Der Bundesfinanzminister und „der große Wurf“ in der Geldwäschebekämpfung. Ein Paradigmenwechsel 29 Jahre nach Einführung des Geldwäschegesetzes?

04.10.2022

der kriminalist, Editorial 10/2022
Bruno Glätsch - Pixabay

Der Bundesfinanzminister und „der große Wurf“ in der Geldwäschebekämpfung. Ein Paradigmenwechsel 29 Jahre nach Einführung des Geldwäschegesetzes?

Am 24.08.2022 stellte Bundesfinanzminister Christian Lindner die „Eckpunkte einer schlagkräftigen Bekämpfung der Finanzkriminalität und effektiveren Durchsetzung von Sanktionen“ vor. Mit der Festlegung von klaren Verantwortlichkeiten bei der Detektion krimineller Erträge, der operativen Umsetzung von Sanktionen und einer Koordinierung der Aufsicht im Nichtfinanzsektor sollen künftig Grundlagen geschaffen werden, die dem Ruf Deutschlands als Geldwäscheparadies entgegenwirken.

Kenner der Materie waren sicher nicht erstaunt über die Feststellung des Ministers, dass wir eine vielschichtige und kleinteilige Behördenstruktur mit überschneidenden Zuständigkeiten und in Teilen unklaren Kompetenzen haben und es an qualifizierten Fachkräften und hinreichender IT-Ausstattung fehlt. Weitaus mehr überraschte mich, 29 Jahre nach Einführung des Geldwäschegesetzes, der von Christian Lindner angekündigte Paradigmenwechsel in der Geldwäschebekämpfung, der nun vorsieht, an die Hintermänner der kriminellen Vortat zu gelangen und der Spur des Geldes zu folgen.
„Neuer Ansatz im Bäckerhandwerk – Könnte Sauerteig helfen?“ so der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof, Thomas Fischer, dazu in seiner Spiegel-Kolumne unter dem Titel „Mafia, Hände hoch, jetzt kommt Christian Lindner“ vom 26.08.2022.

Der kleinteiligen Behördenstruktur will der Minister nun mit der Einrichtung eines Bundesfinanzkriminalamtes begegnen, in dem eine Kompetenzbündelung erfolgen soll, um künftig komplexe Fälle von (internationaler) Geldwäsche zu erkennen und nachhaltig zu bekämpfen.

Dass der beabsichtigte Paradigmenwechsel durch Christian Lindner einen Tag vor Veröffentlichung des Evaluationsberichtes der Financial Action Task Force (FATF) zu den Maßnahmen der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in Deutschland angekündigt wurde, dürfte kein Zufall gewesen sein.

Financial Action Task Force bescheinigt Deutschland eine positive Entwicklung, aber...
Die FATF, eine bei der OECD angesiedelte Institution, deren Aufgabe es ist, Standards bei der Bekämpfung der Geldwäsche zu setzen und diese zu überprüfen, hat Deutschland in dem am 25.08.22 vorgelegten Bericht eine positive Entwicklung im Berichtszeitraum attestiert. So haben verschiedene Maßnahmen in Deutschland zu einem breiteren und besseren Verständnis der Geldwäschebekämpfung beigetragen. Es wurden Prozesse optimiert und Maßnahmen ergriffen, um etwa den Immobilien- und Bankensektor, die entstandenen Risiken durch die Covid-Pandemie oder virtuelle Vermögenswerte besser zu kontrollieren. Auch wurde die Zusammenarbeit zwischen der FIU (Financial Intelligence Unit) des Zolls und der Polizeien der Länder und des Bundes verbessert.

Kritisch wurde angemerkt, dass die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen noch nicht ausreichend ist und z. B. zusätzliche Initiativen erforderlich sind, um die Risiken des Hawala- Bankings (vertrauliches, schnelles Versenden von Bargeld durch Zwischenhändler) zu minimieren. Auch die Zahl der gemeldeten Verdachtsfälle, die einer strafrechtlichen Verfolgung zugeführt werden, ist nach Ansicht der FATF in Anbetracht der Größe des Finanzmarktes Deutschlands viel zu niedrig und der grenzüberschreitende Bargeldschmuggel nicht ausreichend im Fokus der Ermittlungsbehörden.

Das föderale System in Deutschland verhindert zudem eine zentralisierte Fallerfassung und Geldwäscheverfolgung und bedarf einer Verbesserung. Nicht selten werden z.B. Bankkonten für mehrere Staatsanwaltschaften oder Polizeidienststellen unnötigerweise gleichzeitig beauskunftet, weil in verschiedenen Bundesländern ohne das Wissen anderer Ermittlungen parallel ermittelt wird. Der Datenaustausch und Zugriff auf entsprechende Datenbanken sollte ebenso schnellstens optimiert werden. Die FATF fasst zusammen, dass Deutschland eher einen reaktiven als proaktiven Ansatz fährt, um Geldwäsche zu identifizieren. Zudem ist keine wirklich klare Strategie in der Bekämpfung erkennbar und es fehlt, in Anbetracht der Risiken des Bargeldschmuggels, an effektiven Maßnahmen in Deutschland.

Ist das Bundesfinanzkriminalamt eine Lösung?
Natürlich ist die Einrichtung einer Organisationsstruktur auf Bundesebene, die zusammen mit den Strafverfolgungsbehörden der Länder illegale Vermögenswerte aufspürt und einzieht, ein Lösungsansatz, der zu begrüßen ist. Der von Minister Lindner angekündigte Paradigmenwechsel ist darin jedoch nicht zu sehen.

Lediglich bei der Umsetzung von Sanktionsmaßnahmen erscheint der Begriff leider angemessen zu sein. Die Berichterstattung über den Umgang mit einer in Hamburg liegenden Yacht und verschiedenen Immobilien am schönen Tegernsee, die dem „Oligarchen“ Alisher Usmanov zugerechnet werden, vermittelte der deutschen Öffentlichkeit, wie schlecht es um die Durchsetzung von Sanktionsmaßnahmen bei uns bestellt ist. Neben dieser war eine weitere Erkenntnis, dass die EU nicht erst am 24.02.2022 damit begonnen hat, Sanktionen gegen Russland zu verhängen, sondern dies bereits im Zuge der Annexion der Krim im Jahr 2014 erfolgte. Hinzu kommt, dass die EU neben dem Sanktionsregime gegen Russland noch in 29 weiteren Fällen Sanktionen im Kapital- und Zahlungsverkehr beschlossen hat. Bleibt also die Frage, warum die nun festgestellten Schwierigkeiten nicht schon früher erkannt wurden. Vor diesem Hintergrund ist die beabsichtigte klare Zuweisung einer operativen Verantwortlichkeit für die Umsetzung von Sanktionen in einem einzurichtenden Bundesfinanzkriminalamt dringend notwendig.

Nicht weniger wichtig ist es, von den schätzungsweise 100 Mrd. Euro, die in Deutschland jährlich gewaschen werden, mehr als bisher aufzuspüren und einzuziehen und endlich davon wegzukommen, dass die Ermittlungsbehörden von dieser Summe weniger als 1 Prozent überhaupt identifizieren können.

Wie eingangs bereits festgestellt, die Einrichtung eines Bundesfinanzkriminalamtes ist richtig. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, dass Herr Lindner eine neue Behörde schaffen möchte und nicht die bestehenden Strukturen nutzt. Der BDK hat bereits in seinem Grundsatzpapier aus dem Jahr 2018 festgestellt, dass das Zollkriminalamt in seiner Rolle und Aufgabenwahrnehmung zu stärken und aus der Generalzolldirektion herauszulösen ist. Ferner haben wir in diesem Papier den Vorschlag gemacht, das Zollkriminalamt zu einer Bundesoberbehörde zu machen, der dann u. a. die Zollfahndungsämter mit ihren kriminalpolizeilichen Kompetenzen, die Financial Intelligence Unit und, als hinzukommende Komponente, eine Organisationseinheit mit Zuständigkeiten für die Umsetzung von Sanktionsmaßnahmen zuzuordnen ist.

Der Bundesfinanzminister wäre gut beraten, wenn er sich – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der drei von der Bundesregierung beschlossenen Entlastungspakete im Gesamtvolumen von 95 Milliarden Euro – dazu durchringen könnte, bestehende Behördenstrukturen aufzuwerten und handlungsfähig zu machen, um wenigstens einen Teil der erheblichen Belastungen des Bundeshaushaltes aus der Abschöpfung krimineller Vermögenswerte zu refinanzieren.

Herzliche Grüße

Dirk Peglow
BDK-Bundesvorsitzender

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