Chancen nutzen und Personal der Kriminalpolizei am tatsächlichen Bedarf ausrichten – jetzt externe Spezialisten einstellen, eine generelles Hinausschieben des Ruhestandes gewähren und damit mindestens 250 neue Ermittler sofort gewinnen

04.12.2015

Seit mehr als einem Jahrzehnt wird das Personal der Landespolizei in Mecklenburg-Vorpommern erheblich reduziert und umorganisiert. Begründet wurde der Personalabbau stets mit den abnehmenden Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) oder den ebenfalls sinkenden Einwohnerzahlen. Tatsächlich scheinen uns eher sachfremde Gründe für den Stellenabbau vorgelegen zu haben wie der vorgegebene Sparzwang aus dem Finanzministerium.
Chancen nutzen und Personal der Kriminalpolizei am tatsächlichen Bedarf ausrichten – jetzt externe Spezialisten einstellen, eine generelles Hinausschieben des Ruhestandes gewähren und damit mindestens 250 neue Ermittler sofort gewinnen

Insbesondere die Kriminalpolizei hatte unter dem unbedingten Spar- und Reformwillen zu leiden. 2011 wurde eine von nur fünf Kriminalpolizeiinspektionen aufgegeben und in den Kriminalkommissariaten wurden nach und nach die Beschäftigtenzahlen verkleinert, weil sich, wie schon erwähnt, die PKS-Zahlen ebenfalls verringerten. Beharrlich argumentierten wir als Berufsverband der kriminalpolizeilich Beschäftigten jährlich nach den Veröffentlichungen der aktuellen PKS, dass diese eben nur einen (kleinen) Teil der wirklichen Kriminalität abbilden würden und Aussagen über ein Sinken oder Steigen der Kriminalität sehr gewagt scheinen, weil das Dunkelfeld nicht in die Betrachtungen einbezogen worden ist. Diese wiederkehrenden Berichtigungen waren uns sehr wichtig, da das Personal der Kripo direkt von den PKS-Zahlen abzuhängen dürfte.

Doch zwischenzeitlich traten drei Ereignisse oder Prozesse ein, die das Bild der Betrachtung von Kriminalität in Mecklenburg-Vorpommern wesentlich ändern sollten, ja geradezu auf den Kopf stellen. Zum einen ist das Ende des Bevölkerungsrückganges erreicht, seit zwei Jahren steigt die Zahl der Einwohner im Nordosten wieder und 2015 wird dieser Trend durch die aktuelle Flüchtlingswelle noch verstärkt werden. Zum zweiten sorgt der vermehrte Flüchtlingsandrang auch hier im Nordosten für einen steigenden Personalbedarf innerhalb der Landespolizei. Und dann zum dritten und wesentlichsten Fakt für eine dringende Neuorientierung des Personalbedarfs, zur aktuellen Dunkelfeldstudie. Diese belegt, dass die tatsächlichen Kriminalitätszahlen um ein Mehrfaches über den Werten der PKS liegen.

Das bestätigte auch unser Minister Lorenz Caffier im Rahmen der Veröffentlichung erster Ergebnisse der Dunkelfeldstudie: „Aufgrund der Ergebnisse der Studie und des sich hieraus ergebenen Dunkelfeldes wird deutlich, dass eine Diskussion zur inneren Sicherheit nur anhand der Polizeilichen Kriminalstatistik zu kurz greift.“ Leider greift dann die Schlussfolgerung des Ministers, sicher nicht nur nach unserer Auffassung, ebenfalls zu kurz: „… Neben einer Priorisierung in der Kriminalitätsbekämpfung ist daher eine angemessene sachliche und personelle Ausstattung mindestens aufrecht zu erhalten. Straftatenverfolgung und polizeiliche Prävention bleiben weiterhin wesentliche Aufgabenfelder der Polizei, müssen  aber auch im gesamtgesellschaftlichen Maßstab verankert sein.“ Es bringt einer effektiven Kriminalitätsverhütung und –bekämpfung wenig, wenn die Verantwortung an die Prävention oder die gesamte Gesellschaft „abgegeben“ werden. Dabei ist nichts gegen Netzwerke zu sagen, nur bleibt die originäre Kraft bei der Verhütung und Bekämpfung von Straftaten immer die Polizei und das im Rahmen der ihr übertragenen Zuständigkeiten und Aufgaben, aus denen sie sich keinesfalls zurückziehen kann und darf. Und eine Priorisierung ist mit sehr viel Vorsicht zu genießen. Die Strafprozessordnung verlangt, alle Straftaten zu verfolgen und das mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. So wird aus einer Priorisierung schnell eine Strafvereitelung, und das kann nicht gewollt sein.

Wenn wir schon zugeben, dass die Kriminalitätsbelastung wesentlich höher ausfällt als sie bisher präsentiert worden ist, dann ist es nur ein logischer Schritt, dass Personal in der Kriminalpolizei wieder am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet zu erhöhen. Und wer eine Personalforderung aufstellt, sollte auch erklären können, wie diese umgesetzt werden kann. Eine pauschale Forderung nach mehr (Kriminal-)Polizei kann nur umgesetzt werden, indem zukünftig verstärkt ausgebildet wird. Dabei vergehen dann zwei oder drei Jahre, bis diese neuen Gesetzeshüter überhaupt eingesetzt werden können, abgesehen von gelegentlichen Praktika. Wir schlagen einen anderen, praktikablen Weg zur Soforthilfe vor.

Nach den Kernbefunden der Dunkelfeldstudie verbleiben 99,2% alle Fälle von Internetkriminalität und 85,3% aller Betrugsdelikte oder mehr als 50% aller Diebstähle im so genannten Dunkelfeld. Bei diesen Deliktsformen können uns so genannte Seiteneinsteiger umgehend unterstützen. Wie schon praktiziert müssen einfach Fachleute aus der IT- und der Wirtschaftsbranche eingestellt werden. Diese könnten dann sofort als IT- oder Wirtschaftsspezialisten in der Kriminalpolizei am Ermittlungsvorgang arbeiten, während sie nebenher in Modulen eine grundlegende polizeiliche Unterweisung erhalten. Als zweite Chance der Personalerhöhung steht uns sofort nur noch die freiwillige Verlängerung der Lebensarbeitszeit zur Verfügung, wie sie gesetzlich auch für maximal drei Jahre möglich ist. Nur so können wir schnell und zum augenblicklichen Einsatz Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen, die unsere jetzige prekäre Situation entspannen und mithelfen, den tatsächlichen Bedarf an Personal zu erfüllen.

Bezüglich des Einsatzes sind wir ebenfalls mit einem Vorschlag dabei. Gerade der Bereich der Internet-Delikte weist ein überaus hohes Dunkelfeld aus, folglich ist hier der größte Handlungsbedarf zu sehen. Wir regen dazu an, im Sinne einer zentralen Vorgangsbearbeitung im Landeskriminalamt aus dem bisherigen Dezernat Cybercrime eine eigene Abteilung zu bilden, in der sich dann einzelne Dezernate um Bereiche wie Grundsatz, Kinderpornografie, Terrorismus, Betrug oder Gewalt kümmern sollten. Dafür rechnen wir mit einem Mindest-Personalbedarf von 100 IT-Ermittlern. Für den Bereich der Wirtschaftskriminalität sollten mindestens 30 neue, externe Fachleute eingestellt werden. Zusammen mit den anderen Bereichen der kriminalpolizeilichen Sachbearbeitung sehen wir einen Mehrbedarf von wenigstens 250 zusätzlichen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern. Das würde uns lediglich ein Mehr an Personalkosten einbringen, aber sofort durchführbar sein. Andere Varianten für die Aufstockung der Kripo würden mehr als drei Jahre Zeit benötigen oder zu Lasten anderer, ebenfalls nach zusätzlichem Personal hungernden Sparten der Landespolizei gehen, was nicht der Weg sein darf.

Jetzt sollten sich die Verantwortlichen erklären, wie denn die Priorisierung zwischen Bedarf und Finanzen aussieht, als BDK sind wir stets und gerne bereit, aktiv und beratend zur Seite zu stehen.