BVAnp-ÄG 2022 – Übertragung des Tarifergebnisses und Umsetzung des 4-Säulenmodells

15.10.2022

Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Baden-Württemberg 2022 und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften in der ersten Landtagsberatung.
Bruno Glätsch - Pixabay

In seiner 47. Sitzung vom 13.10.2022 behandelte der Landtag von Baden-Württemberg unter TOP 6 die Landtagsdrucksache 17/3274. Dahinter verbirgt sich das 4-Säulenmodell nebst der Umsetzung der Tarifergebnisse aus den letzten Tarifverhandlungen des TV-L im Jahr 2021 auf die Beamtinnen und Beamten. Die parlamentarische Auseinandersetzung mit diesem für die Beamtenschaft doch zentralen Papier, verlief vergleichsweise moderat.

„Ich finde es äußerst erstaunlich, dass das Thema Inflationsrate von rund 10 % im Vergleich zu der geplanten Anpassung der Besoldung und Versorgung um 2,8 % zum 1. Dezember 2022 nach immerhin mehr als einem Jahr Nullrunde, nur angerissen wurde bei der Aussprache.“, bewertet Landesvorsitzender Steffen Mayer die ersten Beratungen im Landtag.

Die Landtagsdrucksache ist immerhin 371 Seiten lang und enthält im letzten Teil die Stellungnahmen der Gewerkschaften und Verbände, darunter auch unsere als BDK Baden-Württemberg (Beginn Seite 351).

An die geneigte Leserin und den geneigten Leser: Ein derartig langes Papier braucht etwas mehr Platz in der Befassung, wir bitten um Verständnis.

 

Unsere wesentlichen Forderungen und Vorschläge und deren Bewertung durch grün-schwarze Landesregierung von Baden-Württemberg:

Forderung zur Polizeizulage – Teilhabe an der Besoldungsanpassung und Ausgestaltung der Ruhegehaltsfähigkeit

Antwort der Landesregierung: „Stellenzulagen gehören nicht zum Kernbereich der Besoldung, sind grundsätzlich nicht ruhegehaltsfähig und nehmen grundsätzlich nicht an den regelmäßigen Besoldungspassungen teil. Eine Anhebung beziehungsweise eine Dynamisierung oder die Einführung der Ruhegehaltfähigkeit von Stellenzulagen ist nicht vorgesehen.“

Bewertung BDK: Die Polizeizulage ist seit 2008 in ihrer Höhe eingefroren. Während das Land BW 132,69 Euro bezahlt, erhalten Vollzugsbeamt:innen des Bundes inzwischen 228 Euro monatlich. Gerade jetzt bei einer zweistelligen Inflationsrate wurde und wird die Polizeizulage jedes Jahr in BW deutlich entwertet. Die Politik sollte sich einmal vor Augen halten, warum wir diese Zulage erhalten. Es reicht nicht aus, darauf hinzuweisen, dass unser Beruf komplexer und auch gefährlicher geworden ist in den letzten Jahren

Korrektur der Besoldungsanpassung nach oben (oder 2,8 % reichen nicht aus)

Antwort der Landesregierung: „Mit jedem Besoldungsanpassungsgesetz wird die Amtsangemessenheit der Besoldung in Baden-Württemberg anhand des vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Prüfungsschemas untersucht. Bei einem Parameter dieses Schemas wird die Besoldungsentwicklung mit der Verbraucherpreisentwicklung über einen Zeitraum von 15 Jahren einschließlich des Prüfjahres 2022 verglichen und dessen Einhaltung geprüft. Ein Anpassungsbedarf ergibt sich aus dieser Prüfung aktuell nicht.“

Bewertung BDK: Bei Abgabe unserer Stellungnahme betrug die Inflationsrate 7,6 %, jetzt liegt sie über 10 %. Es ist inhaltlich richtig, dass das BVerfG einen längeren Betrachtungszeitraum für die Bewertung festgelegt hat. Da Beamt:innen aber im jeweiligen Haushaltsjahr darüber entscheiden müssen, ob sie Maßnahmen gegen Besoldungs- und Versorgungsmissstände ergreifen, hat das höchste deutsche Gericht seinen Beamtinnen und Beamten mit dieser Rechtsprechung einen Bärendienst erwiesen. Wir haben uns deswegen rechtlich beraten lassen und ein Kurzgutachten dazu in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse wurden Anfang Oktober 2022 besprochen und wir werden in Kürze unsere Mitglieder ausführlich informieren und Maßnahmen vorschlagen. In der Gesamtschau bewerten wir eine Anpassung von Besoldung und Versorgung um + 2,8 % nach 14 Nullmonaten für schwer vereinbar mit dem Alimentationsprinzip – auch mit Blick auf einen längeren Betrachtungszeitraum, den das BVerfG vorsieht.

Im Übrigen sind wir der Ansicht, dass die Tarifpartner TV-L sich dringend vor Ablauf des aktuellen Tarifvertrags unterhalten müssten, einmal über das Thema einer Inflationsausgleichszahlung für die Beschäftigten und zweitens über eine Nachbesserung des Tarifergebnisses oder wenigstens die Vorbereitung der nächsten Tarifrunde. Die zunehmend auseinanderlaufende Besoldung und Versorgung in Bund und Ländern bewerten wir als äußerst kritisch. Zur Konkurrenz mit der Wirtschaft kommt dadurch eine zunehmende Konkurrenz untereinander zum Tragen, gerade auch im Tarifbereich sehen wir erste Abwanderungen in den Geltungsbereich des TVöD.  

Coronazahlung auch für die Versorgungsempfänger:innen

Antwort der Landesregierung: „Nicht Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens“ und Hinweis, dass die Sonderzahlung an ein bestehendes Arbeitsverhältnis geknüpft war.

Bewertung BDK: Genauso kurz wie die Landesregierung kommen wir zu dem Schluss, dass mit Blick auf die lebenslange Alimentationsverpflichtung auch eine landesspezifisch abweichende Regelung möglich gewesen wäre. Denn die Coronasonderzahlung wurde unserer Bewertung nach als Einmalzahlungsregelung genutzt.

Anhebung des Eingangsamts nach A11 in der Kripo

Antwort der Landesregierung: „Die vorgetragenen Gründe führen dazu, dass das Eingangsamt von Besoldungsgruppe A 9 nach Besoldungsgruppe A 10 angehoben wird. Damit ist das Eingangsamt sachgerecht bewertet.“

Bewertung BDK: Für den Bereich des technischen Dienstes erfolgte eine Anhebung des Eingangsamts nach A11. Einmal mehr wird die Polizei nicht sachgerecht nach ihren Sparten betrachtet. Denn die Attraktivität der Kriminalpolizei hat seit Jahren abgenommen. Wir haben in diversen Veröffentlichungen und Gesprächen mit Polizeiführung und Politik darauf hingewiesen. Früher hatte man als Kripo-Chef die Qual der Wahl bei der Übernahme von Kolleg:innen zur Kripo, Dank der guten Bewerberlage. Heute ist man in einigen Dienststellen froh, wenn auf die ausgeschriebene K-Stelle wenigstens eine Bewerbung erfolgt. Wäre es dann nicht zu diskutieren, ob mit einem höheren Eingangsamt auch eine Attraktivitätssteigerung erreicht werden könnte? Analog des technischen Dienstes?

Anhebung des Eingangsamts des höheren Dienstes nach A14

Antwort der Landesregierung: „Von der Ämterneubewertung sind die Eingangsämter in den Laufbahnen des höheren Dienstes sowie der Spitzenämter des gehobenen Dienstes nicht betroffen, denn die Entwicklungen, die nun eine Anhebung der Eingangsämter des gehobenen Dienstes erfordern, wirken sich dort nicht aus. Ändern sich in den Eingangsämtern des höheren Dienstes oder in den Spitzenämtern des gehobenen Dienstes Dienstaufgaben, wird ihre Bewältigung aufgrund der Bildungsvoraussetzungen beziehungsweise des Anforderungsprofils und des Aufgabenspektrums der Beamtinnen und Beamten in den Eingangsämtern der höchsten Laufbahngruppe sowie in den Spitzenämtern des gehobenen Dienstes vorausgesetzt, sodass sich hier keine Auswirkung auf die besoldungsrechtliche Einstufung dieser Ämter ergibt.“

Bewertung BDK: Diese Bewertung erstaunt, denn dass die Anforderungen nur am Beginn des Berufslebens gestiegen sein sollen, erschließt sich uns nicht. Auch nicht im Erleben des polizeilichen Alltags. Im Übrigen beginnt mit dem Aufstieg in den höheren PVD eine neue Laufbahn, die gerade im Bereich der Führungs- und Steuerungsaufgaben heute genauso an Komplexität zugenommen hat, wie im Bereich der Sachbearbeitung.

Öffnung des gehobenen Dienstes nach A14, Alternativ Schaffung eine Zulage im Bereich A13 (A13+Z)

Antwort der Landesregierung: „Von der Ämterneubewertung sind die Eingangsämter in den Laufbahnen des höheren Dienstes sowie der Spitzenämter des gehobenen Dienstes nicht betroffen, denn die Entwicklungen, die nun eine Anhebung der Eingangsämter des gehobenen Dienstes erfordern, wirken sich dort nicht aus. Ändern sich in den Eingangsämtern des höheren Dienstes oder in den Spitzenämtern des gehobenen Dienstes Dienstaufgaben, wird ihre Bewältigung aufgrund der Bildungsvoraussetzungen beziehungsweise des Anforderungsprofils und des Aufgabenspektrums der Beamtinnen und Beamten in den Eingangsämtern der höchsten Laufbahngruppe sowie in den Spitzenämtern des gehobenen Dienstes vorausgesetzt, sodass sich hier keine Auswirkung auf die besoldungsrechtliche Einstufung dieser Ämter ergibt.“

Bewertung BDK: Im Grunde genommen eine ähnliche Antwort wie zu o. a. Ziffer 5. Das Wort „Spitzenamt“ bekommt dabei einen leicht schalen Beigeschmack. Der Hinweis auf die Befähigung (Bildungsvoraussetzungen) irritiert in der Antwort, da sich an den Bildungsvoraussetzungen für den Einstieg in den gehobenen Dienst ebenso nichts geändert hat.

Für den technischen Dienst ist mit diesem Gesetz ein entsprechendes Amt A13+Z vorgesehen, ebenso für die Rechtspflegerlaufbahn. Auch hat die Bundespolizei das Amt A13+Z eingeführt. Unmöglich wäre das also nicht.

Stellenplananpassung in der Kripo

Antwort der Landesregierung: „Über entsprechende Stellenhebungen hat der Haushaltsgesetzgeber zu entscheiden.“ Zudem ist das Thema nicht Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens.

Bewertung BDK: Interessanterweise spricht Frau Staatssekretärin Dr. Splett das Thema einer Anpassung der Stellenpläne in der ersten Anhörung im Landtag kurz an – zusammen mit dem Thema der Dienstpostenstruktur. Wir gehen davon aus, dass es hier schon Überlegungen gibt. Jedenfalls reicht eine Hebung des Eingangsamts im gehobenen Dienst alleine nicht aus. Zudem entstehen „Bäuche“ und „Staus“, die nur durch eine Durchschlüsselung und eine Stellenhebung in den Spitzenämtern behoben werden können. Der Vorschlag muss aus der Regierung kommen. Es ist also an Grün-Schwarz, wenn nicht in diesem Gesetz, dann doch im Haushalt nachzubessern!

Ein weiterer Aspekt, den wir in der Anhörung angesprochen haben, ist das Thema, dass immer mehr Aufstiegsbeamt:innen mit QL (oder anderen Aufstiegsprogrammen) in Pension gehen und die Kripo fast ausschließlich Personal mit Studienabschluss rekrutiert. Die Stellenpläne sind dafür aktuell nicht ausgelegt. Es muss nachgebessert werden.

Anpassung der Dienstpostenstruktur (insb. neue Bündelung A10-A12)

Antwort der Landesregierung: Die vorgeschlagene Änderung ist nicht Gegenstand dieses Gesetzgebungsverfahrens.

Bewertung BDK: Das war uns bewusst, denn die Entscheidung darüber muss das Innenministerium selbst treffen. Es war uns aber wichtig, diesen Punkt bereits in die Anhörung einzubringen, denn es ging uns auch darum, auf entstehende Unwuchten hinzuweisen. Wir werden das Thema im polizeilichen Bereich weiterbearbeiten.

Auflage eines ganzheitlichen Besoldungsmodernisierungsgesetzes

Antwort der Landesregierung: „Durch die im Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen wird die Attraktivität des öffentlichen Dienstes deutlich gesteigert. Gleichzeitig soll die Alimentation gemessen an den Vorgaben des BVerfG verfassungsgemäß ausgestaltet werden. Weitergehende Maßnahmen sind nicht vorrangiges Ziel dieses Gesetzentwurfs.“

Bewertung BDK: Genau das ist der Punkt, es wurde leider verpasst ein ausgewogenes und zukunftsweisendes Reformgesetz für den Öffentlichen Dienst zu schaffen. Vielmehr ergab sich aus der Notwendigkeit der zwei Bundesverfassungsgerichtsurteile Handlungsbedarf. Gut ist die schnelle Umsetzung und wir freuen uns auch über verschiedene Maßnahmen für Berufseinsteiger:innen, aber für viele andere, die beispielsweise in den Spitzenämtern tagtäglich und seit Jahrzehnten ihren Dienst verrichten, fühlt es sich so an, vergessen worden zu sein.

Vertretungszulage auch für kommissarische Inspektionsleiter:innen

Antwort der Landesregierung: „Die Vertretungszulage soll für die Übertragung der Aufgaben eines höherwertigen Amtes anlässlich der kommissarischen Vertretung einer Behördenleitung gewährt werden, die mit speziellen Herausforderungen verbunden ist, die über die Anforderungen der anderen in einer Behörde auftretenden Vertretungssituationen hinausgehen. So vertritt eine Behördenleiterin oder ein Behördenleiter beispielsweise die Behörde nach außen und nimmt damit eine besondere Stellung ein. Die Erweiterung für die Polizeireviere ist aufgrund des größeren Personalkörpers erfolgt. Diese Voraussetzungen treffen auf die Inspektionen der Kriminalpolizei nicht zu.“

Bewertung BDK: Wir raten jeder Inspektionsleiterin und jedem Inspektionsleiter der Kripo einmal dazu, sich den Text der Landesregierung durchzulesen. Die fachliche Verantwortung für Sonderkommissionen und BAOen in einer Kriminalinspektion 1 ist also beispielsweise nachrangig zu sehen – viel wichtiger ist der Personalkörper und dessen Größe. Ein Betrachtungsfehler bleibt ein Fehler, auch wenn man ihn über viele Jahre wiederholt. Diese Betrachtungsweise zeigt eine gewisse Ferne zum Alltag und der übertragenen Verantwortung in einer Kriminalpolizei.

Dynamisierung von Höchstbeträgen (bspw. Beihilfegrenzen) und anderen Pauschalen

Antwort der Landesregierung: „Eine Dynamisierung von Höchstbeträgen, Pauschalen, etc. wird nicht eingeführt, da dies in der Praxis nicht umsetzbar ist. Beihilfefähige Höchstbeträge u.a. würden sich dann teilweise monatlich ändern, sodass nicht nachvollziehbar wäre, wann welche Beträge anzusetzen sind.“

Bewertung BDK: Die Bewertung der Landesregierung geht an der Zielrichtung vorbei. Natürlich ist keine monatliche Dynamisierung der Wunsch, sondern eine jährliche Anpassung. Warum dies nicht gehen soll (bei anderen Besoldungsbestandteilen ist es ja möglich) erschließt sich uns nicht. Fakt ist, dass durch die Aussetzung einer Anpassung eine jährliche Entwertung erfolgt.

Abhebung von LOD und DUZ

Antwort der Landesregierung: „Mit der Föderalismusreform wurde dem Land die Kompetenz übertragen, das Besoldungsrecht eigenständig zu regeln. Eine Angleichung an die Beträge des Bundes oder anderer Länder ist nicht vorgesehen.“

Bewertung BDK: Schade. Dann gibt es von Dienstag auf Mittwoch für eine Stunde Nachtdienst eben weiterhin eine Zulage von sage und schreibe 1 Euro und 28 Cent pro Stunde – im Übrigen ohne dass diese mit diesem Gesetzesentwurf um 2,8 % angehoben wird, Stichwort: dynamische Anpassung an die Wirklichkeit. Aber Klatschen macht ja irgendwann auch warm.

 

 

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