Lagebild Clankriminalität: Mehr Fälle, mehr Verdächtige

26.06.2023

Heute stellten Innenministerin Daniela Behrens und Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann das dritte gemeinsame Lagebild von Polizei und Justiz zur Clankriminalität in Niedersachsen vor: Etwa ein Drittel mehr Tatverdächtige, Anstieg der Fallzahlen um etwa 40 Prozent, kennzeichnend sind Rohheitsdelikte und Bedrohungen.
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Der Anstieg der Fallzahlen wurde mit einigen Umfangsverfahren und einer verbesserten phänomenbezogenen Zuordnung von Taten begründet. Und, aus der Pressemitteilung: 1)
„Er verdeutlicht aber auch, dass wir die Clankriminalität weiter sehr genau beobachten und entschieden bekämpfen müssen. Sogenannte ‚Hotspots‘, wie wir sie dieser Tage in anderen Bundesländern wahrnehmen, gibt es in Niedersachsen nicht in vergleichbarem Ausmaß. Die Niedersächsische Polizei und die Justiz setzen alles daran, dass das auch in Zukunft so bleibt!“

Dieser letzte Satz erhielt vor kurzem erst besondere Bedeutung, aus einer Pressemeldung vor wenigen Tagen: 2)
„Die tagelangen Kämpfe zwischen polizeibekannten Großfamilien in Nordrhein-Westfalen könnten bundesweit Folgen haben. Einer der beteiligten Clans hat sich mit Angehörigen in Niedersachsen und Berlin intensiv über die Lage ausgetauscht – hält der Konflikt in NRW an, könnte der Clan also bundesweit mobilisieren.“

Mit dem Phänomen Clankriminalität befasste sich der BDK Niedersachsen nicht erst seit dem Landesdelegiertentag im letzten Jahr. Dort allerdings erging Auftrag an den Landesverband: 3)
„… So wurde der Landesverband aufgefordert, sich für die effektive, konsequente und nachhaltige Bekämpfung der „Clankriminalität“ in Niedersachsen einzusetzen, sich dabei aber entschieden gegen jede Art der Stigmatisierung oder Vorverurteilung zu stellen: „Die Bekämpfung der „Clankriminalität“ stellt eine der großen Herausforderungen unserer Zeit dar: Abschottung und Verschleierung, Mobilisierung und Aggression, Macht- und Gewinnstreben, Ablehnung des Rechtsstaates sowie seiner Repräsentierenden und Ausleben eigener Normen - das sind die prägenden Kennzeichen dieses vielseitigen Kriminalitätsphänomens.

Die Strafverfolgungsbehörden müssen deshalb personell, technisch und fachlich-methodisch sowie mit den erforderlichen Eingriffsbefugnissen ausgestattet werden, um die „Clankriminalität“ erfolgreich bekämpfen zu können.“

In dem gemeinsamen Lagebild sind die maßgeblichen Indikatoren für kriminelle Clanstrukturen wie folgt definiert: 1)
„- das Ausleben eines stark überhöhten familiären Ehrbegriffs und das innerfamiliäre Sanktionieren von Verstößen gegen diesen Ehrbegriff,
- das Voranstellen von familieninternen, oft im Gewohnheitsrecht verwurzelten Normen über das Gesetz und die Verfassung,
- das Provozieren von Eskalationen auch bei nichtigen Anlässen oder geringfügigen Rechtsverstößen unter Ausnutzung clantypischer Mobilisierungs- und Bedrohungspotentiale,
- eine den Rechtsstaat umgehende oder unterlaufende Paralleljustiz.“

Entsprechend begrüßen wir die Äußerung von Justizministerin Dr. Wahlmann:
„Aus einem Großteil der Straftaten von Clanmitgliedern spricht eine grundsätzliche Verachtung unserer offenen, demokratischen Gesellschaft und unseres Rechtssystems. Das nehmen wir nicht hin. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat; Parallelgesellschaften werden wir auch in Zukunft nicht dulden. Unsere Botschaft ist klar: Wer sich über unsere Gesetze und Regeln stellt, der wird auch in Zukunft die volle Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen.“

Innenministerin Behrens und Justizministerin Dr. Wahlmann sehen Polizei und Justiz in Niedersachsen gut aufgestellt und in einigen Punkten in einer Vorreiterrolle. Der Hinweis auf die vier spezialisierten Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften in Braunschweig, Hildesheim, Osnabrück und Stade lässt darauf schließen, dass der zeitweise in politischen Kreisen diskutierte Vorschlag, diese Einrichtung aufzulösen, glücklicherweise vom Tisch ist.

Es ist nicht unbedingt Aufgabe eines Lagebildes, noch vorhandenen Nachholbedarf aufzuzeigen - der muss zwischen den Zeilen herausgelesen werden. Örtliche Hotspots gebe es in Niedersachsen nicht, sagte die Innenministerin - allerdings weist das Lagebild unterschiedliche Häufigkeit der Fallzahlen auf. Genau hinzuschauen gilt es auch bei der Vermögensabschöpfung und bei der personellen Ausstattung der Dienststellen bis hin zu Stellenbewertungen.

Wir bleiben dran.

 
Der Geschäftsführende Landesvorstand

 

 

1) https://www.mi.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/vorstellung-des-dritten-gemeinsamen-lagebildes-von-polizei-und-justiz-zur-clankriminalitat-2022-in-niedersachsen-223312.html

2) https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/auseinandersetzungen-zwischen-grossfamilien-wirken-sich-die-clan-kampfe-in-nordrhein-westfalen-bundesweit-aus-10007668.html

3) https://www.bdk.de/der-bdk/was-wir-tun/aktuelles/15-landesdelegiertentag

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