Macht der öffentliche Dienst kranker?

20.04.2016

Das Ministerium für Inneres und Sport, die Polizeigewerkschaften und jetzt wieder der Bund der Strafvollzugsbediensteten, alle äußern sich wiederholt besorgt über die offensichtlich hohe Zahl der Krankentage.
Macht der öffentliche Dienst kranker?

Der Fakt der wesentlich höheren Anzahl von Krankentagen pro Beschäftigten im Gegensatz zum Bundesdurchschnitt dürfte inzwischen unstrittig sein. Dabei kommt es auf kleinere Verschiebungen vor und hinter dem Komma nicht mehr an. Die Meldungen bewegen sich im Nordosten um Werte von etwa 37 Krankentagen bei der Polizei und beim Strafvollzug werden sogar 38 Tage gemeldet, während sich der Durchschnitt aller Branchen bei weniger als 10 Krankheitstagen einpendelt. Und Minister Caffier äußerte darüber hinaus noch im Januar 2016 vor Angehörigen der Spezialeinheiten des Landeskriminalamtes, dass täglich etwa 500 polizeilich Beschäftigte wegen Krankschreibungen nicht im Dienst weilen würden.

Beängstigende Zahlen, die alle Verantwortlichen zum schnellstmöglichen Handeln ermutigen sollten, denn die Gründe für diese desaströsen Fehlzeiten scheinen auf der Hand zu liegen. Zunächst ein wenig Selbstkritik. Erkrankte öffentliche Bedienstete dürften im Gegensatz zu den privat Beschäftigten doch eher als diese zum Arzt gehen, weil sie nicht oder kaum um ihren Job bangen müssen. Dennoch sind die grundsätzlichen Ursachen für die Rekordzahlen bei Krankmeldungen innerhalb der Landespolizei woanders zu suchen. Primär dürften die permanente Personalreduzierung bei gleichzeitiger Aufgabenzunahme, veränderte Arbeitsbedingungen durch zweifelhafte Strukturreformen, ein relativ hoher Altersdurchschnitt der Mitarbeiter oder immer geringer werdende Aufstiegschancen ursächlich für die steigende Zahl der Krankschreibungen sein.

In den vergangenen 25 Jahren hat unsere Landespolizei mehr als 1.000 Stellen verloren, während eine sich potenzierende Internetkriminalität, ein wachsender Terrorismus, eine im Dunkelfeld verschwindende Organisierte Kriminalität, ein stark erhöhtes Demonstrationsgeschehen, Abschiebungen oder Schwerlasttransporte unser Personal enorm – und teils über die Belastungsgrenze hinaus – beanspruchen. Kreisgebietsreform, Gerichtsstrukturreform oder Polizeistrukturreform, verbunden mit dem nicht nachvollziehbaren Argument der so genannten Verwendungsbreite führten dazu, dass viele Kollegen andere Dienstposten oder Arbeitsplätze kennenlernen mussten und oftmals weitere Wege zum Dienst in Kauf nehmen. Auch der hohe Altersdurchschnitt der Beschäftigten ist lange bekannt und doch werden nicht genügend neue Mitarbeiter eingestellt, um der kommenden Ruhestandswelle zu begegnen. Und wenn Kollegen auf einem Dienstposten arbeiten, der höher bewertet ist als ihr derzeitiger Rang und eine Beförderung an fehlenden Planstellen scheitert, kann auch das krank machen. Hier lohnt ein Vergleich zum privaten Arbeitgeber, wo jeder nach einer Probezeit auch im Sinne seiner ausgeübten Funktion bezahlt wird und nicht wie im öffentlichen Dienst unter Umständen Jahrzehnte auf eine funktionsgerechte Bezahlung warten muss, nur weil das zuständige Finanzministerium sparen will oder muss.

Soweit eine kurze, nicht auf Vollständigkeit bestehende Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes. Doch dieser bleibt nicht auf dem gleichen Stand, wenn die Verantwortlichen wie so häufig das Problem einfach aussitzen. Die ständig ausfallenden Kollegen und natürlich deren Aufgaben müssen von den übrigen Mitarbeitern mit übernommen werden. Dieser Aufgabenzuwachs birgt das große Risiko in sich, dass sich auch diese Kollegen schnell in der Kranken-Spirale verfangen und weitaus mehr Beschäftigte noch länger ausfallen.

Der Zeitpunkt einer angemessen Reaktion scheint nach unserer Auffassung längst überschritten zu sein. Zu lange wurde die Personalreduktion unbeirrt fortgeführt, zu wenig Wert wurde auf eine angemessene Motivation der Beschäftigten gelegt, zu lange wurde die Wirkung einer negativen Beförderungsentwicklung ignoriert. Die jetzt vom Ministerium ins Leben gerufenen Maßnahmen der Gesundheitsprävention greifen bei all diesen Problemen nicht, auch hier muss endlich ein Umdenken her, um die eben genannten Faktoren schleunigst positiver zu gestalten. Für die unmittelbar bevorstehenden Jahre ist es schon zu spät, retten wir wenigstens die kommenden Jahrzehnte.