Ein noch sicherer Nordosten?

01.04.2015

Am 31. März 2015 war es wieder so weit. Die scheinbar heilige Kuh der Verantwortlichen der Sicherheitspolitik in unserem Lande, die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), wurde veröffentlicht. Innenminister Lorenz Caffier führte aus, dass das Sicherheitsniveau in Mecklenburg-Vorpommern nach wie vor sehr hoch ist. Das vor allen, weil 2014 nur noch 116.609 Straftaten registriert wurden, etwa 3.900 Straftaten weniger als im Jahr 2013. Das hört sich sicher erst einmal gut an.
Ein noch sicherer Nordosten?

Beginnen wollen wir mit einem Lob. Einem Lob für alle Beschäftigten der Kriminalitätsverhütung und –bekämpfung, denen wir trotz aller Mängel wie der Personalreduzierung, der nach unserer Auffassung bei weitem nicht ausreichenden Aus- und Fortbildung oder den schlechten Beförderungsaussichten die scheinbar guten Zahlen zu verdanken haben.

Als Berufsverband der Beschäftigten der Kriminalitätsverhütung und –bekämpfung können wir – wie jedes Jahr – nur entgegenhalten, dass sicherlich die PKS-Zahlen gesunken sind. Ob damit auch die Kriminalität bzw. die Zahl der Straftaten in Mecklenburg-Vorpommern geringer geworden ist, wissen wir nicht, kann vermutlich derzeit niemand sicher sagen. Wir wiederholen, wie jedes Jahr, dass die PKS nur einen minder bedeutenden Teil der Kriminalität abbildet und die Vergleiche des Innenministers zur Sicherheitslage äußerst fragwürdig und wenig seriös scheinen. Die tatsächliche Kriminalitätsbelastung wird von Faktoren wie dem ungeheuren Dunkelfeld, den Regeln der PKS oder dem Anzeigeverhalten von Bürgern aber primär von dem der Unternehmen beeinflusst. Ein guter Beleg dafür ist die Bewertung der Internetkriminalität. Offiziell sind die Zahlen deutlich gesunken. Aber eben nur, weil die Zählweise aufgrund der unklaren Tatortsituationen nun auch noch sinken muss, da die Tatorte vielfach einfach unklar sind und damit derartige Verfahren aus der PKS herausfallen. Dabei weiß schon fast jeder Internet-Nutzer aus eigener Erfahrung, wie viele Versuche von Computersabotage oder andere Angriffe aus dem Netz ihn jährlich treffen, ohne dass diese zur Anzeige gelangen, sie aber wohl die tatsächliche Kriminalität betreffen.

Die Worte des Innenministers erscheinen in einem besonderen Licht, wenn sie den Aussagen einer kürzlichen Fachkonferenz gegenübergestellt werden. Dort sprachen Experten überdeutlich von einem drastischen Anstieg der (tatsächlichen) Fallzahlen, einen hohen Dunkelfeld, einem viel zu hohen Verfahrensstand, zu langen Bearbeitungszeiten und der zu geringen Zahl der Fachermittler. Darüber hinaus wissen unsere Fachleute, dass viele Angriffe gar nicht angezeigt werden, weil das Vertrauen in das Können der Polizei fehlt oder der Schaden zu gering scheint. Unternehmen wiederum fürchten um ihre Technik, die dann zu lange bei der Polizei zu Auswertezwecken wäre und erstatten erst gar keine Anzeige, wie eine Umfrage der „IHK Nord“ ergab. Ein weiteres Übel ist nach den Erfahrungen der Internet-Ermittler die in Deutschland fehlende Speicherung der Verbindungsdaten. Zudem seien durch die PKS-Richtlinien die Zahlen der Tatverdächtigen eher gering, ganz im Gegenteil zu den hohen Opferzahlen.

Allein die Ergebnisse dieser Fachtagung belegen wohl unzweifelhaft, dass Aussagen zur Kriminalitätsbelastung nur mittels einer von den kriminalpolizeilichen Fachleuten längst als unbrauchbar bezeichneten PKS mehr als gewagt sein dürften und eher zur Beruhigung der Bürger und Unternehmen dienen als zur Darstellung der Kriminalitätslage. Und die Ergebnisse der Fachtagung sind auch auf viele der anderen Kriminalitätsfelder eins zu eins übertragbar.

Und auch an dieser Stelle wieder – wie jedes Jahr – einige Worte zur Aufklärungsquote. Dieser, leicht irreführende Titel gilt nur im polizeilichen Teil des Verfahrens und bezeichnet lediglich die Gewinnung namentlich bekannt gewordener Tatverdächtiger. Diese müssen dabei keineswegs auch die Täter sein. Hier kann ein Sachbearbeiter leicht verführt werden, durch die Zwänge völlig unsinniger Zielvorgaben einfach einen Tatverdächtigen zu erfinden, nur damit seine Vorgesetzten im Kampf der Quoten obsiegen können. Ein solcher Vorgang spielt übrigens im justiziellen Verfahren keine Rolle, dort wird dann ein solcher Vorgang als unbekannte Justizsache ankommen und weiter behandelt.

So bleibt auch hier die Wiederholung des jährlichen Fazits. Wir wissen nicht, ob die Kriminalität wirklich abgenommen oder zugenommen hat. Wir wünschen uns als Berufsverband eine deutlich sachlichere Darstellung der Kriminalitätslage, denn dem Innenminister oder anderen Verantwortlichen sind unsere Argumente sicherlich nicht fremd. Jedes Jahr interpretieren die Innenminister von Bund und Ländern die PKS eher positiv und jedes Jahr wettern (fast) alle kriminalpolizeilichen Fachleute dagegen.

Auf ein Neues im Jahr 2016?