Die Elektronische Akte in Strafsachen (EAS): Chancen und Herausforderungen für die Kriminalpolizei

30.08.2025

Mit der EAS steht die Polizei in Schleswig-Holstein vor einer grundlegenden Digitalisierung ihrer Ermittlungsakten. Erste Dienststellen arbeiten bereits vollständig digital, bis Jahres-ende sollen alle angeschlossen werden. Während die neue Aktenführung Vorteile verspricht, zeigen sich in der Praxis noch einige Herausforderungen. Der BDK ist mit den Ver-antwortlichen im Gespräch.
E-Akte in Strafsachen: Ein Lichtblick?

Immer mehr Kolleginnen und Kollegen haben mittlerweile ersten Erfahrungen mit der E-Akte „e²A“ (ergonomisch elektronischer Arbeitsplatz) von der Fa. SINC aus Wiesbaden gemacht. Sie sieht modern und aufgeräumt aus, die Bedienung ist grundsätzlich einfach. Wie häufig bei großen Veränderungen gibt es Licht und Schatten.

Vorteile der digitalen Akte

Die EAS soll langfristig zahlreiche Vorteile gegenüber der Papierakte bieten. Sie ermöglicht einen schnelleren Zugriff auf zentral gespeicherte Dokumente und soll durch Suchfunktionen das Auffinden relevanter Informationen erleichtern. Die Aktenbestandteile werden unabhängig vom Umfang einfach per Mausklick abgelegt. Ebenso ist der Versand der Akten grundsätzlich erheblich schneller und weniger aufwändig. Gleichzeitig reduziert sie den Papierverbrauch, sie kann den Archivierungsaufwand verringern und erhöht die Nachverfolgbarkeit und Sicherheit der Akten. Besonders für die Kriminalpolizei, die häufig mit umfangreichen und komplexen Akten arbeitet, sollen sich dadurch spürbare Erleichterungen im Arbeitsalltag ergeben. Ein digitaler Workflow der Zukunft ist möglich.

Aktuelle Herausforderungen

Die Praxis zeigt ein differenziertes Bild. Zuletzt wurde Abgabe von Vorgängen über die EAS wieder gestoppt. Wir hoffen die Probleme mit dem Versand können bald und nachhaltig behoben werden. Ansonsten ergeben sich für die Bearbeitung kleinerer Verfahren bisher weniger Herausforderungen, die ersten Rückmeldungen sind hier überwiegend positiv. Für umfangreiche Verfahren zeichnet sich ab, dass die Software für die sich stellenden Anforderungen noch nicht hinreichend ausgereift ist. An zu vielen Stellen gilt hier noch das Motto: Workaround statt Workflow

Nicht durchdachte oder fehlende Funktionen erzwingen Umwege, um zum Ziel zu gelangen. Wie wir erfahren haben, werden bereits erfasste Daten zu Neueingängen der Staatsanwaltschaften bisher nicht automatisch übernommen. In den Geschäftszimmern müssen Stammdaten wie z.B. die Personalien wie zuvor händisch eingeben werden. Weiter wird der Lesefluss durch die Akte dadurch behindert, dass seitenweises Scrollen mit der Maus nicht möglich ist und ein Reader, mit dem durch die gesamte Akte und nicht nur durch einzelne Dokumente geblättert werden kann, noch aussteht. Auch Texterkennung und Volltextrecherche sind bisher nicht implementiert. Die Zitierfunktion entspricht noch nicht den Anforderungen, falls auf mehr als ein, zwei Beweismittel verwiesen werden muss. Denn es gilt: durchlaufende Seitenzahlen für die gesamte Akte gibt es in der digitalen Welt erst, wenn die betreffenden Aktenteile bei der Staatsanwaltschaft waren und stehen somit vor Abgabe für Blattverweise nicht mehr zur Verfügung. 

Hinzu kommt, dass die vorhandene Hardwareausstattung – typischerweise zwei 22-Zoll-Bildschirme – für die Darstellung und parallele Bearbeitung mehrerer DIN-A4-Seiten in Ganzseitenansicht nicht ausreicht. Die Bände der Akte liegen jetzt nicht mehr lesebereit auf dem Schreibtisch. Die Anwendung der sog. technischen Regeln für Arbeitsstätten/Bildschirmarbeit, die auf arbeitsmedizinischen Erkenntnissen beruhen und vom Bundesarbeitsministerium herausgegeben werden, führt bei dieser Anforderung zu größeren Bildschirmen. Hier sollte ergebnisoffen unter Berücksichtigung arbeitsmedizinischer Anforderungen geprüft werden, wie der digitale Arbeitsplatz der Zukunft in den verschiedenen Arbeitsbereichen aussehen soll bzw. muss. Dabei gilt für uns das Motto des betrieblichen Gesundheitsmanagements der Polizei:

Organisation und Arbeit derart gestalten, dass unter Einbeziehung der Arbeitszufriedenheit alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesund, leistungsfähig und leistungsbereit bleiben.

Insgesamt fehlen bisher insbesondere für umfangreiche Akten mit einer Vielzahl von einzelnen Dokumenten und Seiten oder einigen Sonderbänden, wie sie in der kriminalpolizeilichen Sachbearbeitung regelmäßig vorkommen, noch die erforderliche Übersicht und die Mittel zur strukturierten Ergebnisdarstellung.

Der BDK Schleswig-Holstein fordert daher konkret:

·       die Beseitigung bestehender Softwarefehler und die Sicherstellung einer stabilen, zuverlässigen Software mit reibungslosen Abläufen

·       für die Entwicklung der EAS ein modernes Anforderungsmanagement zur kontinuierlichen Rückkopplung mit der Arbeitsebene aus den verschiedenen Bereichen der Sachbearbeitung

·       die Bereitstellung ergonomischer Arbeitsplätze mit genügend großer Bildschirmfläche, auf denen bei paralleler Bearbeitung mit @rtus / Office mindestens zwei DIN-A4-Dokumente in Seitenansicht nebeneinander augenschonend dargestellt werden können

·       die zügige Implementierung weiterer notwendiger Funktionen, wie beispielsweise Texterkennung, einer benutzerfreundlichen Zitierfunktion zur einfachen Verlinkung direkt zu den Fundstellen oder einem Aktenreader zum durchgängigen Lesen der Gesamtakte und nicht nur einzelner Dokumente

·       Verwirklichung eines Workflows mit möglichst wenig Brüchen in der Bearbeitung (z.B. ohne ständigen Wechsel zwischen Maus und Tastatur)

·       schnellstmögliche Einführung des rechtssicheren Scannens von klassischem Schriftverkehr, um die jetzt wieder erforderliche, doppelte Aktenhaltung beim kopierenden Scannen zu beenden.

Ausblick

Bei einem vielversprechenden Auftakttreffen mit dem Leiter der Projektgruppe E-Akte im LPA, Polizeirat Malte Brammsen, konnten am 13.08.2025 Frank Ziegler (Landesvorsitzender) und Frederik Fidora (Regionalsprecher Bad Segeberg) als Vertreter des BDK bestehende Probleme und weitere Anforderungen besprechen. Henrik Reershemius (Regionalsprecher Itzehoe), der im Vorwege über die Personalratsarbeit schon verschiedentlich mit der E-Akte befasst war, konnte krankheitsbedingt nicht teilnehmen. Er begleitet das Thema für den BDK und für den HPR aber weiter. Die Projektgruppe signalisierte, dass sie sich der Herausforderungen bewusst ist und arbeitet engagiert daran, bekannte Probleme zu beheben und neue Funktionen einzuführen. Ein Folgetermin ist bereits in Planung. 

Der BDK Schleswig-Holstein wird die Einführung der E-Akte weiterhin konstruktiv-kritisch begleiten und sich für eine praktikable Lösung einsetzen, die den Anforderungen einer modernen Kriminalpolizei entspricht und nicht nur dem Namen nach ergonomisch ist. 

Wir bleiben dran: BDK bewegt.

 

Der Landesvorstand

#e2A-EAS-SH

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