Europäische Zusammenarbeit auch gewerkschaftlich denken: Warum ist der BDK eigentlich Mitglied bei CESP?

01.06.2022

der kriminalist, Editorial 6/2022

Die Harmonisierung der polizeilichen und justiziellen Strukturen innerhalb einer glaubwürdigen und repräsentativen Organisation fördern und fordern.

Ausgehend von diesem Grundgedanken wurde der Conseil Européen des Syndicats de Police (CESP) im Jahre 1988 in Avila (Spanien) gegründet und 1991 durch den Europarat als Nichtregierungsorganisation mit beratendem Status offiziell anerkannt. Mit seinen mittlerweile 14 Mitgliedstaaten handelt es sich um eine der größten europäischen Dachorganisationen von Polizeigewerkschaften in Europa, in der die Interessen von ca. 300.000 Polizistinnen und Polizisten vertreten werden. Aufgrund der Heterogenität der gewerkschaftlichen Organisationsstrukturen, aber auch der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen seiner Mitgliedsländer, fokussierte sich die Arbeit des CESP in den Anfangsjahren zunächst auf die Durchsetzung der politischen Unabhängigkeit und Akzeptanz von Polizeigewerkschaften. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Harmonisierung und Verbesserung der „Rechte und der Lebensqualität“ von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten – sowohl innerhalb wie außerhalb des Dienstes.

Spätestens mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1. 12. 2009 mussten die Themenfelder der Arbeit des CESP erweitert werden. Mit diesem Vertragswerk, bestehend aus dem „Vertrag über die Europäische Union“ und dem „Vertrag über die Arbeitsweisen der Europäischen Union“, erhielt das Europäische Parlament, neben dem Rat der Europäischen Union, erweiterte Kompetenzen für nahezu alle Gesetzgebungsverfahren der EU sowie die Aufstellung ihres Haushaltsplans. Für die Bereiche „Inneres und Justiz“ hatte dies zur Folge, dass fortan wesentliche Rechtsetzungsakte nicht mehr ausschließlich in den nationalen Parlamenten entstehen sollten, sondern ihren Ursprung im Europäischen Parlament hatten und bis zum heutigen Tage, vor allem im Bereich der inneren Sicherheit, immer mehr haben. Somit hatte die Kompetenzerweiterung für den (europäischen) Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zur Folge, dass die EU zunehmend auch bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität tätig wurde und die Mitgliedstaaten zur Implementierung entsprechender nationaler Gesetzgebungsverfahren veranlasste.

Diese Entwicklung war maßgeblich dafür, dass auch die gewerkschaftliche Arbeit beim CESP sich zunehmend mit Fragen der europäischen Kriminalpolitik befasste und Netzwerke zu allen Institutionen der EU etabliert werden mussten. Immer deutlicher wurde die Erkenntnis, dass Verbesserungsvorschläge zu Gesetzgebungsverfahren und Politikberatung zu spät kommen, wenn sie erst bei der Umsetzung von EURichtlinien in nationales Recht in den Parlamenten der Mitgliedstaaten beginnen. Eine gewissermaßen organisatorische Reaktion hierauf war die Eröffnung der „Europa-Geschäftsstelle“ des BDK am 23. 3. 2015 in der hessischen Landesvertretung in Brüssel, die nun schon seit vielen Jahren gemeinsam mit dem CESP genutzt wird und als logistische Basis der Arbeit vor Ort dient. Die strategische Weiterentwicklung zu kriminalpolitischen Themen hatte jedoch nicht zur Folge, dass der CESP die Befassung mit klassischen Gewerkschaftsthemen vernachlässigte. So werden in dem aktuellen Strategieprogramm „CESP-2025“ Arbeitsbereiche wie etwa die „psychische und physische Gesundheit von Polizeibeamt:innen und Gewalt gegen Polizeibeamt:innen“ aufgeführt. Sie stehen gleichberechtigt neben den Themen wie z. B. das „Europäischen Polizeistatut“, die Einführung von EU-Standards bei der Aus- und Fortbildung sowie der Digitalisierung der Polizei. Hinsichtlich der aktuellen kriminalpolitischen Befassungen legt der CESP seinen Schwerpunkt derzeit u. a. auf die Kriminalitätsbereiche, die sich mit Straftaten zum Nachteil von Frauen und Kindern, der Korruptionsbekämpfung und der Bearbeitung von Cybercrime- Delikten befassen.

In enger Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren hat der CESP in der vergangenen Amtsperiode Gespräche mit CEPOL geführt und erreicht, dass zeitnah eine Vereinbarung mit der Agentur der Europäischen Union für die Ausbildung im Bereich der Strafverfolgung formuliert wird.

Die Präsenz des CESP in den europäischen Institutionen wie der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament, dem Europarat und den Vereinten Nationen führte kürzlich zu einer offiziellen Anfrage des Europarates, nach der der CESP die Möglichkeit erhält, eine Vertretung in den Ausschuss für Hasskriminalität des Europarats zu entsenden. Hierdurch hat der CESP erneut die Möglichkeit, auf der europäischen Ebene Empfehlungen zur Bekämpfung eines Kriminalitätsphänomens zu geben.

Darüber hinaus hat der CESP in den letzten zwei bis drei Jahren zu nationalen Fragestellungen des Umgangs mit Gewerkschaftsvertreter: innen in den Ländern Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Rumänien, Spanien und Portugal interveniert und bilaterale Treffen vereinbart, die vielfach zur Lösung beitrugen.

Mittendrin statt nur dabei?

Nun, mich überzeugt die Idee, gewerkschaftliche Themenschwerpunkte über Ländergrenzen hinweg zu definieren und daraus entstehende Forderungen gemeinsam zu artikulieren. Der BDK ist aus guten Gründen seit 1991 nicht nur Mitglied beim CESP, sondern auch seit Jahren im Vorstand vertreten, zuletzt durch unseren bayerischen Kollegen Hans Wengenmeir, der in seiner Funktion als stellvertretender Generalsekretär und Vorsitzender des „Anti-Crime-Committee“ hervorragende Arbeit geleistet hat, wofür ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte.

Ich freue mich sehr, dass ich am 5. 5. 2022 anlässlich des 11. Kongresses vom CESP auf Kreta die Nachfolge von Hans Wengenmeir als stellvertretender Generalsekretär antreten konnte und künftig, zusammen mit ihm, die Interessen des BDK innerhalb des CESP vertreten darf. Wir werden insbesondere an der Verbesserung der europäischen polizeilichen und justiziellen Kooperation, der Erweiterung operativer Befugnisse für Europol und der Stärkung der Europäischen Staatsanwaltschaft arbeiten. Jenseits dieser Themenfelder werden wir dazu beitragen, Gesetzesinitiativen der EU zu Themenfeldern der inneren Sicherheit möglichst frühzeitig durch einen engen Austausch mit Mitgliedern des Europäischen Parlamentes fachlich zu begleiten.

Herzliche Grüße

Dirk Peglow,
BDK-Bundesvorsitzender

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