Kriminalität im Kontext von Zuwanderung – ganz so einfach ist es nicht

23.07.2022

Im Lagebild des Bundeskriminalamtes werden Auswirkungen des Zustroms von Flüchtlingen und Asylbegehrenden auf die Kriminalitätslage in Deutschland betrachtet. Die stellv. Bundesvorsitzende Marina Hackenbroch gab dazu dem MDR ein Radiointerview.
Andrzej Rembowski auf Pixabay

Anfang Juli ist das aktuelle Lagebild das BKA mit den Fallzahlen aus dem Jahr 2021 erschienen. Wie bei jeder Veröffentlichung polizeilicher Statistiken muss auch die Interpretation dieser Zahlen bedacht passieren – was auch dieses Jahr nicht wieder allen Medien gelingt.

So kommt ein Artikel der Zeitung „Die Welt“ zu der Einschätzung, die Auswertung des BKA ließe den Schluss zu, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle von Gewaltdelikten Zuwanderer die Täter und Deutsche die Opfer sind. Dementsprechend titelte „Die Welt“ „Gewalt zwischen Deutschen und Zuwanderern geht meist von einer Seite aus“ – aber ganz so einfach ist es nicht.

Zwar zeigen die Zahlen, dass bestimmte Gruppen der Zugewanderten in einigen Deliktsbereichen mit registrierten Straftaten überrepräsentiert sind. Jedoch bedarf es einer Betrachtung der Zahlen im Gesamtkontext. Die stellvertretende Bundesvorsitzende Marina Hackenbroch dazu im Interview beim MDR:

"Kriminalstatistiken sind keine Abbilder der Kriminalitätslage, sondern in erster Linie Arbeitsnachweise der Polizei. In solchen Lagebildern wird also das Hellfeld abgebildet, also die Straftaten, die uns als Polizei bekannt geworden sind. Bei straffälligen Zuwanderern sind auch insbesondere deren Lebensumstände zu betrachten. Bildung, soziale Integration und traumatische Erlebnisse in ihren Heimatländern spielen dabei genauso eine Rolle wie der Umstand, dass Zuwanderer häufig in Bereichen leben, in denen wir ohnehin eine hohe Kriminalitätsbelastung haben.“

Hierbei ist auch nicht außer Acht zu lassen, dass es zwischen Deutschen und Zugewanderten ein deutlich unterschiedliches Anzeigeverhalten gibt. Man kann generell sicher etwas pauschalisiert sagen, dass Deutsche eher geneigt sind, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten als vielleicht Zugewanderte, die gerade erst hier angekommen sind. Dabei spielen mögliche Ressentiments, die Zugewanderte gegenüber der Polizei haben, genauso eine Rolle wie Sprachbarrieren.

Darüber hinaus ist auch zu beachten, dass die Gruppe der Zugewanderten eine andere Struktur im Hinblick auf Geschlecht und Alter aufweist als die gesamtdeutsche Bevölkerung,  sie ist überwiegend männlich und jüngeren Alters. Dass die Gruppe der jungen deutschen Männer ebenfalls eine höhere Kriminalitätsbelastung hat als der Rest der Bevölkerung, darf aber auch nicht unerwähnt gelassen werden.

Diese Zahl der Opfer ist 2021 etwas geringer als im Jahr davor. Diesen Rückgang sieht Marina Hackenbroch positiv:

„Wir dürfen nicht vergessen, dass wir nicht nur zugewanderte Menschen bei uns haben, die sich bei uns integrieren müssen, sondern wir hatten auch eine Corona-Pandemie, die das Zusammenleben sicherlich nicht vereinfacht hat. Und vor diesem Hintergrund finde ich es erfreulich, dass die Zahlen insgesamt zurückgegangen sind.“

Lagebilder und Statistiken sind also immer nur kleine Ausschnitte, die das polizeiliche Hellfeld darstellen, aber kein Abbild der wirklichen Kriminalitätslage. Alle nicht registrierten Straftaten werden in den Lagebildern nicht abgebildet, weshalb Argumentationen und Interpretationen solcher Zahlen immer mit Vorsicht geschehen müssen, da sie leicht tendenziös und aussageverfremdend eingesetzt werden können.

Ein Problem, auf das der BDK nicht zum ersten Mal hinweist.


Das gesamte Interview mit Marina Hackenbroch kann online beim MDR angehört werden.

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