Kritik und Gehorsam

05.05.2017

In der Online-Ausgabe des Magazins „Focus“ ist seit dem 2. Mai 2017 ein Artikel zum jüngsten Bundeswehr-Skandal eingestellt. Darin heißt es: "Kritiker werden abgedrängt, karrierebewusste Ja-Sager steigen auf".
Kritik und Gehorsam

Wir wollen uns dabei jedoch nicht zu Interna der Bundeswehr äußern. Interessant genug scheint uns die Feststellung, dass in einer Organisation des öffentlichen Dienstes offenbar Kritiker ins Abseits gedrängt werden und Vorgesetzten-Lieblinge die Karriereleiter hinauffallen. Und genau dieses Phänomen lässt sich nach unserer Auffassung auch innerhalb der Polizei beobachten, zumindest in der Landespolizei von Mecklenburg-Vorpommern.

Vor einigen Jahren stand in einer Regionalzeitung unseres Landes zu lesen, dass in der ehemaligen DDR niemals ein Staatsratsvorsitzender kritisiert werden durfte, dafür aber ein falsch handelnder Vorgesetzter. Heutzutage darf man Frau Dr. Merkel und ihre Politik anzweifeln, nicht aber die Weisungen und Vorgaben eines Vorgesetzten. Für unsere Landespolizei, so mussten etliche Beschäftigte erfahren, gilt dieser Sinnspruch leider unangefochten, wenn auch – zum Glück – nicht absolut und überall.

Das können wir auch mit wenigen Worten aufzeigen.

Ein ewiger Kritikpunkt sind die dienstlichen Beurteilungen. Diese werden ganz im Sinne der gültigen Richtlinie von Vorgesetzten erstellt, die allerdings die Arbeit ihrer Untergebenen nur vom Hörensagen und so manchen zu beurteilenden Unterstellten kaum namentlich kennen. Das dabei subjektive Töne wie „fehlende Vorgesetztennähe“, kritische Äußerungen und gar eine andere Meinung negative Melodien komponieren können, sollte jedem Leser einleuchten. Dagegen sind der bekannte „vorauseilende Gehorsam“, eine absolute Weisungsgebundenheit oder fehlende Remonstration bei zweifelhaftem Führungsverhalten durchaus wichtige Voraussetzungen für Beurteilungen, die eine hinreichende Karriere ermöglichen können. Dass Beurteilungen immer gerecht, unvoreingenommen und objektiv sind, glaubt außer einigen wenigen Verantwortlichen vermutlich nur noch der kürzlich wieder gesichtete Osterhase.

Aber auch andere Belege für die teilweise Kritikfeindlichkeit und Gehorsamsliebe unserer heutigen Polizei können wir anführen. So ist vor einigen Jahren ein ständiger Kritiker von – fehlerhaften – Führungsentscheidungen derart in seinen Rechten verletzt worden, dass am Ende eine ungerechtfertigte Entlassung zu Buche stand, während die inkorrekt handelnden Vorgesetzten auf ihren Posten verblieben oder gar noch befördert worden sind.

Oder ein BDK-Funktionär musste sich bei seiner Verabschiedung in den Ruhestand anhören, dass er durchaus eine bessere Karriere hätte durchlaufen können, wenn dies nicht seine kritische BDK-Haltung verhindert hätte.

Selbstverständlich wollen wir nicht behaupten, dass in unserer Landespolizei nur Ja-Sager am Ruder stehen und Kritiker generell unterdrückt werden. Doch der vermutlich zunehmende, weil karriereförderliche Trend in die falsche Richtung ist unübersehbar.

Weshalb engagieren wir uns dann eigentlich für berechtigte Kritik und gegen Untertanen-Buckelei?

Neben der Achtung der Persönlichkeitsrechte ist es wichtig, fachlich und kompetent zu agieren. Ein aufstrebender Ja-Sager wird immer ein Problem für seine Organisation darstellen, da es ihm meistens nicht an Klugheit, aber an Solidarität, Menschlichkeit, Charakter und oft an dem erforderlichen Wissen fehlt. Und vergessen wir nicht, die fachliche Beratung von Vorgesetzten – auch mit kritischen Inhalten – gehört zu den Pflichten der Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

Nicht zum ersten Mal fordern wir als Berufsverband der kriminalpolizeilich Beschäftigten eine fachliche, kompetente und objektive Führung innerhalb der Kripo und der Polizei, verbunden mit der strikten Umsetzung der entsprechenden arbeits- und beamtenrechtlichen Pflichten. Es sollte keine Schwierigkeit darstellen, arbeitsame, redliche und fachlich herausragende Unterstellte zu fördern und charakterschwachen oder inkompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihre Grenzen eindeutig aufzuzeigen. Ein wirklich guter Vorgesetzter hat es mit Sicherheit nicht nötig, sich auf penetrante Zuträger oder Ja-Sager im Rahmen seiner Führungsrolle zu stützen. Im Gegenteil, er kann mit sachlicher Kritik vernünftig umgehen und weiß sie zu werten ohne zu bewerten.

Wir können nur hoffen, dass diese Worte nicht auf taube Ohren stoßen, obwohl der Einfluss der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften auf unsere Landespolizei nach unserer Meinung viel zu gering ist und so einige Verantwortliche nur den Gehorsam zu lieben scheinen.

 

Focus Online