Berliner Sicherheitsgespräche: Digitalisierung der Polizeiarbeit – wo stehen wir wirklich?

04.02.2019

Über Mythen, Propaganda und Chancen in einer ungleichen Debatte.
Berliner Sicherheitsgespräche: Digitalisierung der Polizeiarbeit – wo stehen wir wirklich?
Die Delegation des LV Brandenburg

Unter diesem Thema fanden am 24.01.2019 die 13. Berliner Sicherheitsgespräche des BDK statt. Neben sehr interessanten Vorträgen von Prof. Dr. Thomas Clemen von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und dem Cyber Security Spezialisten Marco Di Filippo fand unter Leitung von Werner Sonne eine angeregte Diskussion über die Zukunft der Polizeiarbeit statt.

Was bedeutet Digitalisierung – und was bedeutet Digitalisierung für die Polizei?
Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Digitalisierung der Polizeiarbeit existenziell für die Innere Sicherheit in unserem Land ist. Sie geschieht aber in erster Linie im Kopf und ist nicht primär technisch zu sehen.
„Der Digitale Mensch kann die positiven und negativen Folgen einer globalen, digitalisierten Welt wahrnehmen und begreifen. Er besitzt ein Grundverständnis über Informationsstrukturen und algorithmisches Denken, verwendet digitale Kommunikations- und Kooperationswerkzeuge bewusst und eigenverantwortlich und ist daran interessiert kontinuierlich zu lernen.“

Soweit die Definition. Was bedeutet das aber für uns in der Praxis?

Prof. Dr. Thomas Clemen zeigte hierzu sehr eindrucksvoll auf, dass digitale Polizeiarbeit für die Mitarbeiter oftmals Zusatzaufwand bedeutet. Digitale Werkzeuge sollen die „Eierlegende Wollmilchsau“ sein und verzetteln sich in technische Detailverliebtheit, statt eine wirkliche Arbeitserleichterung zu sein.
Die Polizei steckt viel Geld in neue Projekte und die Migration von Programmen, lässt aber die Nutzer am Ende damit allein. Verantwortungsübernahme ist aber mehr, als nur Geld in eine Sache zu stecken. Um Frust und Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern zu vermeiden rät Prof. Dr. Clemen der Polizei, statt reiner Produktkenntnisse lieber Methodik zu vermitteln. Neben allgemeiner Informatik sollte die Vermittlung digitaler Kompetenzen wie zum Beispiel der Umgang mit strukturierten Anforderungsanalysen, Datenstrukturen, Algorithmen und Logik ebenso vermittelt werden wie Datenbank Management, Forensik und Visualisierung.

In der anschließenden Diskussionsrunde konstatierten alle Teilnehmer, dass die Polizei in Deutschland aktuell weit von nutzbringender Digitalisierung entfernt ist. Um als Ermittlungsbehörde nicht vollends abgehängt zu werden, muss sich hier dringend etwas ändern.
In diesem Zusammenhang gab es eine angeregte Debatte darüber, inwieweit insbesondere Kriminalisten in Zukunft alles können müssen. Muss ein guter Vernehmer, der über hervorragende menschliche Kompetenzen verfügt auch gleichzeitig über sämtliche digitale Kompetenzen verfügen? Muss er zum „Superkriminalisten“ werden? Ist dies überhaupt möglich? Oder ist es vielleicht sinnvoller über Kollegen mit verschiedenen Stärken und Schwächen zu verfügen? Eine spannende Frage, die wir uns alle in den nächsten Jahren sicher noch oft stellen werden.
Die Fachleute empfahlen der Polizeiführung hierzu, doch einmal das Hierarchiedenken in Positionen, Laufbahnen und Funktionen zu verlassen und sich dafür auf Fähigkeiten, Kompetenzen und Talente der Mitarbeiter zu konzentrieren.

Das Fazit dieses überaus interessanten Abends war eindeutig. - Digitalisierung muss man wollen!
 
Es macht keinen Sinn, dass einzelne Bundesländer für sich am gleichen Sachverhalt arbeiten. Für Kriminelle existierten Grenzen noch nie – daher ist es für die Polizei der Zukunft wichtig, Kompetenzen zu bündeln und allen Kolleginnen und Kollegen ein digitales Grundwissen zu vermitteln. Aber natürlich brauchen wir auch Spezialisten, für deren Einstellung es einer Sonderlaufbahn und lukrativer Besoldung bedarf. Als Ermittlungsbehörde muss die Polizei im digitalen Raum über die gleichen Rechte verfügen, wie im analogen Raum und sie darf sich insbesondere bei so einem wichtigen Thema, wie der Digitalisierung nicht abhängen lassen. Wenn man bedenkt, dass es Bundesländer gibt, in denen die Polizei aus Kostengründen ihre Kriminalakten derzeit als jpg-Dateien digitalisiert, anstatt sie mit einer OCR-Software in suchfähige pdf-Dokumente umzuwandeln, so haben wir beim Thema Digitalisierung der Polizeiarbeit noch einen sehr langen Weg vor uns.