BVerfG zur Wartefrist bis zur Ruhegehaltsfähigkeit von Dienstbezügen

13.04.2007

BDK: Gesetzgeber muss handeln - Keine weitere Hängepartie wie bei der immer noch verfassungswidrigen Besoldung von Beamten mit mehr als 2 Kindern - Teilhabe der Polizei- und KriminalbeamtInnen an der positiven wirtschaftlichen Entwicklung
BVerfG zur Wartefrist bis zur Ruhegehaltsfähigkeit von Dienstbezügen

Beschluss es Bundesverfassungsgericht, Az. 2 BvL 11/04, vom 20. März 2007

Mit seiner heute veröffentlichten Entscheidung, die 3-jährige Wartefrist bis zur Ruhegehaltsfähigkeit von Dienstbezügen als verfassungswidrig zu bewerten, hat das Bundesverfassungsgericht die in Art. 33 Grundgesetz normierten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gestärkt.

Es bestätigte dem Gesetzgeber zwar einen weiten Entscheidungsspielraum zur Ausgestaltung einer angemessenen Alimentation, mit der 1998 von 2 auf 3 Jahre ausgedehnten Wartefrist wurde aber dieser Gestaltungsspielraum überschritten und der Grundsatz der amtsangemessenen Versorgung grundlegend verändert.

Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht Greifswald hatte in seiner Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die mit dem Versorgungsreformgesetz 1998 erfolgte Ausdehnung der Wartefrist sich nicht durch die Finanzlage der öffentlichen Haushalte und die steigende Belastung durch Versorgungskosten rechtfertigen ließe. Deren Ursache liege im Wesentlichen in der demografischen Entwicklung und der starken Expansion des öffentlichen Dienstes in den 70er Jahren. Die finanziellen Folgen seien seit langem vorhersehbar und ein Problem der Allgemeinheit, nicht speziell der Beamtenschaft. Die großzügige Einstellungspraxis habe nicht den Interessen des einzelnen Beamten, sondern allen Bürgern dienen sollen.

Im Übrigen finde die allgemeine finanzpolitische Lage der öffentlichen Hand bereits bei der Entscheidung über die Höhe der Anpassung der Bezüge Berücksichtigung.

In seiner Begründung bestätigt das Bundesverfassungsgericht, dass die vom Dienstherrn geschuldete Alimentierung keine dem Umfang nach beliebig variable Größe ist, die sich einfach nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten der öffentlichen Hand oder nach politischen Dringlichkeitsbewertungen bemessen lässt. Die Alimentation des Beamten und seiner Familie ist etwas anderes und eindeutigeres als staatliche Hilfe zur Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung und findet ihren Rechtsgrund nicht im Sozialstaatsprinzip, sondern in Art.

33 Abs. 5 GG. Zu finanziellen Erwägungen müssen deshalb weitere Gründe hinzukommen, die im Bereich des Systems der Altersversorgung liegen und die Kürzung von Versorgungsbezügen als sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen.

Das Bundesverfassungsgericht stützt seine Entscheidung u.a. auch auf das Leistungsprinzip (Art. 33 Abs. 2 GG), wonach die Pflicht zur amtsangemessene Alimentation nach einer auf Eignung, Leistung und fachlicher Befähigung basierenden Beförderung in die Zeit des Ruhestandes hinüber wirkt. Der Grundsatz der Versorgung aus dem letzten Amt, in dem sich das Alimentations- und das Leistungsprinzip überschneiden, prägt das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Beamten und gehört deshalb zu den Grundlagen, auf denen die Einrichtung des Berufsbeamtentums beruht.

Eine Mindestverweildauer im Beförderungsamt ist nach Bewertung des Bundesverfassungsgerichts allerdings ein hergebrachter, lediglich modifizierender Bestandteil des Bemessungsprinzips der Versorgung aus dem letzten Amt und kann daher dieses Prinzip einengen.

Die Rechtfertigung liegt hierfür liegt einerseits in dem Ziel, Gefälligkeitsbeförderungen zu verhindern oder ihnen zumindest die versorgungsrechtliche Anerkennung zu versagen; andererseits soll mit der Einschränkung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine kurze Dienstzeit es dem in Reichweite des Ruhestands Beförderten oft nicht mehr ermöglichen wird, noch eine dem neuen Amt entsprechende Leistung zu erbringen. Voraussetzung der Versorgung nach Maßgabe des letzten Amtes ist daher ein Mindestmaß an nachhaltiger, diesem Amt entsprechender Dienstleistung.

Hieraus folgt aber nicht, so das Bundesverfassungsgericht weiter, dass die Wartefrist beliebig verlängerbar wäre. Das Anliegen, Gefälligkeitsbeförderungen zu verhindern und dem Umstand Rechnung zu tragen, dass eine allzu kurze Dienstzeit dem in Reichweite des Ruhestands Beförderten nicht mehr die Möglichkeit bietet, eine hinreichende Leistung im Beförderungsamt zu erbringen, ließ eine Erstreckung der Frist auf zwei Jahre gerade noch zu.

Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist § 34 Abs. 3 des baden-württembergischen Landesbeamtengesetzes (LBG) zu beleuchten, wonach eine Beförderung nicht innerhalb von drei Jahren vor Erreichen der Altersgrenze ausgesprochen werden soll.

Eine solche "Soll"-Vorschrift im verwaltungsrechtlichen Sinne ist im Regelfall für die mit ihrer Durchführung betrauten Behörden rechtlich zwingend und verpflichtet sie, grundsätzlich so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Im Regelfall bedeutet das "Soll" ein "Muss".

In einem Beschluss vom 04.11.2002 hatte der VHG Mannheim, Az. 4 S 2281/02, zu dieser Norm festgestellt, dass die in Ausprägung des in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Leistungsgrundsatzes nach § 34 Abs. 3 LBG vorgesehene dreijährige Beförderungssperre vor Erreichen der Altersgrenze dabei nicht nur dem Zweck diene, sog. Altersbeförderungen vorzubeugen, wie er auch § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG zugrunde liegt. Der Gesetzgeber bringe mit ihr vielmehr auch seine Erwartung zum Ausdruck, dass der Beamte im Interesse des Dienstherrn und zum Nutzen der Allgemeinheit die ihm übertragenen Aufgaben des höher bewerteten Amtes noch für eine längere Zeitdauer wahrnehmen werde.

Mit der heutigen Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts dürfte nach Auffassung des BDK Baden-Württemberg diese Auslegung, welche expressis verbis Bezug zu der vom Bundesverfassungsgericht als mit dem Grundgesetz unvereinbaren Norm herstellt, nicht mehr haltbar sein.

Gerade im Polizeibereich mit seiner Eigenart, dass im mittleren und gehobenen Dienst grundsätzlich keinerlei Funktionen bewertet und einem Amt zugeordnet sind wie es § 18 BBesG vorgibt, lässt sich eine Beförderungssperrfrist auch nicht auf die noch mögliche Zeitdauer der Aufgabenwahrnehmung nach einer Beförderung stützen. Diese Aufgaben wurden regelmäßig bereits lange vor einer Beförderung wahrgenommen, eine Haushaltsstelle für eine Beförderung war im Rahmen der "Topfwirtschaft" aber nicht verfügbar.

Manfred Klumpp, BDK-Landesvorsitzender: "Im Rahmen der durch die Föderalismusreform übertragenen Zuständigkeiten für Besoldung und Versorgung ist die Landesregierung gefordert, hier schnell verfassungskonforme Regelungen zu schaffen. Es darf nicht wieder zu einer Hängepartie kommen, wie bei der Alimentation von Beamten mit mehr als 2 Kinder, die ebenfalls das Bundesverfassungsgericht bereits 1998 als verfassungswidrig bewertete, aber bis heute keine gesetzliche Regelung getroffen wurde und die Betroffenen auf den Widerspruchs- und Klageweg angewiesen sind (siehe auch bdkbw-info v. 15.03.2007).

Die damit verbundene Ausdehnung der Zahl an Beförderungsbewerber, welche sich durch die von der Landesregierung angestrebte Verlängerung der Lebensarbeitszeit zusätzlich verschärft, wird die ohnedies desolate Beförderungssituation, damit die Berufsperspektiven und letztendlich die Motivation weiter belasten.

"Der Ansatz eines 'atmenden Stellenhaushaltes' von Ministerpräsident Oettinger", so Manfred Klumpp weiter, "ist richtig, deshalb brauchen wir diesen Systemwechsel. Es ist leistungsfremd, wenn sich Beförderungsmöglichkeiten nicht an den Funktionen und erbrachten Leistungen, sondern lediglich aus Altersabgängen ergeben. Auch die in der Vergangenheit zugesagten Durchschlüsselungen, die eine kurzfristige Entspannung bewirken könnten, wurden nie Realität."

Angesichts der positiven konjunkturellen Entwicklungen und der damit über die Erwartungen gestiegenen Steuereinahmen (Pressemitteilung des Finanzministerium vom 12.04.2007) fordert der BDK die Landesregierung auf, den sich dadurch ergebenen Gestaltungsspielraum zu nutzen und die Polizei- und KriminalbeamtInnen an dieser Entwicklung teilhaben zu lassen.
Innere Sicherheit ist auch ein wirtschaftlicher Standortfaktor und wird durch die Polizei des Landes auf höchstem Niveau gewährleistet.