Ist The Länd auch the Mafia-Länd?

06.06.2023

Der True Crime Podcast Mafia Land des SWR wird u. a. Auslöser für eine Regierungsbefragung im baden-württembergischen Landtag.
Steve Buissinne - Pixabay

In acht Folgen präsentieren Birgit Tanner und Helena Piontek den True Crime Podcast – oder genauer Roadcast Mafia Land. Sie sind in Deutschland und Italien unterwegs, führen Interviews und stellen Bewertungen sowie Thesen auf. Es war nur eine Frage der Zeit, bis diese Thesen und zusammengetragenen Informationen im politischen Raum aufschlagen und den Landtag von Baden-Württemberg beschäftigen. 

Dass die Mafia eine der ältesten kriminellen Organisationen Europas sein dürfte, die bis heute existiert und enormen Einfluss hat, ist eine Binsenweisheit. Dabei ist „die Mafia“ schon zu ungenau. Der Podcast wirft einen Blick auf die kalabrische `Ndrangheta und einen italo-schwäbischen Gastronomen namens Mario L., der nicht nur laut Podcast Kontakte und Freundschaften bis in die höchste Politik pflegte. In einem der Podcast-Teile kommt beispielsweise Günther H. Oettinger (CDU), ehemaliger Ministerpräsident von Baden-Württemberg und ehemaliger Kommissar der EU-Kommission in drei Funktionen, zu Wort. Auch das kein Geheimnis, denn seinerzeit gab es einen Untersuchungsausschuss im Landtag. Natürlich generiert das einen gewissen Wow-Effekt. Zumindest bei all denjenigen, die davon noch nie etwas gehört haben. 

Nun also erneut eine Befassung im Landtag von Baden-Württemberg. Bereits 2019 stellten der damalige Abgeordnete Hans-Ulrich Sckerl und andere Abgeordnete der GRÜNEN Fragen zur `Ndrangheta und dem Handeln in Baden-Württemberg (vgl. Drucksache 16/7043). Eine Information des damaligen und heutigen Innenministers Thomas Strobl (CDU) war, dass 2015 bereits rund 150 Personen in BW lebten, „die mutmaßlich der IOK [Italienische Organisierte Kriminalität also der italienischen „Mafia“] zuzurechnen sind“. Davon sollten rund 60 Mitglieder der `Ndrangheta angehören. Auch die Personalie M. L. ist in dieser Anfrage bereits genannt – so ist in der Antwort zu Frage 8 zu lesen: „Der Gastwirt M. L. betrieb Anfang der 90er-Jahre die Pizzeria „Da Mario“ in Stuttgart, in der auch Vertreter aus Politik und Wirtschaft sowie Prominente verkehrten. Es ist bekannt, dass auch damalige Mitglieder der Landesregierung und der ehemalige Ministerpräsident Günther H. Oettinger dort zu Gast waren“. 

Je nach öffentlich zugänglicher Quelle sollen zwischen 150 und 200 Mafia-Mitglieder in BW leben. 

Der SWR-Podcast befasst sich zudem mit der groß angelegten Operazione Stige – Operation Styx aus dem Jahr 2018. Seinerzeit wurden auch in Deutschland umfangreiche Maßnahmen gegen Personen vollstreckt, Vermögenswerte wurden beschlagnahmt.

Zuletzt kam es Anfang Mai 2023 mit der Operation Eureka zu Maßnahmen in verschiedenen Ländern gegen die `Ndrangheta. 

Starke Kritik an Baden-Württemberg kommt auch von der Organisation „Mafianeindanke“, einem als gemeinnützig anerkannten eingetragenen Verein, der sich 2007 nach den sog. Mafia-Morden von Duisburg in Berlin gründete. Einige Kritikpunkte der Seite von mafianeindanke finden sich auch im Podcast des SWR wieder.

Der BDK Baden-Württemberg hat in der Vergangenheit mehrfach und kontinuierlich darauf hingewiesen, dass die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK) – aller Formen der OK – wieder stärker in den Fokus gerückt werden muss. Es handelt sich um sog. Holkriminalität, bei der es entscheidend ist, wie viel Personal eingesetzt wird. Gerade im Bereich von Struktur- und Initiativermittlungen.

Aktuell (und prognostisch auch die nächsten Monate, gar Jahre) sind unsere OK-Dienststellen mit zahlreichen und relevanten Hinweisen ausgelastet, die sich aus der Sicherstellung von Daten aus (einst) kryptierter Kommunikation der Anbieter EncroChat, SkyECC, Anom u. a. ergeben hat. Das bewerten wir nach wie vor als großen Erfolg.

Unsere Organisation Polizei ist aber nur bedingt dazu geeignet, kurz- und mittelfristig auf derartige erhöhte Personalbedarfe zu reagieren, auch deshalb, weil wir bildlich gesprochen über ein personelles Tischtuch in der Kripo verfügen, dass weder in Länge noch Breite des (Aufgaben-)Tisches abdecken kann. Irgendetwas bleibt also am Ende des Tages unabgedeckt. Das ist nicht nur für die OK-Inspektionen unbefriedigend.

 

Der BDK fordert

  • Weitere Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit sowohl zwischen Polizeibehörden als auch den Justizbehörden,
  • Ausbau und Kompetenzerweiterung der Europäischen Staatsanwaltschaft,
  • Europäische Harmonisierung der Eingriffsermächtigungen für die Bekämpfung der OK und anderen Formen transnationaler Kriminalität,
  • Vereinfachung und Beschleunigung des Austauschs von relevanten Daten im In- und mit dem Ausland,
  • Aufhellung des OK-Dunkelfeldes durch spezifische Forschung sowie
  • permanente Struktur- und Initiativermittlungen durch speziell fortgebildete Expertinnen und Experten,
  • insgesamt eine deutliche und dauerhafte personelle Stärkung der spezialisierten OK-Dienststellen

siehe auch BDK-Positionspapier „Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“.

 

Innenminister Strobl verwies in jüngeren Interviews auf die geografische Nähe Baden-Württembergs zu Italien, auf die enorme Wirtschaftskraft des Landes und eine starke italienische Community, die bis in die Gastarbeitergeschichte Deutschlands und Baden-Württembergs zurückgeht.

Darauf basierend haben wir auch einen der bundesweiten Schwerpunkte von IOK in Baden-Württemberg. Wäre es dann nicht konsequent, die Bekämpfung der italienischen organisierten Kriminalität dauerhaft als Schwerpunktthema zu erklären und dafür die personellen Ressourcen der Kriminalpolizei zur Verfügung zu stellen?

Ist The Länd auch the Mafia-Länd? Zumindest ist der Südwesten sehr attraktiv – ob nun als Rückzugsraum ohne kriminelle Aktivitäten oder auch mit, als Investitions- und Geldwäscheraum.

Die Mafia – ob nun `Ndrangheta, Camorra, Cosa Nostra, Sacro Corona Unita oder andere Untergruppierungen – haben keinen Platz weder in Baden-Württemberg noch in Deutschland!

Wir können mehr tun! 

 

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