Es brodelt in der Landespolizei beim Thema Mehrarbeit

25.10.2017

Über Jahre zeichneten Personalabbau und zusätzliche Arbeitsstunden ein wesentliches Bild der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern. Mit einer Rahmendienstvereinbarung zur Arbeitszeit sollten zumindest Überstunden und Mehrarbeit stark eingeschränkt werden.
Es brodelt in der Landespolizei beim Thema Mehrarbeit

Und namentlich die unterschiedlichen Umsetzungen oder Auslegungen dieser Rahmendienstvereinbarung zur „Arbeitszeit in der Polizei des Landes Mecklenburg-Vorpommern“ sorgen jetzt für eine erhebliche Unruhe unter unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auch für zahlreiche Fragen und Probleme bei unseren Vorgesetzten. Und leider auch für Auslegungen nach Gutsherren-Art, meinen jedenfalls etliche Kolleginnen und Kollegen.

Dabei war die Intention zur Schaffung einer Dienstvereinbarung zur Regelung und gleichmäßigen Verteilung der Arbeit durchaus löblich und anerkennenswert. Leider verdient die schlussendliche Umsetzung der zum 1. April 2017 in Kraft getretenen Regelung weit weniger Anerkennung, nachdem viele Köche einen Kompromiss anrichteten. Wie wir als Berufsvertretung schon vor dem Abschluss der Vereinbarung ahnten, steht diese Norm in einem Fall im Widerspruch zum geltenden Recht, könnte zur Verweigerung notwendiger polizeilicher Tätigkeiten führen, benachteiligt die Kolleginnen und Kollegen und verführt Vorgesetzte häufig zur Negierung der Anerkennung jeglicher Überstunden oder Mehrarbeit. Derzeitige primäre Streitpunkte sind die Anerkennung von Mehrarbeit/Überstunden und die festgelegte Obergrenze von 120 Stunden zusätzlicher Arbeitszeit.

Bezüglich zusätzlicher Arbeitsstunden sieht die Rahmendienstvereinbarung vor, dass der Beschäftigte auf seinem Jahresarbeitskonto in der grünen Phase bis zu 40 weitere Stunden über das Zwölfmonatssoll arbeiten darf. In der gelben Phase sind bis zu 80 Stunden erlaubt, die aber möglichst bis zur 40er-Grenze wieder abzubauen sind. Nach 80 Stunden beginnt bis zur Grenze von 120 Stunden die rote Phase, in der dringend auf eine Verminderung des Stundenplus durch Freizeitausgleich hinzuwirken ist. Beim Erreichen der Höchstzahl von 120 Stunden dürfen unsere Kolleginnen und Kollegen ihrer Arbeit nur noch nachgehen, wenn eine schriftliche Anordnung der Vorgesetzten zur Ableistung von Mehrarbeit vorliegt. Ein weiteres Überschreiten ohne Mehrarbeit ist übrigens unzulässig - soweit die Theorie.

Die Praxis scheint die wohlwollenden Intentionen der Dienstvereinbarung schon überholt zu haben. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bereits über die 80-Stunden-Grenze in den roten Ampelbereich gelangt und auch viele über die Kappungsgrenze von 120 Stunden. Und wurden die vorgeschriebenen Instrumentarien zur Vermeidung dieser Überschreitungen eingehalten? Leider Fehlanzeige! Somit befinden sich etliche Beschäftigte in einem Bereich, den sie gar nicht erreichen dürften. Fürsorgepflicht der Vorgesetzten? Fehlanzeige!

Auswege aus diesem Dilemma? Natürlich, sogar recht einfach.

Zum einen bietet die Rahmenvereinbarung selbst die Lösung. Sollte eine eigentlich nicht zulässige Überschreitung der 120-Stunden-Grenze zusätzlicher Arbeitszeit durch die Anforderungen der täglichen Arbeit notwendig werden, muss der Dienstvorgesetzte dieses zwingend schriftlich anordnen und es namentlich als Mehrarbeit oder Überstunden anordnen, da diese das Jahresarbeitszeitkonto gesondert belasten. Damit fließen diese Arbeitsstunden nicht mehr in das Jahresarbeitszeit- bzw. Gleitzeitkonto ein und unterliegen einer anderen Verjährung. Nun kann aber auch Mehrarbeit vor dem Erreichen der magischen roten Grenze erforderlich werden. Dazu sagt die Vereinbarung lediglich aus, dass Mehrarbeit vermieden werden soll. Dort steht nicht, wie viele Verantwortliche es immer gerne verlautbaren, dass Mehrarbeit vor der 120er-Grenze nicht erfolgen darf. Was ja auch nicht sein kann, denn die Mehrarbeit ist im Landesbeamtengesetz verankert. Zwar ist sie auf Ausnahmefälle wie Besondere Aufbauorganisationen (BAO), Sonderkommissionen oder besondere, zeitintensive polizeiliche Anlässe zu beschränken, umfasst aber die Zeiten, die die Beschäftigten in den roten Bereich der Arbeitszeit bringen könnten, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern.

Ein Beweis lässt sich leicht führen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die beim G20-Gipfel in Hamburg zum Einsatz kamen, wurden sämtliche zusätzliche Arbeitsstunden als Bereitschafts- oder Mehrarbeitszeiten anerkannt. Zumindest in einigen Dienststellen werden zusätzliche Einsätze oder Stunden wie im Personalvertretungsgesetz vorgesehen als abzuleistende Überstunden oder Mehrarbeit beim zuständigen Personalrat zur Mitbestimmung vorgelegt.

Und dennoch gibt es zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Stopp-Linie von 120 zusätzlichen Stunden bereits überschritten haben, teilweise sogar erheblich.

Noch vor gut einem Jahr hieß es übrigens aus der Polizeiabteilung des Innenministeriums, dass die Sorgen der Gewerkschaften und Berufsvertretungen überzogen sind. Niemand wird die 120-Stunden-Grenze erreichen oder überschreiten. Wahrheitsgehalt? Leider Fehlanzeige! (Erinnert irgendwie an die Aussage: „Niemand hat die Absicht …“)

Spätestens hier kann die Frage gestellt werden, wer denn hier unwissend, ignorant, vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten vernachlässigt. Der Personalrat, die Gewerkschaften, die Vorgesetzten oder gar die Beschäftigten? Wir machen hier keine Schuldzuweisungen - Wir geben lediglich zu bedenken, dass die Idee zur Vermeidung von Überstunden/Mehrarbeit großartig, die Rahmendienstvereinbarung als Kompromiss brauchbar und die Umsetzung bzw. praktizierten Auswirkungen teils katastrophal ist. Unter den Kolleginnen und Kollegen herrscht ein großer Unmut über den auch nach unserer Meinung oft fehlerhaften Umgang mit ihrer Arbeitszeit. Besonders bei den Diensteinheiten, denen die Vereinbarungen eine eigene Sonderregelung zugestanden hat und die einfach nicht erlassen werden. Aber wir wollen ja keine Schuldzuweisungen vornehmen.

Zum Abschluss noch ein negatives Highlight. Völlig übersehen wurde beim Abschluss sämtlicher bisheriger Vereinbarungen, dass eine Kappung von mehr als 120 Stunden bei Tarifbeschäftigten im Sinne des Tarifvertrages der Länder (TV-L) seit spätestens 2006 unzulässig ist. Und wurden die entsprechenden Vereinbarungen geändert oder berichtigt? Bedauerlicherweise – Fehlanzeige!

Wir geben zu, dass die Rechtsmaterie rund um die Rahmen- und Dienstvereinbarungen zur Gestaltung der Arbeitszeit in unserer Landespolizei schwierig und umfangreich sind. Aber es muss doch möglich sein, sich in der Landespolizei oder in den einzelnen Dienststellen an einen Tisch zu setzen, die Probleme zu benennen und dann gemeinsam nach Lösungen zu suchen bzw. den einzig richtigen Weg zu gehen.

Das Grundproblem des fehlenden Personals kann die Polizei nicht beheben - hier ist die Politik gefordert.

Wir werden zu diesem Thema weiter berichten (müssen).