Cybercrime – Ist die Polizei richtig aufgestellt?

09.07.2015

Am Montag, 22.06.2015, kam es zu einem Hackerangriff auf Zulassungsstellen in Rheinland-Pfalz und Hessen, bei dem laut Bericht des SWR Daten „verloren gingen“. Die Ermittlungen wurden von der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz übernommen. Zu einem weitaus heftigeren Vorfall kam es im Deutschen Bundestag, der Mitte Juni 2015 bekannt wurde. Dies ist nur ein kleiner Auszug von Cyberangriffen – Straftaten, die inzwischen täglich stattfinden. Laut SWR (23.06.2015) registriert das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) täglich rund 3.500 Angriffe allein auf Regierungsnetze.
Cybercrime – Ist die Polizei richtig aufgestellt?

Diese Zahlen sind beunruhigend. Laut Jahresbericht des BSI  (2011-2012) ist es keine Utopie mehr, dass Cyberangriffe kritische Infrastrukturen manipulieren können, was aktuelle Beispiele bereits zeigen.  Auch führt das BSI an, dass wir uns immer professioneller agierenden Angreifern gegenüber sehen. Der Lagebericht zur IT Sicherheit des Jahres 2014 informiert umfangreich über die aktuelle Gefährdungslage.[1]

 „Laut BSI steigert die  Vernetzung aller Systeme und Dinge („Internet of Things“) sowie die Digitalisierung von physischen Systemen („Cyber-physical Systems“)  die Komplexität der digitalen Infrastrukturen in hohem Maße. Schon heute sind viele Haushaltsgeräte, Gebäudesteuerungen, Gefahren- und Brandmeldeanlagen, Verkehrssysteme und Automobile vernetzt und mit dem Internet verbunden. Mit steigender Komplexität der Systeme stoßen altbekannte konventionelle IT-Sicherheitsmechanismen schnell an ihre Grenzen und vermögen es nicht, Zuverlässigkeit und Beherrschbarkeit im gewohnten Maße zu gewährleisten. Bereits jetzt ist der Bedarf für innovative Lösungsansätze zur Gewährleistung eines hinreichenden IT-Sicherheitsniveaus der Gesamtsysteme sichtbar und wird in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen.“

Polizei und Justiz müssen sich immer häufiger kritischen Fragen stellen, inwiefern sie mit dieser Kriminalitätsentwicklung technisch und personell Schritt halten können. Neben den beschriebenen Attacken auf Rechner und Netzwerke darf man in diesem Zusammenhang auch die Zunahme der klassischen Tatbestände unter Ausnutzung des Tatmittels Internet, wie Ausspähung von Daten, Cyber-Mobbing, Volksverhetzung, Betrug/Hehlerei, Urheberrechtsverletzung, Kinderpornografie, und viele andere, nicht vergessen.

Vor diesem Hintergrund verweist der BDK erneut auf die aktuell anhaltende Diskussion zur „Sonderlaufbahn Polizei“ in Rheinland-Pfalz. Auf eine Kleine Anfrage 2014 hat die Landesregierung dazu Stellung bezogen.

Im Doppelhaushalt 2014/15 waren 38 Stellen in der Besoldungsgruppe A 10 für dringend benötige Spezialisten vorgesehen. In diesen 38 Stellen sind jedoch allein 14 Stellen enthalten, um bestehende Tarifbeschäftigtenstellen in entsprechende Beamtenstellen umzuwandeln. Nach dem aktuellen Informationsstand haben diese Kolleginnen und Kollegen anschließend aber keine Möglichkeit auch eine Stelle in A 11 zu erhalten. Da die bisherige Eingruppierung der Tarifbeschäftigten in diesen spezialisierten Arbeitsbereichen mit einer Besoldung nach A 11 vergleichbar ist, hält sich der Ansturm auf diese Stellen in Grenzen, da eine Verbeamtung unter den gegebenen Rahmenbedingungen ein Einkommensverlust darstellt.

Ein personeller Mehrwert könnte natürlich in den verbliebenen 24 Stellen liegen. Gerade für den Bereich Cyberkriminalität, der von Innenminister Roger Lewentz in seinem Sicherheitspaket richtigerweise als Schwerpunkt bewertet wird, könnte mit diesem zusätzlichen Personal die dringend notwenige fachliche Unterstützung erfolgen. Für das Jahr 2015 sollten, von diesen Überlegungen ausgehend, schon mal 6 Mitarbeiter eingestellt werden, für 2016 dann nochmal 5 Stellen.

Die Bewerberzahlen waren jedoch sehr überschaubar. So konnten bei einer ersten Ausschreibung nur vier Personen aus dem Fachbereich Informatik oder vergleichbarer Studiengänge gewonnen werden.

Der BDK sieht nach vor die Gefahr, dass die tatsächlichen Gegebenheiten im Bereich Cyberkriminalität  die Ermittlungsbehörden vor Herausforderungen stellen, die bald nicht mehr zu bewältigen sind.  Der BDK begrüßt ausdrücklich, dass Innenminister Lewentz die Bekämpfung der Internetkriminalität als wichtige Zukunftsaufgabe sieht. Auch ein stärkerer Schulterschluss der Sicherheitsbehörden mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft ist ein richtiger Weg.[2]

Der BDK teilt aber nicht die Ansicht, dass wir in diesem Bereich gut aufgestellt sind. Das BKA und das LKA Niedersachsen kommen zu dem Schluss, dass nur ein sehr geringer Teil der Internetkriminalität im weiteren Sinne überhaupt angezeigt wird. Nach einer Dunkelfeldforschung  aus dem Jahr 2013 kam man zu dem Ergebnis, dass lediglich 9 Prozent aller Delikte im Bereich Cybercrime angezeigt werden.[3]

Das lässt nicht nur den Schluss zu, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Aufklärungsleistung der Polizei bei Cybercrime nicht sehr hoch ist, sondern belegt auch sehr eindeutig, dass die Sicherheitsbehörden völlig überfordert wären, wenn alle Delikte angezeigt würden.

Der BDK regt an, die aktuellen Personalplanungen zu überdenken. Überlegungen, entsprechend vorqualifizierte Fachleute über ein verkürztes Polizeistudium als Polizeibeamte einzustellen, ist ein richtiger Weg. Um bestehendes Tarifpersonal längerfristig zu halten, müssen diese besseren beruflichen Perspektiven geboten werden. Aufgrund der unterschiedlichen Einstufungen in den Bundesländern ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Kollegen abgeworben werden. Aktuelle Ausschreibungen des LKA Baden-Württemberg bieten für den gleichen Bereich ganz andere Perspektiven. Die Landesregierung sollte insbesondere daraufhin wirken, dass Gelder für die Einstellung aller im Doppelhaushalt vorgesehenen Stellen auch bereitgestellt werden.

 

Der Landesvorstand