Die Auswerte- und Analysefähigkeit der Polizei in Zeiten aktueller Bedrohungen durch die Terrorgruppe ISPK

28.03.2024

Erneut wird die Öffentlichkeit durch ein schreckliches Attentat auf die seit Jahren bestehende Gefahr durch islamistische Terrorgruppen aufmerksam. Wie steht es diesbezüglich eigentlich um die Auswerte- und Analysefähigkeit der Polizei?
Die Auswerte- und Analysefähigkeit der Polizei in Zeiten aktueller Bedrohungen durch die Terrorgruppe ISPK

„Abgeschottet, vernetzt und hochgefährlich“ so die Überschrift eines Artikels in der Frankfurter Allgemeine Zeitung“  vom 27.03.24 zu den Gefahren, die von der Terrorgruppe „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) ausgehen.

Erneut wird die Öffentlichkeit durch ein schreckliches Attentat auf die seit Jahren bestehende Gefahr durch islamistische Terrorgruppen aufmerksam. Mal wieder wird im Anschluss die Abwehrfähigkeit der deutschen Sicherheitsbehörden gegen Bedrohungen durch terroristische Bestrebungen diskutiert und von Politikerinnen und Politikern mit unterschiedlichen Forderungen kommentiert.

Dem polizeilichen Einsatzgrundsatz „Ruhe bewahren und Überblick verschaffen“ folgend lässt sich feststellen, dass die deutschen Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung terroristischer Bedrohungen (nicht nur durch islamistische Gruppierungen) grundsätzlich gut aufgestellt sind.

Gerade im Zusammenhang mit der Bearbeitung islamistischer Gefährder wurden die Arbeitsprozesse in den letzten Jahren konsequent ausgebaut und fortentwickelt. So wurde bereits im Jahre 2004 das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) eingerichtet, in dem gewährleistet wird, dass Informationen, die bei unterschiedlichen Behörden zu Personen oder Sachverhalten vorliegen, unmittelbar ausgetauscht und einer Risikobewertung unterzogen werden. Auch die Implementierung und bundesweite Nutzung des Risikobewertungssystems Radar-iTE war ein wichtiger Schritt bei der standardisierten Bewertung des Gefahrenpotentials, das von Personen aus dem islamistischen Spektrum ausgeht.

Vertrauenspersonen und Quellen-TKÜ
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die polizeilichen Handwerkszeuge gerade aktuell durch gesetzgeberische Initiativen der Bundesregierung eingeschränkt werden. Beispiele hierfür sind die beabsichtigte gesetzliche Regelung und Einschränkung des Einsatzes von Vertrauenspersonen, die gerade im Bereich der Terrorismusbekämpfung ein unverzichtbares Werkzeug sind, um terroristische Netzwerke aufzuklären. Aber auch die immer noch nicht umgesetzte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung oder die geplante Verschärfung der Möglichkeiten zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung, durch die auch verschlüsselte Messengerdienste wie z. B. WhatsApp überwacht werden können, lässt erhebliche Erkenntnisdefizite bei der Polizei befürchten.  

Vorratsdatenspeicherung
Gerade die Speicherung von IP-Daten ist in nahezu allen Kriminalitätsbereichen von enormer Bedeutung, da wir seit Jahren eine Verlagerung von Kriminalität aus dem analogen in den digitalen Bereich feststellen. Umso fragwürdiger ist es, dass Bundesjustizminister Buschmann hier weiterhin in einer Blockadehaltung zu verharren scheint und immer noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der die Möglichkeiten, die der EuGH bei der anlasslosen Speicherung von IP-Daten nicht nur vor dem Hintergrund aktueller Bedrohungen eröffnet hat, bestmöglich nutzt.

Analyseplattform VeRA
Dass die Bundesinnenministerin den ISPK als die größte islamistische Bedrohung in Deutschland sieht, sollte auch dazu führen, dass sie ihre Entscheidung aus dem letzten Jahr, dem BKA und der Bundespolizei die Nutzung der verfahrensübergreifenden Recherche- und Analyseplattform (VeRA) des Unternehmens Palantir Technologies zu untersagen, überdenkt.

Frau Faeser würde damit nicht nur der gesamten Fachlichkeit aller Bundesländer folgen, die sich für die Einführung von VeRA ausgesprochen haben, sie würde auch die Grundlage dafür schaffen, eine Implementierung dieses Systems in allen Bundesländern zu realisieren, dessen Nutzung derzeit nur in Hessen und Nordrhein-Westfalen erfolgt und in Bayern vor der Einführung steht.

Ihre Ankündigung, ein alternatives Analysetool zu VeRA in eigener digitaler Kompetenz zu entwickeln, ist nicht nur aufgrund der Zeit, die ein solches Vorhaben in Anspruch nehmen wird und im Hinblick auf die aktuell bestehenden Bedrohungslagen aus Sicht der polizeilichen Praxis nicht zu akzeptieren.

Gerade bei der Abwehr terroristischer Bedrohungslagen sind die deutschen Sicherheitsbehörden dringend darauf angewiesen, die in den unterschiedlichen Datenbeständen vorliegenden Informationen zu relevanten Personen schnellstmöglich deutschlandweit zusammenzuführen, um Netzwerke zu identifizieren, Anschlagspläne zu erkennen und deren Umsetzung zu verhindern. Die flächendeckende Implementierung von VeRA würde wesentlich dazu beitragen, bestehende Erkenntnisdefizite zu Bedrohungslagen zu minimieren und sehr zeitnah erforderliche Maßnahmen einzuleiten.

Einführung eines Nationalen Sicherheitsrates und die (Wieder-) Einrichtung eines unabhängigen Beratungsgremiums
Weiterhin ist aus Sicht des BDK die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates eine wesentliche Grundlage Verantwortlichkeiten zu schaffen, um zeitnah und flexibel auf Herausforderungen für die innere und äußere Sicherheit reagieren zu können, schneller Sicherheitsstrategien festzulegen und Zusammenarbeiten zu koordinieren, um Gefahren frühzeitig zu erkennen und abzuwehren.

Dem Nationalen Sicherheitsrat sollte ein unabhängiges Beratungsgremium, ähnlich der 2015 abgeschafften Schutzkommission beim Bundesministerium des Innern im Zusammenhang mit dem Bevölkerungsschutz, an die Seite gestellt werden. Dieses aus unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bestehende Gremium würde eine beratende Funktion einnehmen und evidenzbasiert zwischen den Organen der Sicherheitsarchitektur moderieren.

Dirk Peglow
BDK Bundesvorsitzender

Foto von Lukas Blazek auf Unsplash