Offener Brief an GdP-Vorsitzenden Arnold Plickert

20.04.2015

In einem heute veröffentlichten offenen Brief des BDK Landesvorsitzenden Sebastian Fiedler an seinen Kollegen von der nordrheinwestfälischen GdP erklärte Fiedler, dass er sich für die Kolleginnen und Kollegen freut, dass das Wort „Kriminalpolizei“ nun offenbar auch in den Sprachgebrauch der GdP wieder Einzug genommen hat.
Offener Brief an GdP-Vorsitzenden Arnold Plickert

Allerdings enthält das auf der Website der GdP veröffentlichte „Kriminalpolitische Programm“ nicht nur eine Reihe langjähriger BDK-Forderungen, sondern auch einige falsche oder überholte Ausführungen, die zu in ihrer Wirkung kontraproduktiven Forderungen führen. Besonders beunruhigend in dem Programm zeigt sich die Grundidee, man könne den steigenden Anforderungen an die Kriminalitätsbekämpfung durch Kripo-interne Veränderungen der "Organisation" und Herabstufung bestimmter Straftaten zu Ordnungswidrigkeiten begegnen.

Der BDK ist seit über 45 Jahren die kompetente Berufsvertretung der Kripo. Wir fordern:

  • Die Kriminalpolizei benötigt mehr Personal. Eine stillschweigende Akzeptanz weiteren Personalabbaus bei der Polizei ist der falsche Weg.
  • „Führung muss sich lohnen – auch bei der Kripo“ - Ungerechtigkeiten in Bezug auf die Wertigkeiten der Funktionen „Kommissariatsleiter“ sowie „Stellvertretender Kommissariatsleiter“ bei der Kriminalpolizei müssen in der Funktionszuordnung beseitigt werden.
  • Reform des Bachelorstudiengangs mit notwendigen Spezialisierungen für die beiden großen Berufsfelder sowie eine Steigerung der Attraktivität der Berufswahl durch konkrete Aussicht auf den direkten Zugang zur Schutz- oder Kriminalpolizei.

Sebastian Fiedler erklärte, dass sich die Kolleginnen und Kollegen der Kriminalpolizei in diesen Fragen eine Einigkeit aller drei Polizeigewerkschaften wünschten.

 

Offener Brief


Kriminalpolitisches Programm der GdP NRW

1. Pressemitteilung der GdP NRW vom 14.04.2015

 

Sehr geehrter Kollege Landesvorsitzender,

mit großer Freude haben die Kolleginnen und Kollegen der Kriminalpolizei die o. g.  Pressemitteilung der GdP NRW sowie das auf Eurer Homepage verfügbar gemachte „Kriminalpolitische Programm“ zur Kenntnis genommen. Nach mehreren Jahrzehnten scheint die GdP nunmehr die Belange der Kriminalpolizei intensiver in den Blick zu nehmen. Sogar das Wort „Kriminalpolizei“, das ihr über all die Jahre versucht hattet aus dem Wortschatz zu eliminieren und durch „Ermittlungsdienst“ zu ersetzen, taucht gleich mehrere Mal im Text auf und scheint nunmehr auch bei Euch wieder salonfähig zu sein. Das freut die Kolleginnen und Kollegen sehr, weil sie sich dann möglicherweise auch von der GdP wieder erst genommen fühlen.

Ich stimme Euch selbstverständlich in der Bewertung, dass in Bezug auf die Kriminalitätsbekämpfung dringend etwas passieren muss, ausdrücklich zu. Wir arbeiten an der Bewältigung dieser Probleme jeden Tag und sind bestrebt, die politisch Verantwortlichen im Landtag und den Ministerien beharrlich zu überzeugen. Ich habe aus Anlass Eures „Newsletter Ermittlungsdienst“ im Februar schon einmal deutlich gemacht, dass es in diesen Zeiten gut für das Land wäre, wenn die Polizeigewerkschaften in den Fragen der Kriminalitätsbekämpfung und der außerordentlichen Belastungssituation der Kriminalpolizei zusammenstehen würden, um für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Kolleginnen und Kollegen das Bestmögliche zu erreichen. Der BDK NRW hätte Euch insoweit im Vorfeld Eures Papiers, das erfreulicherweise auch eine Reihe langjähriger BDK-Forderungen enthält, weitere wertvolle Hinweise geben können. Wir haben jahrzehntelange Erfahrung in der kriminalpolitischen Arbeit und befassen uns in internen Gremien, im Austausch mit der Deutschen Steuergewerkschaft NRW und dem Bund der Richter und Staatsanwälte NRW sowie Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft intensiv mit allen kriminalfachlichen Themen. Unsere Argumentationen stehen daher immer auf einem sehr breiten Fundament. Gerne hätten wir Euch daher im Vorfeld Hinweise gegeben, die die unangenehmen Fehler und einige in ihrer Wirkung kontraproduktive Forderungen vermieden hätten.

Ein Beispiel bilden die Ausführungen zur Korruptionsbekämpfung, die leider zum großen Teil fachlich falsch bzw. in Teilen überholt sind. Die in § 46b StGB normierte Kronzeugenregelung ist auch für Korruptionsdelikte anwendbar. Der Rückführung der vorherigen großen Kronzeugenregelung auf Betreiben der seinerzeitigen Bundestagsfraktion der FDP auf die heutige Regelung haben wir uns als einzige Polizeigewerkschaft energisch entgegengestellt. Mein Stellvertreter Oliver Huth wurde hierzu als Sachverständiger im Deutschen Bundestag angehört. Die Fragen rund um die Korruption bei Ärzten haben wir unmittelbar nach der Entscheidung des BVerfG zur Korruption bei Kassenärzten behandelt und die Forderungen während der Koalitionsverhandlungen eingebracht. Das Zwischenergebnis dieser Bemühungen, der Referentenentwurf zur diesbezüglichen Gesetzesnovelle, ist seit einiger Zeit im Internet abrufbar[1].

Weitere Forderungen und Ideen, wie z. B. eine Vereinheitlichung von Vernehmungen wirken teilweise sogar laienhaft bis skurril. Auch zu den Positionen zu grenzüberschreitenden Ermittlungen hätten wir mit fachlichem Rat sicher zu einer aktuelleren und zukunftsorientierten Darstellung beitragen können. Nicht ohne Grund wurden wir im Rahmen des Sonderausschusses für Organisiertes Verbrechen, Korruption und Geldwäsche (CRIM) des Europäischen Parlamentes so oft als Experten angehört wie keine andere Institution oder Organisationen innerhalb der Europäischen Union.

Besonders beunruhigend finde ich in Eurem Programm allerdings die Grundidee, man könne den steigenden Anforderungen an die Kriminalitätsbekämpfung durch Kripo-interne Veränderungen der "Organisation" und dadurch begegnen, dass bestimmte Straftaten nicht mehr bekämpft sondern zu Ordnungswidrigkeiten heruntergestuft werden. Insbesondere Letzteres käme einer Kapitulation des Rechtsstaats ziemlich nahe. Die Frage, ob es sich bei einer Handlung um eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit handelt, ist nach dem Unrechtsgehalt der Tat zu beurteilen. Personalwirtschaftliche Effizienzgewinne haben bei dieser Betrachtung keine Rolle zu spielen. Ein Herunterstufen von Straftaten führt vielmehr zwangsläufig zu einer Bagatellisierung des jeweiligen Deliktsbereichs und verhindert ein frühzeitiges Erkennen krimineller Karrieren. Das kann und darf nicht im Interesse der Kriminalpolizei sein. Überdies halte ich es für ungeschickt und kontraproduktiv, diese und andere kriminalpolitische Forderungen mit derart weitreichenden rechtspolitischen Konsequenzen ohne vorherige Diskussion mit den Staatsanwaltschaften und den Strafgerichten zu führen. Der BDK führt diesen Dialog mit der Justiz sowie dem Justizminister daher regelmäßig.

Die  einzig wirksame Forderung bleibt ebenso trivial wie richtig: Die Kriminalpolizei benötigt mehr Personal. Da Kriminalität das Land mehr kostet als Kriminalitätsbekämpfung, spart zusätzliches Personal hier sogar Haushaltsmittel. Ich gebe zu: Das hat noch nicht jeder Haushaltspolitiker verstanden. Wir sollten daher in unserer Überzeugungsarbeit nicht nachlassen und nicht akzeptieren, in den kommenden 10 Jahren noch einmal 10% des Personals zu verlieren. Euer Programm sendet hier m. E. die falschen Botschaften, indem es einen Personalabbau stillschweigend zu akzeptieren scheint[2]. Vielmehr wäre es gerade jetzt angezeigt, einen Personalabbau bei der Polizei unter keinen Umständen zu akzeptieren und den politisch Verantwortlichen im Interesse der Bürger diesbezüglich geschlossen gegenüberzutreten.

Lieber Adi,

Dein Hinweis im WDR, mit Eurem „provokanten“ Papier einen Diskussionsprozess auslösen zu wollen, hat mich zu diesem Schreiben motiviert. Es liegt allerdings auf der Hand, dass ich nicht auf jeden einzelnen Bereich Eures Programms eingehen kann und möchte. Ich komme jedoch nicht umhin, mir einige abschließende Bemerkungen grundsätzlicher Natur zu erlauben.

Bei aller Freude darüber, dass ihr Euch nun augenscheinlich mehr den Themen der Kriminalpolizei widmen möchtet, würden sich die Kolleginnen und Kollegen der Kripo wünschen, dass ihr Euch – über bloße programmatische Forderungen hinaus – in den für die Kolleginnen und Kollegen der Kriminalpolizei und die Kriminalitätsbekämpfung brennendsten Themen tatsächlich nachhaltig engagieren würdet.

Dies ist leider noch immer nicht der Fall und die Gründe, die 1968 zur Gründung des BDK geführt haben, gelten bis heute fort: Der gewerkschaftspolitische Kurs der GdP NRW ist von den Mehrheitsverhältnissen innerhalb der Gewerkschaft geprägt. Die berechtigten Interessen der Kripo fallen den vermeintlichen (!) Mehrheitsinteressen der Schutzpolizei zum Opfer. Dabei macht das eigentlich allein deswegen schon keinen Sinn, weil ich nicht glaube, dass die Kolleginnen und Kollegen der Schutzpolizei ein Interesse an einer Schlechterstellung der Kripo-Kollegen haben. Der BDK wird daher als starke Stimme der Kripo weiter engagiert an Verbesserungen für die Kripo arbeiten. Hierbei geht es zu allererst um die Verbesserung der Rahmenbedingungen kriminalpolizeilicher Arbeit in jeder Hinsicht. Dies betrifft u. a. Fragen der Wertschätzung, der Ausstattung, adäquate und sichere Arbeitsbedingungen für Tarifbeschäftigte und nicht zuletzt die Personalentwicklung und eine gerechte Entlohnung der Arbeit. Letzterem Thema widmen wir uns ganz aktuell schwerpunktmäßig:

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter NRW startet die NRW-Initiative

„Führung muss sich lohnen – auch bei der Kripo“.

Ich habe das Ministerium für Inneres und Kommunales aufgefordert, zur Beseitigung insbesondere der Ungerechtigkeiten in Bezug auf die Wertigkeiten der Funktionen „Kommissariatsleiter“ sowie „Stellvertretender Kommissariatsleiter“ die Funktionszuordnung bei der Kriminalpolizei zu überprüfen und in der Folge diesbezügliche Gerechtigkeitslücken rasch zu schließen. Eigene Erhebungen offenbaren erheblichen Handlungsbedarf. In einzelnen Behörden hat es beispielsweise in der Kripo bereits seit 6 Jahren keine Beförderung mehr nach A12 gegeben. Grund hierfür sind insbesondere die unterbewerteten Führungsfunktionen innerhalb der Kripo. Die Kollegen sind folglich gezwungen, sich im Zweifel auf Funktionen bei der Schutzpolizei zu bewegen und nehmen hierdurch zwangsläufig verdienten Kollegen aus diesem Berufszweig eine Stelle weg. Dies hat einen zusätzlichen Verlust von Erfahrungs- und Fachwissen zur Folge.

Leider bemüht sich die GdP NRW bisher nach Kräften, unseren Vorschlag zur haushaltsneutralen Schaffung weiterer Stellen A12 und A13 für KK-Leiter sowie KK-Leiter-Vertreter aus rein prinzipiellen Gründen zu blockieren. Verbesserungen bei der Kriminalpolizei zu erwirken, die ausschließlich dort vorhandene Ungerechtigkeiten beseitigen sollen, passt nicht in die GdP-Programmatik, immer 2/3 aller Stellen zur Schutzpolizei zu bringen. Das Perfide daran ist die Tatsache, dass genau diese Programmatik die Kriminalpolizei NRW erst in diese schlechte Lage versetzt hat. Wir erinnern uns: Mit Einführung der Funktionszuordnung verlagerte der damalige Innenminister Dr. Ingo Wolf mit Zustimmung u.a. der GdP etwa 500 Stellen der Wertigkeiten A12 und A13 von der Kripo zur Schutzpolizei. Im Innenministerium gab es seinerzeit Stimmen, die davon sprachen, die Kripo habe zuvor „wie die Made im Speck“ gelebt; eine Ungeheuerlichkeit sondergleichen. Erst nach massiven Protesten des BDK NRW konnten wir zusätzliche 450 Stellen A12 und A13 erwirken, die nach unserem Willen selbstverständlich zur Kompensation der zuvor gestohlenen 500 Stellen verwandt werden sollten. Die Durchsetzung der o. g. Maxime „immer 2/3 aller Stellen zur Schutzpolizei“ führte jedoch dazu, dass der Kripo noch heute 330 Stellen A12 und A13 fehlen. Weder diese Tatsache noch die hierdurch entstandenen Ungerechtigkeiten in Bezug auf die unterschiedliche Bewertung von Führungsleistungen bei Schutz- und Kriminalpolizei werden wir hinnehmen. Die gesamte Polizei sitzt in einem Boot und es darf nicht sein, dass eine Berufssparte zu Lasten einer anderen benachteiligt wird. Über eine Einigkeit aller drei Polizeigewerkschaften in dieser Frage wären die Kolleginnen und Kollegen der Kriminalpolizei äußerst dankbar.

Eine solche Einigkeit wäre auch in Bezug auf eine zwingende Reformierung des Bachelorstudiengangs angezeigt. Sowohl die Schutzpolizei als auch die Kriminalpolizei benötigt in Bezug auf die Grundfertigkeiten beim Berufseinstieg in der jeweiligen Berufssparte ein deutliches Mehr an spezialisiertem Wissen. Die Berufsbilder entwickeln sich stetig fort. Nicht nur die Arbeit in der Kriminalpolizei sondern auch der Dienst im Wach- und Wechseldienst stellt heute erheblich höhere Anforderungen an die Kolleginnen und Kollegen als noch vor 10 Jahren. Eine Zunahme von Spontanversammlungen, der Umgang mit häuslicher Gewalt, die Digitalisierung der Kommunikation sowie die Technisierung von Kraftfahrzeugen bilden einige Beispiele. Wir brauchen daher bezogen auf das Bachelorstudium bei der Polizei insbesondere zwei Dinge: notwendige Spezialisierungen für die beiden großen Berufsfelder sowie eine Steigerung der Attraktivität der Berufswahl durch konkrete Aussicht auf den direkten Zugang zur Schutz- oder Kriminalpolizei.

Eure Sorge, dass bei einem Studiengang mit vorher festgelegten Schwerpunkten für die Schutz- und Kriminalpolizei womöglich nicht wie heutzutage nahezu alle Studierenden zunächst in die GdP eintreten und durch Versicherungsprovisionen und Literaturverkäufe deren Einnahmesituation festigen, dominiert leider bisher sämtliche fachlichen und sachlichen Argumente und konterkariert alle wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Dabei könnte die GdP NRW – wenn sie wollte – wirklich etwas für die Kripo und die Kriminalitätsbekämpfung tun. Sie könnte sich z. B. dafür einsetzen, dass sich Führung auch bei der Kripo lohnt und dass die Kolleginnen und Kollegen der Kripo eine zeitgemäße Ausbildung bekommen, die sie auf die enormen Herausforderungen der Zukunft bestmöglich vorbereitet. Andere Landesverbände der GdP und der Bundesvorsitzende Oliver Malchow sind hier augenscheinlich mindestens einen Schritt weiter[3].

Meine Kolleginnen und Kollegen des BDK-NRW sowie ich selbst freuen sich über konstruktive Gespräche.

Mit besten kollegialen Grüßen

Sebastian Fiedler

 

null 2015-04-20 BDK an GdP offener Brief.pdf — PDF document, 1126Kb



[2] Siehe PM der GdP NRW vom 14.04.2015: „Dringenden Handlungsbedarf sieht die GdP auch deshalb, weil die Polizei mit zahlreichen neuen Herausforderungen konfrontiert ist (...), ohne dass sie in den kommenden Jahren mehr Personal bekommen wird.“ und Kriminalpolitisches Programm der GdP NRW, S. 4: „Weil die Polizei in NRW auf Grund der Sparzwänge der Landesregierung in den kommenden Jahren wahrscheinlich mit weniger Personal auskommen muss (...)“