Junge Kripo im BDK verurteilt reißerische Medienberichte

29.09.2016

Ein Kommentar zum Schusswaffengebrauch in Berlin
Junge Kripo im BDK verurteilt reißerische Medienberichte

Am 27.09.2016 wurde ein 29-Jähriger von Berliner Polizisten erschossen, als dieser versuchte, einen 27-Jährigen mit einem Messer zu attackieren. Zuvor soll der 27-jährige die Tochter des Angreifers sexuell missbraucht haben.

Vorweg wurde der Sachverhalt bereits mehrfach von Medien und anderen Gewerkschaften kommentiert. Nachdem immer mehr Überschriften und Kommentare wie:

  • „Polizei erschießt Flüchtling“
  • „Hätte man dem Mann nicht ins Bein schießen können“
  • „Wieder ein Flüchtling erschossen“

usw.

veröffentlicht wurden, haben wir uns als Junge Kripo entschlossen, auf die mitunter provokanten Diskussionen zu reagieren.

Es ist immer wieder erschreckend, wie schnell sich manche Medien nach ausgewählten Polizeieinsätzen mit angeblichen Hintergrundinformationen und Wertungen zu Wort melden.

Im hiesigen Fall wurde bereits am frühen Morgen des 28.09.2016 darüber berichtet, dass ein Flüchtling erschossen worden ist. Das es in diesem dramatischen Fall in keiner Weise um die Herkunft des Opfers, sondern vielmehr um die traurigen Gesamtumstände gehen sollte, wurde offenkundig ignoriert.

Dem Leser sollte – noch bevor die Presse in irgend einer Form darüber informiert war, wie es überhaupt zu den Schussabgaben der Kollegen kommen konnte - bereits am frühen Morgen suggeriert werden, dass aus irgend einem Grund Flüchtlinge von Polizisten erschossen werden. Die Überschriften wurden zum Teil so selbstverständlich formuliert, als würde es sich dabei um eine alltägliche Einsatzlage handeln.

Diese reißerischen Überschriften führen nicht nur zum Vorantreiben von Spekulationen in Höchstgeschwindigkeit, sondern sie sorgen vor allem für negative Stimmungsmache.

Wie am Mittag offiziell bekannt gegeben wurde, wurde das Opfer nicht erschossen, weil es sich um einen Flüchtling handelte, sondern vielmehr, weil es sich dabei offenbar um einen Vater eines möglicherweise geschädigten Kindes handelte, der in einem Akt von Selbstjustiz eine bereits von der Polizei gefesselte Person mit einem Messer zu attackieren versuchte.

Auch uns steht es nicht zu, die bislang noch nicht vollständig aufgeklärten Tatvorwürfe und Motive der beteiligten Personen zu werten. Dennoch möchten wir diesen Einsatz nicht unkommentiert lassen.

Menschen bilden sich eigene Urteile und werden dabei von ihren Erfahrungen geprägt. So wurden Kommentare wie „Hätte die Polizei den Iraker doch ruhig auf den Kinderschänder losgehen lassen sollen“ oder gegenteilig „Selbstjustiz ist keine Lösung, ob der Pakistaner das Mädchen wirklich sexuell missbrauchte, war doch noch gar nicht geklärt“, aber auch „Die Polizei hat richtig gehandelt, sie hatten keine andere Wahl“ veröffentlicht.

Anhand der unterschiedlichen Meinungen lässt sich klar erkennen, dass die Leser viele verschiedene Meinungungen vertreten, unabhängig davon, ob die Polizisten eingeschritten wären oder nicht.

Aus unserer Sicht muss an dieser Stelle eindringlich erwähnt werden, dass sich jeder Polizist – unabhängig vom Alter, der Nationalität, der Beziehung zwischen Täter und Opfer, oder der Einsatzsituationen - bei einem Gewaltdelikt in einer absoluten Extremsituation befindet. Ein Polizist muss sich innerhalb weniger Sekundenbruchteile für oder gegen eine Schussabgabe entscheiden. Davon hängt oft nicht nur das eigene, sondern auch, wie in hiesigem Fall, das Leben anderer ab.

Abgesehen davon, dass eine Schussabgabe rechtlich gesehen gerechtfertigt sein kann, sobald Leib oder Leben einer Person gefährdet ist, muss in diesem Fall beachtet werden, dass die eingesetzten Beamten offensichtlich keinen bereits auffällig aggressiven und straffällig gewordenen Mann vor sich hatten, sondern einen Familienvater, welcher sich aufgrund der vorangegangenen Situation in einem Ausnahmezustand befunden hat.

Grundsätzlich kann die Leserschaft sicher davon ausgehen, dass Polizeibeamte nicht wahllos Menschen (egal ob Flüchtling, Tourist oder Einwohner) erschießen. In Berlin kommt es statistisch gesehen zu relativ wenigen Schussabgaben, was anhand der Vielzahl und Art der hier vorkommenden Straftaten positiv hervorgehoben werden sollte.

An dieser Stelle muss gesagt werden, dass wir weder zu den im hiesigen Fall betroffenen Opfern, noch zu den hier eingesetzten Polizeibeamten Kontakt aufgenommen haben. Ob es im Vorfeld tatsächlich zu einer Sexualstraftat durch den Pakistaner kam, kann zum hiesigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden. Die Straftat wäre bei erbrachter Beweislage unumstritten zu verurteilen. Aber rechtfertigt dies einen Messerangriff des Vaters? Nach dem Gesetz zu urteilen nicht.

Ein Polizist hat die Pflicht sich an die Gesetze zu halten, auch wenn dies seinen persönlichen moralischen Vorstellungen widersprechen könnte.

Vereinfacht ausgedrückt: Die eingesetzten Beamten haben einen Mann daran gehindert, einen anderen Mann zu verletzen oder gar zu töten. Wie und aus welchen Ümständen die Motive erwachsen sind, darf und sollte in diesem Moment keine Rolle spielen.

Daher möchten wir den eingesetzten Beamten für ihren Entschluss zu Handeln danken, denn egal welche Meinung der geneigte Leser haben sollte und unabhängig davon, wie der Ausgang der Ermittlung sein wird, haben sie sich dazu entschieden, ein Leben zu retten, obwohl die anschließende Behandlung in den Medien und die eigene psychische Belastung nach einer Schussabgabe bekannt sind.

Für Unbeteiligte bleibt massenhaft Zeit, um sich im Nachgang über diese oder jene getroffene Entscheidung eine Meinung zu bilden. Oft wird dabei vergessen, dass im Einsatzgeschehen keine Zeit bleibt. In diesem Moment handelt ein Polizeibeamter grundsätzlich so, wie es ihm nach rechtlicher Lagebeurteilung beigebracht worden ist. Er schützt ein Leben, wenn er dazu in der Lage ist, unabhängig von wem die Tat und zu wessen Nachteil diese verübt worden ist.

Immer wieder kann in den Medien nachvollzogen werden, dass Überschriften gezielt gewählt werden, um möglichst viele Leser mit reißerischen Schlagzeilen versorgen zu können. Das dabei nicht nur die Opfer, sondern auch die zum Teil anschließend schwer traumatisierten Polizeibeamten aus vielen Richtungen mit Meinungen und Kommentaren vorverurteilt werden, scheint nicht von Bedeutung zu sein.

Die Leserschaft könnte auch mit folgenden Überschriften mit Informationen versorgt werden, ohne dabei Vorurteile zu provozieren:

„In der Nacht zum 28.09.2016 kam es aus bislang ungeklärten Gründen zu einer Schussabgabe durch Polizeibeamte“

oder

„Im Zusammenhang mit einer noch nicht vollständig ausermittelten Straftat verlor ein Mann nach polizeilichem Schusswaffengebrauch sein Leben“

Anhand dieser beiden Beispiele lässt sich erkennen, dass man die zu Beginn ungefilterten Informationen urteilsfrei an die Leserschaft steuern könnte. Diese Überschriften vermitteln, dass es zu einer Schussabgabe durch Polizeibeamte kam, führen jedoch nicht zu Vorverurteilungen oder füttern nicht das sogenannte Klischeedenken. Damit könnte man wilden Spekulationen und Stimmungsmache rund um Schussabgaben in Einsatzlagen entgegenwirken.


Wir wünschen den Opfern und den eingesetzten Polizeibeamten Kraft, die schrecklichen Geschehnisse der vorausgegangenen Nacht zu verarbeiten und weiterhin mutig das Leben und ihren Dienst zum Wohle der Gesellschaft zu bestreiten.

 

Bundessprecherin Junge Kripo