Ehrenamt am Pranger: Förderung von gesellschaftlichem Engagement nur hohle Politikerphrasen?

11.03.2017

Man empfand irgendetwas zwischen Schadenfreude, Fremdschämen und Mitleid, als der Bundesvorsitzende einer anderen polizeilichen Interessenvertretung in die aufgestellte Falle eines Report-München-Teams des Bayerischen Rundfunks tappte und sich vor laufender Kamera um Kopf, Kragen und vermutlich auch die gewerkschaftliche Zukunft redete. Danach stürzten sich natürlich auch andere Medienvertreter auf diesen Fall. Für ein paar Tage stand dieser vermeintliche Skandal tatsächlich mehr im Fokus der Berichterstattung als Trump, Terror und Flüchtlingsleid.
Ehrenamt am Pranger: Förderung von gesellschaftlichem Engagement nur hohle Politikerphrasen?
(Foto: Wolfgang Kumm)

Interessant dabei zu beobachten war, wie ein bisheriger Medienliebling plötzlich von denen, die noch kurz davor mit ihm Quote gemacht haben, nun am Nasenring durch die Manege geführt wurde. Ebenso bemerkenswert war, wie sich Teile seiner eigenen Gewerkschaft umgehend öffentlich von ihm distanzierten. Solidarität sieht anders aus, die Reaktionen lassen tief blicken. Ob die kolportieren Einkünfte des Spitzenfunktionärs alle rechtmäßig bezogen wurden, müssen nun andere bewerten. Ob die Höhe moralisch vertretbar ist, ebenfalls - speziell die eigenen Mitglieder. Am Rande sei dabei erwähnt, dass diese Beträge im Verhältnis zu den Verdienstmöglichkeiten in einer weiteren Polizeigewerkschaft, die bei der geführten Debatte auffällig und verdächtig still war, nur Peanuts sein sollen. Wenn es schon die Presse nicht tut, vielleicht sollten es die eigenen Mitglieder einfach mal hinterfragen. Moral hin oder her - Polizeigewerkschafter, die sich öffentlich wahrnehmbar äußern und eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe und damit eine hohe Verantwortung tragen, leben von ihrer Professionalität und Seriosität. Das ist auch die Grundlage unserer Arbeit.

Natürlich gerieten nun aber auch einige Funktionäre des BDK in den medialen Strudel, so z.B. in NRW. Da ist es von Vorteil, dass alle BDK-Funktionäre deutschlandweit ehrenamtlich arbeiten und ihr Engagement im Bund und den Ländern vom Dienstherrn im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten unterstützt wird. Lediglich ich als Bundesvorsitzender werde derzeit zu 50% vom BDK bezahlt. In meiner Teilzeitbeschäftigung bei der Polizei Hamburg, die schriftlich in einem entsprechenden Antrag geregelt ist, habe ich selbstverständlich meine angeforderte Arbeitsleistung erbracht. Das wird auch in Zukunft so geschehen. Die verzerrte Berichterstattung darüber zeigte aber einmal mehr, wie Medien teilweise arbeiten. Ganz unschuldig an dieser Vorverurteilung war aber die Pressestelle der Hamburger Polizei leider auch nicht. Der BDK ist als einzige polizeiliche Interessenvertretung frei von dachgewerkschaftlichen Zwängen und parteipolitisch unabhängig. Kein BDK-Funktionär sitzt in irgendwelchen Aufsichtsräten oder steht auf dem Gehaltszettel eines Unternehmens oder einer Versicherung. Wir arbeiten für das Gehalt, das uns nach unserem jeweiligen Dienstgrad zusteht, uns werden lediglich unsere Auslagen erstattet. Nur arbeiten wir dafür nicht 9 to 5, sondern meist 60 bis 70 Stunden pro Woche und nicht selten noch deutlich darüber hinaus. Die Funktion eines Gewerkschaftsvorsitzenden - gerade einer Polizeigewerkschaft - ist eine 24/7-Tätigkeit, die sehr viel Engagement und Idealismus erfordert. Umso mehr ärgert es einen, wenn man zu Unrecht mit an den Pranger gestellt wird.

Deutschlandweit müssen engagierte Kolleginnen und Kollegen - egal welcher Interessenvertretung sie angehören - ihre gesellschaftlich wichtige Arbeit oft in ihrer Freizeit leisten oder dafür die möglichen Freiräume einer Personalratstätigkeit oder Freistellung über die Personalvertretungsgesetze nutzen, was rechtlich unsauber ist. Gewerkschaftliche Arbeit kann man nicht „nebenbei“ erledigen. Kleinere Berufsvertretungen können es sich wirtschaftlich gar nicht leisten, ihre Funktionäre selbst voll zu bezahlen.

Eine der wesentlichen Aufgaben von Gewerkschaften besteht darin, beim Aufbau und der Erhaltung einer sozialen Demokratie mitzuwirken. Im Sinne eines demokratisch notwendigen Gewerkschaftspluralismus muss es allen Parteien, den Regierungen und den Medien ein zutiefst empfundenes Anliegen sein, dass Gewerkschaftsvertreter ihre Tätigkeit, die unter dem Schutz von Art. 9 Abs. 3 GG steht, auch tatsächlich und unabhängig ausüben können.

Die aktuelle Diskussion hat gezeigt, dass es - auch gerade zum Schutz der jeweils Betroffenen - weitergehender Regelungen bedarf. Das hessische Beamtengesetz kann hier beispielhaft sein. In § 69 (3) HBG ist klar geregelt, dass Beamtinnen/Beamten auf Antrag der erforderliche Urlaub zur Ausübung einer ehrenamtlichen politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung unter Belassung der Besoldung zu gewähren ist. Wir fordern deshalb alle Parteien im Bund und den Ländern auf, umgehend eine entsprechende gesetzliche Regelung auf den Weg zu bringen.

 

André Schulz
Bundesvorsitzender

 

 

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