Koalitionsvertrag zwischen CDU und den Grünen für Nordrhein-Westfalen

27.06.2022

Die Politik stellt für die nächsten 5 Jahre enorme Anforderungen an die Kriminalpolizei. Eine Zusammenfassung und Bewertung des BDK NRW.
Koalitionsvertrag zwischen CDU und den Grünen für Nordrhein-Westfalen
Foto: Land NRW

Am 23.06.2022 wurde der Koalitionsvertrag zwischen der CDU und Bündnis 90/Die Grünen in Nordrhein Westfalen der Öffentlichkeit vorgestellt.

Schwerpunktsetzungen innerhalb des Koalitionsvertrages

Unter dem Punkt Innere Sicherheit vermelden beide Parteien verschiedene Schwerpunktsetzungen, die insbesondere die Kriminalpolizei in NRW enorm fordern werden.

An der weiteren Strategie zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder halten die Koalitionspartner fest, wollen künstliche Intelligenz für die Ermittlungsunterstützung einsetzen, mehr Ressourcen einsetzen und Polizei und Justiz weiterhin intensiv miteinander vernetzen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Gewalt durch Hass und Hetze im Netz. Auch hier hat der Bund bereits vorgelegt. Nordrhein-Westfalen will sich an dieser Aufgabenstellung beteiligen und dieses Kriminalitätsfeld intensiv bekämpfen.

Ebenfalls in den Fokus des Koalitionsvertrags rücken die beiden Parteien die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Dazu will man Ressourcen bei der Polizei und bei der Justiz entsprechend stärken. Über den Umfang dieser konkreten Stärkung gibt der Koalitionsvertrag keine Auskunft.

In den Fokus stellen die Koalitionsparteien die Clankriminalität, die Rockerkriminalität und die Mafiakriminalität.

Bereits im Vorfeld war ersichtlich, dass beide Parteien sich an der Definition der Clankriminalität reiben. Die Grünen scheinen sich in diesem Punkt durchgesetzt zu haben. Eine gesonderte Definition soll erneut entworfen werden. Dadurch soll vermieden werden, dass entsprechende Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht gestellt werden.

Aus Sicht des BDK NRW ist es richtig und wichtig, weiter an dem Projekt zu arbeiten und die bekannten und mit Evidenz hinterlegten Fakten weiterhin zu benennen. Wir haben es mit einem Phänomen zu tun, in dem die Familie als kriminogener Faktor hervortritt und mangelnde Integration einen jahrzehntelangen Prozess in die Kriminalität gefördert hat.

Überlässt man den klaren Wortlaut zu diesem Kriminalitätsfeld radikalen Parteien, so führt das zu einer Spaltung der Gesellschaft.

Personalwerbung und Ausbildung

Die Koalition will einen neuen Weg gehen, insbesondere in der Polizeiwerbung.

Vielen Bewerberinnen und Bewerbern soll der Weg in die Kripo direkt nach dem Studium eröffnen werden. Hiermit wird eine langjährige Forderung des BDK aufgenommen, nämlich dass der Erlass an Kraft verliert, dass Kolleginnen und Kollegen nach der Ausbildung direkt in den Wach- und Wechseldienst gehen müssen.

Das hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass viele Bewerberinnen und Bewerber sich erst gar nicht bei der Polizei beworben haben. Ebenfalls soll das Studium novelliert werden, die Abbruchquote soll gesenkt werden und man denkt über einen Ausbau der Lehrformate nach.

Es bleibt am Ende des Tages offen, ob Kolleginnen und Kollegen auf ihre zukünftige Arbeit in den Kriminalkommissariaten durch das neu modulierte Studium tatsächlich vorbereitet werden.

Der BDK wird diesen Prozess intensiv und konstruktiv begleiten. Der Weg geht jedenfalls in die richtige Richtung, da er eine Abkehr von der aktuellen Situation bedeutet.

Fachkarrieren und Lebensarbeitszeit

Ebenfalls wird die Forderung des BDK NRW aufgenommen, Fachkarrieren zu stärken.

Weiterhin wollen die Parteien lebensältere Kolleginnen und Kollegen motivieren, die Lebensarbeitszeit zu verlängern.

Der BDK NRW wird genau darauf achten, dass das nicht die offene Tür ist, um die Lebensarbeitszeit gänzlich zu verlängern.

Wir haben noch immer viele Kolleginnen und Kollegen, die vorzeitig aus dem Dienst ausscheiden, weil sie überlastet sind und der Dienst Spuren an ihrer Gesundheit hinterlassen hat.

Gebäudemanagement

Wichtig ist auch, dass die Strategie der letzten Landesregierung weiter aufrechterhalten wird, die Polizeigebäude und deren Renovierung weiter zu verstetigen, Neubauten zu planen.

Polizeibeauftragter

Der BDK NRW ist nicht verwundert, dass die Grünen sich bei dem Punkt Polizeibeauftragte/r durchgesetzt haben. Sie/er soll zukünftig eingerichtet werden, allerdings unter der Überschrift „Fehlerkultur bei der Polizei“.

Der BDK steht dieser Bezeichnung im Grundsatz kritisch gegenüber, weil es in der Vergangenheit keinen Hinweis darauf gegeben hat, dass unser Beschwerdemanagement entsprechende Fehler aufgewiesen hat. Gleichwohl zeigen Studien aus anderen Ländern, in denen es einen Polizeibeauftragten gibt, dass die meisten Eingaben aus der Polizei heraus an den Beauftragten gesandt wurden.

Wichtig ist in dieser Funktion, dass sie/er losgelöst von Innenministerium NRW operieren kann. Blickt man in den Bund und beobachtet die Arbeit des Bundeswehrbeauftragten, wäre es wünschenswert, wenn die/der Polizeibeauftragte/r in NRW eine entsprechende Wirkung entfalten kann, mindestens einmal im Jahr die Missstände der Polizei NRW offen im Parlament darstellen zu können.

Einstellungen

Die Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, die Einstellungen nochmals von 2.700 auf 3.000 Einstellungsermächtigungen zu erhöhen. Dieser Schritt ist zu begrüßen.

Tarifbeschäftigte

Der Vertrag lässt völlig offen, wie sich die Zahl der knapp 9.000 Tarifbeschäftigten bei der Polizei NRW weiterentwickeln soll und was geplant wird, um sich auch für diese Beschäftigtengruppe wertschätzend einzusetzen.

Der BDK NRW warnte schon im letzten Jahr, dass die inflationäre Entwicklung von seinerzeit 5 % mit dem Tarifergebnis für den TV-L vom November 2021 (Nullrunde bis zum 01.12.2022) nicht zu vereinbaren ist. Dem BDK ist es ein Rätsel, wie die verhandelnden Gewerkschaften diesem Tarifabschluss zustimmen konnten. Inzwischen liegt die Inflationsrate bei 7,9 %. Die Politik ist gefordert, im öffentlichen Dienst zeitgemäße Löhne sowie Einstellungs- und Aufstiegsmöglichkeiten anzubieten, die gegenüber der Privatwirtschaft wettbewerbsfähig sind.

Text: Oliver Huth und Christel Fein