Verfassungsgemäße Mindestalimentation von BeamtInnen mit 3 und mehr Kindern

01.05.2008

OVG NRW bestätigt rückwirkenden Erstattungsanspruch. Das "Kinderland Baden-Württemberg" lässt seine BeamtInnen im Klageweg für eine amtsangemessene Alimentation.
Verfassungsgemäße Mindestalimentation von BeamtInnen mit 3 und mehr Kindern

Nachdem das Bundesverfassungsgericht bereits 1998 festgestellt hatte, dass die Besoldung der Beamtinnen und Beamten mit mehr als 2 Kindern unter der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestgrenze liege und der Gesetzgeber seiner Handlungsverpflicht nicht nachkam, hatte das Bundesverwaltungsgericht 2004 die Verwaltungsgerichte befugt, auf der Grundlage der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts den Dienstherrn eines Beamten mit mehr als 2 Kindern zu höheren Gehaltzahlungen zu verurteilen.

Die darauf erfolgten Widersprüche der betroffenen Beamtinnen und Beamten gegen ihre zu geringe Besoldung wurden auch in Baden-Württemberg regelmäßig abgewiesen bzw. ruhend gestellt bis einzelne Musterklagen erwartungsgemäß durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Frühjahr 2007 bestätigt wurden.

Auf Basis dieser Entscheidung ergingen dann im Herbst 2007 Widerspruchsbescheide, welche jetzt den erhöhten Alimentationsanspruch grundsätzlich anerkannten. Allerdings sollten in Anlehnung an die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg rückwirkende Erstattungsansprüche formal nur ab dem Haushaltsjahr möglich seien, in welchem der Widerspruch eingelegt wurde.

Mit Hinweis auf eine beim Bundesverwaltungsgericht eingelegte Revision gegen eine dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vergleichbare Entscheidung des OVG Saarland wurden erneut eingelegte Widersprüche gegen die abgelehnte Rückwirkung bis zur Entscheidung in dieser Sache wiederum ruhend gestellt.

Anders hat aktuell das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschieden.

Die dortigen Richter kamen zu dem Ergebnis, dass die Entscheidungsformel zu 2. in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 zwei voneinander unabhängige Aussprüche enthält. Im ersten Teil wird der Gesetzgeber verpflichtet, innerhalb einer bestimmten Frist die im Tenor zu 1. als verfassungswidrig beanstandete Rechtslage neu zu ordnen. Der zweite Teil begründet darüber hinausgehend Leistungsansprüche jenseits gesetzgeberischer Maßnahmen, sofern der Gesetzgeber den zuvor ausgesprochenen legislatorischen Verpflichtungen nicht nachkommt.
Sie verpflichte die Dienstherren im gegebenen Zusammenhang zur Gewährung amtsangemessener Alimentation, solange der Gesetzgeber dem ihm seitens des Bundesverfassungsgerichts auferlegten Handlungsauftrag nicht nachkommt, eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende gesetzliche Regelung in Bezug auf die Besoldung von Beamten und Richtern mit mehr als zwei Kindern zu schaffen.

In der Konsequenz wurden dem Kläger zurück bis zum Jahre 2000 ein Anspruch auf eine erhöhte Alimentation zugesprochen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache wurde allerdings die Revision zugelassen.

Für den BDK, dessen Mitgliedern die besondere, bindende Wirkung der höchstricherlichen Rechtsprechung aus dem täglichen Dienst bekannt ist, bestätigt sich mit auch mit dieser Entwicklung, dass die Fürsorgepflicht des Dienstherrn zunehmend zu einer leeren Worthülse wird.

Manfred Klumpp, BDK-Vorsitzender in Baden-Württemberg: "Den grundsätzlichen Anspruch auf eine höhere Alimentation bei mehr als 2 Kindern bestreitet ernsthaft niemand mehr."
Das Landesamt für Besoldung und Versorgung berechnet zwischenzeitlich den erhöhten Anteil für das 3. und weitere Kinder - mangels einer im noch ausstehenden gesetzlichen Regelung - nachträglich für ein Kalenderjahr.

"Es ist jedoch beschämend," so Klumpp weiter, "dass und wie der Dienstherr versucht, sich seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamtinnen und Beamten und deren Familien sowie deren berechtigten Ansprüchen über die Einrede einer möglichen "Verjährung" zu entziehen. Und das in einem Land, das für sich den Anspruch erhebt, Kinderland zu sein."

Wäre der Gesetzgeber seiner Verpflichtung aus den Entscheidungen des Bundesverfassugsgerichtes nachgekommen, müsste man diese Diskussion heute nicht führen.

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