Kritik an Disziplinarverfahren innerhalb der Polizei bitte differenziert und ohne Emotionen

01.04.2017

Die aktuelle Online-Ausgabe der „Ostsee-Zeitung“ titelt: „Ermittlungen bei der Polizei: Fast 100 Beamte unter Verdacht“. Dabei werden die hohe Zahl der Verfahren sowie die Verwendung eines Betroffenen kritisiert.
Kritik an Disziplinarverfahren innerhalb der Polizei bitte differenziert und ohne Emotionen

Nach einer Abfrage bei der Polizei bzw. im Ministerium für Inneres und Europa musste festgestellt werden, dass in 89 Fällen disziplinare Ermittlungen gegen Beamtinnen und Beamte unserer Landespolizei aktuell geführt werden. In neun Fällen mussten die Beschäftigten sogar vom Dienst suspendiert werden, weil eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis droht.

MdL Peter Ritter meint nach Angaben der Zeitung, es handele sich um „ziemlich viele“ Ermittlungen. Zudem würden besonders länger dauernde Verfahren die Einsatzfähigkeit der Polizei behindern.

Dieser Auffassung ist uneingeschränkt zuzustimmen, natürlich mit einem kleinen ABER. Disziplinare Vorermittlungen oder verwaltungsrechtliche Verfahren sind im öffentlichen Dienst – und damit auch in der Polizei – nicht unbedingt selten. Während in einem Unternehmen wohl ein Arbeitnehmer bei einem tatsächlichen oder vermeintlichen Fehlverhalten durchaus nur gerüffelt oder seltener auch abgemahnt wird, muss gegen Beamtinnen und Beamte bei vorliegenden entsprechender Voraussetzungen schon beinahe zwingend im Sinne des Disziplinarrechts ermittelt bzw. vorermittelt werden. Und das auch bei vielleicht für Außenstehende vergleichsweise harmlos klingenden Pflichtverletzungen. Aber disziplinare Ermittlungen sollen nicht nur Fehlverhalten ahnden sondern auch primär erziehen und vor Wiederholungen schützen, sprich an die zukünftige Einhaltung der Pflichten erinnern oder ermahnen. Selbstverständlich muss dann auch sein, dass bei schwerwiegenden Delikten oder gar Straftaten eine Entfernung aus dem Dienst erfolgt.

Ein elementares Problem jedoch scheint uns in der Tat die Länge bzw. Dauer der Disziplinarverfahren und -ermittlungen zu sein. Während wir die Zeitdauer eines gerichtlichen Verfahrens nicht bewerten können oder kritisieren wollen, dürfte die teilweise überlange Dauer von disziplinaren Vorermittlungen selbstverschuldet und unnötig sein. Selbst das dabei geltende Beschleunigungsgebot wird so manches Mal durch die eingesetzten Vorermittlungsführer, deren Vorgesetzte oder vorgesetzten Dienststellen einfach missachtet. In einem uns bekannten Fall hat sich innerhalb von drei Jahren bei der Bearbeitung eines Disziplinarverfahrens, das bereits seit gut zehn Jahren läuft (!), so gut wie keine Ermittlungshandlung ergeben. Interessanterweise hat daran weder ein Vorgesetzter noch ein Richter Anstoß genommen, obwohl es das gesetzlich vorgeschriebene Beschleunigungsgebot gibt. Somit kann die öffentliche Kritik hier nur bestätigt werden.

Widersprechen müssen wir Herrn Ritter allerdings im Rahmen der Bewertung von Disziplinarstrafen im Nachgang von Strafsachen. Disziplarermittlungen werden für die Dauer strafrechtlicher Untersuchungen unterbrochen. Anschließend kann dann eine weitere Strafe ausgesprochen werden, muss aber nicht. Das deutsche Recht kennt keine Doppelbestrafungen und das Disziplinarrecht soll erziehen und an die Pflichten erinnern. Wenn mit einer Kriminalstrafe ein Vorgang ausreichend geahndet ist, kann ein Disziplinarverfahren durchaus ohne weitere und damit möglicherweise strafverschärfend wirkende Restriktion beendet werden.

Wir raten daher, derartige und sicher nicht zu akzeptierende Ausfälle einzelner Beamtinnen und Beamten ohne Emotionen und rein sachlich zu bewerten. Die grundlegende Kritik an Zahl und Dauer der Disziplinarverfahren können wir nur teilen.

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