Das Jahr 2022, gewerkschaftliche Arbeit im Jahr der Zeitenwende – ein persönlicher Jahresrückblick

01.12.2022

der kriminalist, Editorial 12/2022
Kriminalpolizei

„Strukturreform und neue gewerkschaftliche Schwerpunkte – der BDK wird jünger und weiblicher!“ So lautete die Überschrift meines Editorials vor genau einem Jahr, das ich als frisch gewählter Vorsitzender des BDK im Nachgang zu unserem Bundesdelegiertentag in Suhl schrieb. Wir alle sind damals, versehen mit einem ordentlichen Paket an Hausaufgaben unserer Delegierten, aus Suhl zurückgekehrt und gingen hochmotiviert an die gewerkschaftliche Arbeit der 16. Amtsperiode.

Durchgreifende Änderungen unserer Verbandsstruktur waren anzugehen, Satzungen anzupassen, kriminalpolitische Beschlusslagen an geeigneter Stelle zu diskutieren und bestenfalls umzusetzen, zahlreiche Gremiensitzungen und Veranstaltungsformate zu planen. Natürlich sind wir mit diesen Vorhaben in ein neues Jahr gegangen, das auch weiterhin von der andauernden Corona-Pandemie bestimmt war, die uns privat wie auch dienstlich belastete.

Genau zwölf Monate später stelle ich fest, dass der Jahresrückblick erheblich von Putins Angriffskrieg, dem Leid der Menschen in der Ukraine und den Auswirkungen auf die europäische und internationale Sicherheitsarchitektur geprägt ist.
Der Beginn des Einmarsches der russischen Armee in die Ukraine am 24.02.2022 leitete nicht nur die vielfach erwähnte Zeitenwende mit allen damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Folgen ein. Er führte auch dazu, dass selbst ein „nuklearer Tabubruch“ zum Szenario wurde, welches nicht gänzlich auszuschließen ist und sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede am 28.10.2022 deutlich machte, dass „eine Ausweitung des Krieges, gar eine nukleare Eskalation verhindert werden muss.“

Steigende Preise für Energie, Lebensmittel und Konsumgüter, drohende Blackouts, sinkende Realeinkommen, die deutsche Wirtschaft am Rande einer Rezession und die Aufnahme Geflüchteter aus der Ukraine sind Themen, die vermutlich uns alle bis zum heutigen Tag mit Sorge beschäftigen und auch einen Jahresrückblick aus Sicht des BDK in den Hintergrund rücken lassen.

Die Politik hat viele Maßnahmen getroffen, um die Härten durch die galoppierende Inflation und die Energiekrise auszugleichen. Aber wo bleibt der öffentliche Dienst, der in diesen Zeiten besonders gefordert ist?

Die an den Tarifverhandlungen beteiligten Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes für die Beschäftigten der Länder konnten sicher bei Tarifabschluss weder den Ukraine-Krieg noch die horrende Inflation und den Anstieg der Energiepreise vorhersehen. Der Tarifabschluss sieht vor, dass die laufenden Monatsgehälter zum 1. Dezember 2022 um 2,8 Prozent steigen. Außerdem gab es für viele Beschäftigte eine Einmalzahlung von 1.300 €, nicht für die Versorgungsempfänger. Dies war erkennbar ein magerer Abschluss, für den vielen Gewerkschaftsmitgliedern das Verständnis fehlte. Er hat eine Gültigkeit von 24 Monaten. Die öffentlichen Arbeitgeber kamen aber auch nicht auf die Idee, von sich aus als Inflationsausgleich die Tarife und die Besoldung in Anlehnung an die Entwicklungen in der Privatwirtschaft zu erhöhen. Dies wäre mal ein Zeichen der Wertschätzung gewesen.

Planmäßig haben ver.di und dbb Beamtenbund am 11. Oktober 2022 die Tarifforderungen für die Verhandlungen im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen vorgestellt. ver.di fordert für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten Kommunen eine Anhebung der Einkommen um 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten.

Meine persönliche Bilanz ist daher nicht unter „business as usual“ zusammenzufassen. Ich hatte anlässlich von verschiedenen Landesdelegiertentagen, Bundesvorstands- und zahlreichen Landesvorstandssitzungen die Gelegenheit, mich in Gesprächen mit unseren Funktionärinnen und Funktionären auszutauschen. Rückblickend waren diese Gespräche für mich maßgebend für ein Resümee, das für unseren Verband kennzeichnend ist. Der BDK wird von Kolleginnen und Kollegen repräsentiert, die auch unter den beschriebenen Umständen, verbunden mit stetig wachsenden dienstlichen Belastungen, herausragendes Engagement zeigen. Dieses Engagement war auch 2022 stets von fachlicher Expertise und einem konstruktiven Lösungsansatz getragen.

Leider steht die öffentliche Debatte zu kriminalpolitischen Themen nicht selten unter dem Motto „viel Meinung – wenig Ahnung“. Vertreterinnen und Vertreter unseres Verbandes haben auch im Jahr 2022 dafür gesorgt, die kriminalpolizeiliche Praxis, aber auch deren Schwachstellen in diese Debatten mit einzubringen und so zu einer Versachlichung beigetragen. Wir haben kontinuierlich auf die Problemfelder bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und die erheblichen Arbeitsbelastungen in der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren zur Auswertung von Daten kryptierter Messengerdienste hingewiesen.

In gleicher Weise haben wir zu den Problemen der Geldwäschebekämpfung und der Durchsetzung von Sanktionsmaßnahmen, den Konsequenzen aus dem Urteil des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung und der kontrollierten Abgabe von Cannabis Stellung bezogen. Wir haben uns anlässlich der erfolgten Anhörungsverfahren in den Gesetzgebungsprozess mit eingebracht.

Natürlich wurden verschiedene Themen auch in unseren Gremien kontrovers diskutiert, erhielten Beschlusslagen des Bundesvorstands oder Äußerungen unserer Vertreterinnen und Vertreter in Interviews bei unseren Mitgliedern nicht immer nur Zuspruch. Diese Feststellung ist für mich jedoch keineswegs negativ besetzt. Sie ist eher ein Beleg für die Vielfalt und das hohe Maß an Fachlichkeit und Engagement unseres Verbandes und seiner Mitglieder.

Ich möchte mich daher an dieser Stelle bei allen Kolleginnen und Kollegen für ihr ehrenamtliches Engagement im und für den BDK, ihr Eintreten und Streiten für die Belange unserer Mitglieder, recht herzlich bedanken.

Erlauben Sie mir abschließend den Hinweis darauf, dass wir leider derzeit nicht darauf hoffen können, dass die Menschen in der Ukraine ein ähnlich friedvolles Weihnachtsfest zu erwarten haben wie wir. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer werden die Adventszeit und den Heiligen Abend in Angst verbringen, auf der Flucht sein oder der Familienmitglieder und Freunde gedenken, die in diesem schrecklichen Krieg zu Tode gekommen sind. Diese Erkenntnis ist, bei allen Belangen, für die der BDK sich einsetzt und streitet, in meinem ganz persönlichen Jahresrückblick die Wichtigste.

Ich wünsche Ihnen ruhige Advents- und Weihnachtszeit sowie einen guten Übergang in das neue Jahr 2023!


Herzliche Grüße

Dirk Peglow
BDK-Bundesvorsitzender

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