Mehr Verwalten - statt Fahnden

22.09.2008

Der Gesamtlandesvorstand des BDK verfasst Resolution gegen "Kontrollwahn" des Innenministeriums. Kriminalisten überprüfen derzeit 160.000 Datensätze der Kriminalstatistik auf Korrektheit...
Mehr Verwalten - statt Fahnden

"Fahndung findet derzeit nicht statt…"

Resolution des BDK-Gesamtlandesvorstandes vom 18. September 2008 in Wesel

Der BDK NRW gewinnt den Eindruck, dass das Innenministerium mehr und mehr in einen Kontrollwahn verfällt. Aktuell wurden den Polizeibehörden Listen mit über 160.000 Datensätzen zur Prüfung übersandt, weil bei einem Datenabgleich zwischen dem Vorgangsverwaltungssystem IGVP mit der Polizeilichen Kriminalstatistik Unplausibilitäten festgestellt wurden, die vermuten ließen, dass ein Teil der bearbeiteten Straftaten nicht oder falsch statistisch erfasst wurden.

Die Prüfungen zeigen bisher, dass viele der Erfassungen durchaus plausibel waren, aber auch, dass die Umstellung auf einen überdimensionierten 6-stelligen Deliktsschlüssel statt jahrzehntelanger 4-stelliger Erfassung genauso wie Erfassungsprobleme und Programmfehler in IGVP die Unplausibilitäten verursachten.

Der BDK sieht wie das IM und das LKA die Notwendigkeit einer wahrhaftigen kriminalstatistischen Erfassung. Die aktuellen Planungen, in Besonderen Aufbauorganisationen und mit PKS-Sachbearbeitern in allen Kommissariaten den Sachbearbeitern die Kompetenz  zu nehmen, die PKS zu erfassen, lehnt der BDK als Entmündigung der Sachbearbeiter ab.

Das System IGVP wird den Bedürfnissen der Sachbearbeitung nicht gerecht, die Einspeicherung jeder Tat auch von Serientaten durch Sachbearbeiter und die PKS-Erfassung kostet erhebliche Zeit, die für die Sachbearbeitung nicht mehr zur Verfügung steht. Der Sachbearbeiter wird durch nicht aufeinander abgestimmte Systeme, die statistische und verwaltungstechnische Zwecke erfüllen, aber nicht die Aufklärung verbessern, immer mehr an den Schreibtisch gefesselt. Es werden nicht ausgereifte Systeme eingeführt, keine Zeit auf die Ausbildung der Mitarbeiter verwandt, nicht das für die Datenerfassung zusätzlich erforderliche Personal zur Verfügung gestellt. Kommt es dann zu Unplausibilitäten, wird eine neue Organisation aus "Controlettis" geschaffen, die die Sachbearbeitung und Kommissariatsleitungen entmündigen. Die Polizeibehörden werden zusätzlich mit Inspektionen zur Datenqualitätskontrolle und  jüngst mit 25 Fragen zur Datenqualitätskontrolle regelrecht "gequält".

Der BDK erwartet Datensysteme, die aufeinander abgestimmt sind, die Bedürfnisse der kriminalpolizeilichen Sachbearbeitung erfüllen, bedienerfreundlich sind und zur Bekämpfung und nicht zur Verwaltung der Kriminalität beitragen.

Der BDK lehnt den Kontrolllistenwahn des Innenministeriums mit fragwürdigen Kennzahlen und Zwangvorgaben für die Zahl oder den Prozentwert erkennungsdienstlicher Behandlungen ab. Der BDK spricht sich gegen unsinnige Sachfahndungsausschreibungen und fragwürdige landesweite Sachfahndungsvergleiche aus.

Der BDK sieht auch keinen Sinn darin, für das Automatisierte Fingerabdrucksystem geeignete Tatortspurenfälle in Relation zu den Straftaten mit Einbruchstatorten zu setzen, da es nicht auf die Anzahl der gesicherten Fingerspuren ankommt, sondern um die Zahl der erfolgten Täteridentifizierungen geht, die über unterschiedliche Arten der Spurensicherung und -auswertung ihrer Taten überführt werden können.

Das Innenministerium hat zu Zeiten rot-grüner Regierungen vieles getan, um die Kripo durch ungeeignete Organisationen, den Verzicht auf differenzierte Ausbildung für Schutz- und Kriminalpolizei, ungeeignete Datenerfassungssysteme und vielfache Geringschätzung kriminalpolizeilicher Arbeit zu demontieren und zu demoralisieren. Wie der BDK dies prognostiziert hatte, führte dies zu einem dramatischen Rückgang der Aufklärungsquoten gerade in den Deliktsfeldern der Massenkriminalität.

Die aktuelle Mitgliederbefragung des BDK NRW hat gezeigt, dass die NRW-Kripo am meisten unter der Geringschätzung kriminalpolizeilicher Arbeit leidet.

Statt aber den BDK-Konzeptionen nicht nur bei der Neuorganisation, sondern auch zur getrennten Ausbildung, zur Verjüngung der Kripo, Professionalisierung ihrer Mitarbeiter durch Aus- und Fortbildung zu gehen und die Kripo zu verstärken, sollen Defizite durch neue Kontrollorganisationen und -positionen mit einer erneuten Schwächung der Sachbearbeitung kompensiert werden. Dies wird ein weiterer Irrweg sein.

Die Ziele des BDK und des IM zur Verbesserung der Aufklärungsleistungen können nur durch eine Professionalisierung der Kripo und die Wertschätzung ihrer Arbeit ereicht werden, nicht durch überdimensionierte Datenerfassungen, fein ziselierte unsinnige Fragestellungen, Inspektionen und ungeeignete Kennzahlen.