlich durch ein Vorgespräch, zu dem übrigens auch entsprechende Vorbereitungskurse angeboten würden. Dann folge ein Gutachten mit entsprechenden Kosten, wenn im Vorgespräch Auffälligkeiten bestehen. Auf Nachfrage: Diesen Weg hält der Facharzt für falsch, er präferiert vielmehr die anlassbezogene Begutachtung und verweist auf entsprechende Beispiele, bei denen zwar eine Einweisung erfolgte, aber auch schnell eine Entlassung, da die Person nicht fremd- oder eigengefährdet gewesen sei. In vielen Fällen kann der Betroffene auf eigenen Wunsch – auch gegen ärztlichen Rat – entlassen werden. Grundsätzlich kann aber gehandelt werden. Der Untersuchende sei immer auf viele Informationen angewiesen, aber die ärztliche Schweigepflicht sei auch ein hohes Gut ...

Herr Brocker fragt dann nach dem Fall des Asylbewerbers, der bei Brokstedt im Januar mit einem Messer zwei Menschen getötet hatte – bei dem habe es ein psychologisches Gutachten gegeben mit der Aussage, er stelle keine Gefahr dar. Es bestehe doch immer der Anspruch auf absolute Aussagen in den Gutachten – wie sei damit umzugehen? Christian Graf zu Bentheim antwortet, dass solche Fälle immer wieder vorkommen und unvermeidbar seien.

Herr Emmerich stimmte zwar Herrn Winkelsdorf bezüglich des notwendigen Datenaustausches zu, beharrte aber trotzdem auf der Idee des verpflichtenden Gutachtens. Außerdem habe er ein Verständnisproblem, dass die Gutachten bei unter 25jährigen erforderlich sind und bei Älteren nicht. Die psychische Disposition sei vom Alter her nicht unterschiedlich, auch Ältere seien Täter, wenn man sich die Fälle anschaut. Daher müssten aus seiner Sicht die notwendigen Regelungen geschaffen werden, die aber nur ein Baustein seien. Es muss aber auch die Frage gestellt werden, welche rechtliche Regelung denn ein Baustein sein könne, um solche Taten zu verhindern und was es beim Vollzug brauche.

Frau Dr. Däbritz hält es für schwierig, festzustellen, ob jemand an einer psychischen Erkrankung leidet, die ihn mit einer Waffe gefährlich werden lässt. Es sei eine hohe Verantwortung, welche die psychologischen Gutachter da tragen. Das könne aber auch niemand besser, vor allem nicht der Bearbeiter in der Waffenbehörde, der nicht entsprechend ausgebildet sei. Sie seien vielmehr auf zugetragene fachkundige Informationen angewiesen. In Österreich werden im Übrigen zwei bis drei Prozent der Waffenbeantrager abgelehnt, weil entsprechende Nichteignungsgutachten vorliegen. Auf Deutschland bezogen wären das bei ca. 80.000 Antragstellern jährlich ca. 2.500 Personen, deren Antrag abgelehnt werden müsste. Der Staat müsse seinem Auftrag und der Verantwortung zur Sicherheit gerecht werden, auch wenn kein Risiko ausgeschlossen, aber zumindest minimiert werden könne.

Herr Müller-Schallenberg hält anlasslose Begutachtungen für unsinnig, da diese nur auf den einen Zeitpunkt bezogen sind und man nicht wisse, was die betroffene Person vielleicht einen Tag nach der Begutachtung macht. Nur anlassbezogene Begutachtungen würden dagegen etwas bringen – wenn Tatsachen die entsprechende Annahme rechtfertigen. Hätte die Hamburger Behörde auf der Basis des geltenden Rechts richtig gehandelt, wäre diese Tat zu verhindern gewesen – nicht umsonst laufen dort entsprechende Verfahren zur Aufarbeitung. Der Fall sei keine Frage der Aufbewahrung und Zuverlässigkeit gewesen, sondern der psychischen Eignung nach §6 Waffengesetz. Andere Behörden hätten sofort gehandelt und die Waffen sichergestellt und eine Anhörung des Betroffenen ausgelöst. Das würde das geltende Recht bereits hergeben. Insofern stimme die Begründung für Verschärfungen nicht.

Herr Winkelsdorf wendet sich gegen die Selbstverständlich- und Vorhersehbarkeit für Verschärfungen und macht dies am Beispiel der Pandemie fest, bei der Fachleute gehört worden seien und Wissenschaftlichkeit eine Rolle gespielt habe. Beim Waffenrecht nicht, kein Experte sei einbezogen worden. Warum sei der geforderte Waffengipfel nicht eine Selbstverständlichkeit? Langjährige Experten seien gefordert, um die tatsächlich bestehenden Probleme zu lösen. Es müsse Know-How in die Angelegenheit kommen, denn es gehe um den Schutz von Menschenleben. Eine selbstverständliche Verschärfung sei nicht der Weg, vor allem ohne zu wissen, was eigentlich gemacht werden müsste.

Die Online Frage „Was nützt eine Befähigung der Behörden, wenn diese unterbesetzt sind?“ beantwortete zunächst Herr Emmerich:

In der Vergangenheit sei der Vollzug zu wenig mit Ressourcen ausgestattet worden. Vielleicht sollte der Bund die Länder entsprechend finanziell unterstützen. Dies erfolge in anderen Bereichen ja auch schon – Beispiel Bildung, Justiz oder Polizei. Auch wenn er nicht alles teile, was Herr Winkelsdorf sagen würde, hätte dieser aber immer auch kreative Ansätze und insofern sollte die Waffenkontrolle usw. nicht auf der unteren Ebene, etwa den Landkreisen, angebunden sein, zumal es dort auch von der finanziellen Lage der Kommunen abhängen könne, wie gut die Waffenbehörde ausgestattet sei. Daher sollte dies in den Ländern zentralisiert werden, vielleicht sogar darüber hinaus. Bund und Land würden oft aufeinander zeigen, wenn es nicht läuft, denn der Bund mache das Gesetz und der Vollzug sei Landersache. Verantwortlichkeiten und Kompetenzen müssten daher zusammengeführt werden.

Eine Frage eines Rechtsanwalts aus dem Publikum begann mit der Feststellung, das Pamphlet des Hamburger Täters hätte für 45 € erworben werden müssen – dafür würden bei den Behörden keine Mittel zur Verfügung stehen! Ein nicht verschlossenes Behältnis beim Waffentransport würde oft als gröblicher Verstoß gewertet – einen nicht gröblichen Verstoß würde es inzwischen gar nicht mehr geben und damit würde jeder Verstoß automatisch zur absoluten Unzuverlässigkeit nach §5 Abs. 1 Ziffer 2 Waffengesetz führen mit der ungeklärten Frist von fünf oder zehn Jahren! Die Verhältnismäßigkeit sei daher nicht mehr gegeben. Gefragt wird nach einer Liste oder Regelbeispielen, welche die Gröblichkeit gesetzgeberisch definieren würde. Frau Däbritz meint, minderschwere Fälle würde es auch jetzt schon im Gesetz geben. Die Umsetzung in der Praxis sei eine andere Frage. Eine Kasuistik sei nicht möglich und es müssten Spielräume gelassen werden.

Die Frage, ob eine Liste der Gröblichkeit der Verstöße in der Praxis helfen würde beantwortete ich als BDK-Vertreter mit der Feststellung, dass ich die geäußerten Bedenken schon für ziemlich nachvollziehbar halte. Ich machte aber einen anderen Vorschlag, nämlich zur Änderung einiger Sanktionen, um bereits den Beamten einen Beurteilungsspielraum zu ermöglichen, zumindest teilweise weg vom Legalitätsprinzip hin zur Möglichkeit, dass kleinere Fälle durch Polizeibeamte vor Ort entschieden werden könnten (Stichwort Ermessensentscheidung bzw. im Einzelfall Absehen von der Verfolgung). Ich nannte auch ein Beispiel einer inzwischen exotischen Patrone 8 mm Lefaucheux – Munition, die seit Jahrzehnten nicht mehr hergestellt wird und auch kaum noch entsprechende (historische) Waffen verfügbar sind. Trotzdem ist der Besitz dieser Munition – auch einer einzigen Patrone! – eine Straftat und damit die Zuverlässigkeit infrage gestellt. Das gleiche trifft zu bei Legalwaffenbesitzern, die eine einzige Patrone eines anderen, nicht von ihrer Erlaubnis gedeckten Kalibers besitzen – auch das sei eine Straftat.

Eine weitere Frage aus dem Publikum lautet zusammengefasst „Was macht das Innenministerium mit dem Problem Ukrainewaffen?“. Frau Däbritz hält die Wahrscheinlichkeit für hoch, dass solche Waffen illegal nach Deutschland kommen werden. Es würde bereits Überlegungen – auch auf europäischer Ebene – geben, wie damit umgegangen werden könne, wenn solche Waffen den illegalen Markt überschwemmen oder zumindest anreichern würden.

Herr Winkelsdorf prognostiziert auf die Frage an ihn, ob Deutschland diesem überhaupt beikommen könne, dass das Problem deutlich zunehmen und der Waffenmissbrauch regelrecht explodieren wird. Das habe man auch in Skandinavien schon gesehen – den Einsatz von Panzerfäusten und Panzerabwehrlenkflugkörpern im Bereich der organisierten Kriminalität. Das werde dann auch in Deutschland zu einem traurigen Normalfall werden. Die Reaktion der Behörden sei auch zu prognostizieren, es werde weiter über Jagdgewehre diskutiert werden ...

Ein pensionierter Polizist aus dem Publikum sieht das Problem in der fehlenden Kapazität der Waffenbehörden. In Brandenburg seien diese beispielsweise nicht in der Lage, bestehende Gesetze umzusetzen und verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen.

Der Moderator stellt fest, die Polizei sei aus guten Gründen Ländersache – ob da nicht was zu machen sei – war die an den BDK-Vertreter gerichtete Frage. Ich bezeichnete das als dickes zu bohrendes Brett – vor vielen Jahren sei schon mal thematisiert worden, die Sicherheitsarchitektur in Deutschland zu überdenken, auch der BDK habe dazu Ideen beigesteuert. Mehrheiten sind wohl kaum zu finden, wenn es darum geht, eine Bundespolizei zu schaffen und die Länderpolizeien zu unterstellen. Aber es sei richtig – es gäbe ein Vollzugsproblem. Immerhin existieren rund 550 Waffenbehörden in Deutschland. Berlin und Hamburg hätten jeweils nur eine, Sachsen-Anhalt 14 (eine bei einer Stadt, zwei bei der Polizei, der Rest bei den Landkreisen). Aber es gäbe auch Bundesländer mit weit über 100 Waffenbehörden, in einem Land könne bei Verwaltungsgemeinschaften mit 20.000 Einwohnern eine eigene Waffenbehörde eingerichtet werden, die mit etwas Glück mit einer halben Stelle besetzt sei. Teilweise würden Jagd- und Waffenbehörden in einem Bereich angesiedelt. Das sei positiv und ein kurzer Austausch dann einfach möglich. Die Frage sei übrigens auch, welche Sachkunde in den Waffenbehörden vorhanden ist. Diese sei sehr unterschiedlich und es gebe insofern manchmal in kleineren Verwaltungseinheiten finanzielle Abhängigkeiten bei der Ausstattung. Den Waffenbehörden immer mehr Aufgaben aufzubürden, funktioniere dann nicht.

Eine Strafrichterin stellt aus dem Publikum heraus fest, ein schärferes WaffG sei nicht erforderlich.. Es würden nur legale Waffenbesitzer geärgert und die Illegalen nicht erreicht werden. Das gegenwärtige Gesetz genüge, die Personaldecke müsse in allen Ebenen gestärkt werden (BKA, LKA, Grenze), damit auch das Darknet im Auge behalten werden kann, denn dort würden 400 bis 800 € gezahlt werden für eine illegale Pistole.

Frau Dr. Däbritz meint, das Gesetz ziele nicht darauf ab, die Legalwaffenbesitzer zu ärgern, es richte sich vielmehr gegen den Missbrauch von Waffen. Illegale Waffen seien nicht Regelungsgegenstand des Gesetzes, sondern nur legale, einen anderen Anspruch gäbe es nicht. Aber die Bundesregierung wolle auch gegen illegale Waffen agieren, auch mit einer Gesamtkonzeption, die auch solche aus der Ukraine einschließt. Waffenbehörden dürften nicht überfordert werden, der Vollzug müsse verbessert werden – psychologische Gutachten sollten aber von Experten erfolgen. Hätte beispielsweise der Sachbearbeiter in Hanau von einer Einweisung des Täters nach PsychKG6 durch eine Abfrage bei der Gesundheitsbehörde gewusst, hätte er auch handeln können.

Herr Emmerich meint, gegenwärtig gäbe es 1.000 bis 1.500 Extremisten, die im Besitz von Waffen seien. Insofern bestehe ein Sicherheitsproblem. Ein Informationsaustausch zwischen Waffen- und Verfassungsschutzbehörden sei erforderlich, andererseits auch rechtliche Grundlagen dafür. Es hätte auch verschiedene präzise Vorschläge von parteipolitisch unterschiedlich verorteten Innenministern aus den Ländern und damit den dortigen Behörden gegeben. Im Übrigen hätten auch Berufsanfänger in den Waffenbehörden teilweise Angst vor falschen Entscheidungen. Daher seien klare Vorgaben und Formulierungen im Gesetz notwendig. Personen, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen, dürften nicht nur „in der Regel“ unzuverlässig sein, die enthaltene Ausnahme sei insofern nicht klar genug. Daher sei eine absolute Unzuverlässigkeit in solchen Fällen gegeben.

Lars Winkelsdorf widerspricht den Aussagen von Frau Dr. Däbritz, das Waffenrecht würde illegale Waffen nicht berühren, denn die §§51 und 52 WaffG seien die Strafbestimmungen, die sehr wohl illegale Waffen betreffen würden. Er sieht eine zentrale Verantwortung des BMI, gegen illegale Waffen und den Missbrauch vorzugehen.

Herr Müller-Schallenberg sagt, es würde meist gegen die Falschen vorgegangen, entscheidend sei die Bekämpfung des illegalen Waffenbesitzes. Warum solle das Waffengesetz verschärft werden, wenn es angeblich nur den legalen Besitz regele?

Dann die Abschlussstatements, insbesondere zur Frage, was sollte nun mit dem Gesetz passieren?

Christian Graf zu Bentheim positioniert sich dabei klar gegen eine „Psychiatrisierung“, sprich generelle Begutachtung. Die anlassbezogene Begutachtung sei okay, aber dazu sei auch ein Informationsaustausch bzw. -zugriff erforderlich, auch zu den Gutachtern (er hätte als Arzt beispielsweise keinen Zugriff auf die Gesundheitsamtsdaten). Eine Objektivierung wäre ebenso notwendig wie eine bessere Vernetzung bzgl. anlassbezogener Beurteilungen. Anonyme Mitteilungen wären vielleicht auch eine Möglichkeit ...

Als BDK-Vertreter verwies ich auf ein bisher noch nicht angesprochenes Thema – die EU-waffenrechtlichen Grundlagen. Es gelte insofern, auch waffenrechtlich im Haus EU zu denken – Beispiel Grenze Bad Schandau: Ein Kilometer hinter der Grenze liegt Hrensko mit einem auf deutsche Touristen ausgerichteten tschechischen Markt. Dort würden in Deutschland verbotene Waffen verkauft, welche die deutschen Touristen mit nach Deutschland nehmen. Wir hätten unterschiedliches Recht – freie Gegenstände in Tschechien und in Deutschland eine Straftat. Eine Harmonisierung des EU-Rechts liege also noch vor uns. Ein weiteres Beispiel: Schreckschusswaffen: hier wäre ein EU-weit gültiges Zeichen notwendig. Vollzug – Waffenbehörden und Polizei benötigen ausreichend und qualifiziertes Personal. Datenaustausch und -abfragen: Diese seien derzeit noch aufwändig und die gewünschten Einmalabfragen noch nicht möglich und insofern eine weitere Vernetzung erforderlich. Daher wäre es sicherlich auch schwierig, wenn alle Behörden Daten an die Waffenbehörden liefern sollten. Zu den anonymen Hinweisen: Diese sind in der polizeilichen Praxis nicht sehr beliebt, da keine Informationsvollständigkeit vorliegt und keine Nachfragemöglichkeit besteht und Denunziantentum häufig das Problem ist. Ein Waffengipfel sei tatsächlich eine gute Idee, aber durch den BDK zurückliegend bereits als weitergehender Vorschlag eingebracht, nämlich ein dauerhaftes Fachgremium, welches bereits im Vorfeld Vorschläge ausarbeiten bzw. prüfen könnte.

Lars Winkelsdorf fordert, nicht nur über Gesetzestexte zu sprechen, sondern Personal und Geld seien erforderlich, aber darüber würde gerade nicht gesprochen werden, das sei ein Fehler, der sich seit 20 Jahren kontinuierlich wiederholen würde.

Marcel Emmerich wiederholt seine Forderung zur Entwaffnung von Feinden der Demokratie und meint, es wäre gesprochen worden über die illegalen und legalen Waffen sowie den Vollzug – aber alle drei Themen müssten zusammen angegangen werden. Ein starkes und verständliches Waffenrecht sei erforderlich, auch mit Kompromissen im Sinne der öffentlichen Sicherheit und der Kriminalitätsbekämpfung. Behörden müssten gut ausgestattet sein und mit dem Recht umgehen können, um Leute entwaffnen und Anträge beurteilen zu können. Sicherheitsbehörden müssten in die Lage versetzt werden, mit Blick auf organisierte Kriminalität illegale Waffen ausfindig zu machen.

Frau Dr. Däbritz unterstützt diese Auffassung; vernünftige Instrumente zur Bekämpfung illegaler Waffen seien erforderlich. Das Waffengesetz müsse die Realität abbilden und es müsse gut überprüfbar sein. Waffenbehörden müssten das alles umsetzen können mit der Unterstützung von Experten.

Herr Müller-Schallenberg befürchtet, dass man entsprechende Änderungen am Gesetz vornehmen wird, dann bitte aber auch mit einem Waffengipfel mit Vertretern der Innenministerien der Länder, des Städte- und Gemeindebundes und Fachleuten, so dass am Entwurf gearbeitet werden könne im Sinne was ist sinnvoll, was in der Praxis nicht durchführbar und was könnten alle mittragen. Die Erhöhung der Wohlverhaltensfristen um fünf Jahre sei ein Beispiel, welches eine Katastrophe wäre.

Statement des Präsidenten des Deutschen Schützenbundes

Nach Abschluss der Diskussion hielt Hans-Heinrich von Schönfels, Präsident des Deutschen Schützenbundes (DSB), der 1,3 Millionen Mitglieder vertritt, als Gastredner das Schlusswort. Er stellte die gute Zusammenarbeit zwischen dem DJV und DSB heraus. Dieselben Themen bei beiden Verbänden seien das Umwelt- und auch das Waffenrecht. Alle seien sich einig: Extremisten, Kriminelle und psychisch Kranke dürften keinen Zugang zu Waffen haben. Der DSB unterstütze daher alle Maßnahmen zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit, das sei aber bereits mit dem bestehenden Gesetz möglich. Die aktuelle Rechtslage müsse – wie im Koalitionsvertrag vermerkt – vor eventuellen Änderungen ergebnisoffen evaluiert werden. Diese sei vermeintlich schon in Arbeit, würde aber nur einen Ausschnitt des Waffengesetzes betreffen. Ob diese eine Schmalspurevaluation oder gar eine koalitionstaktische Maßnahme sei? Verschärfungsbedarf wird wohl letztendlich erkannt werden. Der DSB wird daher zusätzliche Stellungnahmen abgeben und ansonsten fünf grundsätzliche Aussagen treffen:

  1. Extremisten, Reichsbürger und Kriminelle gehören nicht in den DSB und Vereinnahmungen wird man entgegentreten.
  2. Es existiere kein Gesetzes-, aber ein Vollzugsdefizit, das Waffengesetz sei eines der strengsten weltweit und Legalwaffenbesitzer seien berechtigt die bestens geprüfte Bevölkerungsgruppe. Eine konsequente Anwendung des Gesetzes erfordere aber auch Strukturen zu verschlanken, zu digitalisieren und Personal aufzustocken.
  3. Kein Bürokratiemonster, sondern echten Sicherheitsgewinn schaffen. Informationsaustausch sei erforderlich, aber weitere Behörden würden mehr bürokratischen Aufwand bedeuten – kein Sicherheitsgewinn.
  4. Generelle psychologische Gutachten erzeugten nur eine Scheinsicherheit und einen Generalverdacht gegen alle Antragsteller, anlassbezogene Überprüfungen seien dagegen sinnvoll.
  5. Das wahre Problem liegt im illegalen Waffenbesitz.

Und wenn wirklich 1.500 Extremisten als Legalwaffenbesitzer bekannt sein sollten, dann könnten diese auch entwaffnet werden! Sinnvolle Maßnahmen würde der DSB nach einer umfassenden, objektiven, ergebnisoffenen und transparenten Evaluation unterstützen. Vielleicht stehe dann neben einem Sicherheitsgewinn sogar auch eine Entbürokratisierung ...

Die im Internet live übertragene Veranstaltung unter dem Titel „Bundesjägertag 2023 – Braucht Deutschland ein schärferes Waffengesetz?“ ist als Video (Dauer 2:11 h) verfügbar unter

https://www.youtube.com/watch?v=SWbsC7fz_-I


1 Bereich Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz im BMI – eine zumindest interessante Überschrift für die dortige Verortung des Themas Waffen

2 Amoklauf bei den „Zeugen Johovas“ in Hamburg am 09.03.2023, bei denen ein Sportschütze sieben Menschen und anschließend sich selbst erschossen hatte

3 Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen, also grundsätzlich erlaubnisfreie Waffen – vgl. Anlage 2 zum WaffG, Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 Nr. 1.3

4 BT-Drucksache 19/13839 vom 09.10.2019

5 Ein Vertreter der GdP hatte sich mal auf vehementes Nachfragen eines Journalisten dazu hinreißen lassen, die Zahl 20 Millionen zu nennen, seitdem kursiert diese zwar beleglos, aber immer wieder

6 Psychisch-Kranken-Gesetz (Landesrecht)

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